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Warrior Queen (1987)

Spektakuläre Kämpfe! Aufregende Abenteuer! Mitreißendes Drama! Erotische Phantasien! Adrenalinfördernde Spannung! Unglaubliche Effekte und epische Bilder! Und nichts davon ist in diesem Filmchen namens WARRIOR QUEEN enthalten, das sich schwerstens bemüht, jede Steuererklärung wie eine attraktive Freizeitbeschäftigung wirken zu lassen.

Man kann ja nicht behaupten, daß man nicht schon vom Vorspann gewarnt würde: Chuck Vincent, der früher Pornos drehte und später die Videotheken mit dilettantischem Unfug wie KNASTAKADEMIE und DIE SCHWESTERN VON DER SAMENBANK füllte, führte Regie; produziert hat Harry Alan Towers, der Billigststreifen wie GOR und DIE SIEBEN MÄNNER DER SUMURU betreute; ebenfalls als Produzent gelistet ist Aristide Massaccesi, der unter seinem Pseudonym „Joe D’Amato“ Sternstunden wie PORNO HOLOCAUST zu, oh ja: verantworten hat. Aber freilich haben alle dieser Personen mitunter auch schwerst unterhaltsames Schundkino gedreht, und außerdem spielt ja Donald Pleasence mit, wie schlimm kann der Film also schon werden? Ach, ach, ihr ahnt es nicht.

Wir beginnen mit einer grünen Wiese und einem Text: Pompeii, 22. August 79 AD. Da stellen sich mir gleich zwei Fragen. Erstens: Bilde ich mir das nur ein, oder war Pompeii gar keine grüne Wiese, sondern eine Stadt? Und zweitens: Hat das Datum etwas zu bedeuten? Ist im Jahre 79 irgendetwas mit Pompeii passiert? Felix qui potuit rerum cognoscere causas, kann man da nur sagen, denn nun wissen wir, daß irgendwann etwas sehr Schlimmes passieren wird, was möglicherweise mit dem Berg zu tun hat, der beständig gezeigt wird. Aber noch kümmert uns das nicht: Eine Karavane zieht durch die Gegend und wird plötzlich von einer Bande von Rabauken angegriffen. Glücklicherweise ist Berenice Teil dieser Karavane, und sie wird nicht nur von Sybil Danning gespielt, sondern ist sogar die titelgebende Hauptfigur. Zack-zack, schon hat Berenice die finsteren Rüpel mit dem Schwert erledigt. Tiht-Tüht-Tuht-fidel-li-Tüh macht dazu der Synthesizer. Zu diesem Zeitpunkt weiß man als Zuseher übrigens noch nicht, daß die Szene gar nicht für den Film relevant ist, und auch nicht, daß sie wohl nur dazu dient, den Film überhaupt als WARRIOR QUEEN verkaufen zu können, weil Berenice nämlich im Rest des Films fast nicht mehr kämpft.

Stattdessen sehen wir also nun in Pompeii eine Sklavenversteigerung (der Fairness halber merken wir an, daß die Sklaven mit der Karavane in die Stadt gebracht werden: Nicht, daß uns jetzt jemand vorwirft, wir würden den dramaturgisch ausgeklügten Handlungsbogen verschweigen). Das funktioniert so: Der zu verkaufende Sklave (bzw. die Sklavin) wird an Ketten in die Luft gezogen und hängt dann nackt nach unten, während die vier anwesenden Kleindarsteller laut rufen, wieviel Geld ihnen der Sklave wert wäre. Man kann zu diesem Zeitpunkt noch überlegen, ob der Film einen eher europäischen Arthouse-Ansatz verfolgt und mit mühsam langwierigen Einstellungen die Fleischbeschau im alten Pompeii anprangern will, oder ob die Szene hauptsächlich dazu dient, die mitwirkenden Frauen schön nah bei der Kamera unbekleidet herumbaumeln zu lassen.

Wenig später lernen wir den Herrscher von Pompeii kennen, und Donald Pleasence spielt ihn mit geradezu unglaublicher Begeisterung. Der Herrscher will Berenice beeindrucken und läßt daher zunächst mal zwei muskulöse Sklaven Armdrücken spielen, wobei der Verlierer seine Hand an einem Giftpfeil verletzen und sterben wird. Dann läßt der Herrscher Tauben durch den Saal fliegen und versucht mit jubilierendem Gelächter, diese mit einem Netz einzufangen. Man kann Pleasence wirklich nicht vorwerfen, daß er nicht mit Enthusiasmus bei der Sache wäre. Sybil Danning sitzt daneben und gähnt, und man kann mit ihr fühlen.

Es folgt eine lange Orgiensequenz. Da flaniert also ein Mann mit einer Augenklappe (der Bordellbesitzer, der die meisten Sklaven gekauft hat) durch einen großen Raum, wo sich in allen Ecken und Winkeln Männer und Frauen sinnlichen Genüssen hingeben. Ein Kleinwüchsiger ist auch im Raum, und der wird von dem Mann mit der Augenklappe flugs geohrfeigt. Nebenher wird im Raum gewackelt und gekeucht, und während man sich das minutenlang so ansieht, gerät man ins Grübeln, ob Staubsaugen nicht auch mal wieder eine echt rockende Angelegenheit wäre. Eine Hauptsklavin/Vorarbeiter-Sklavin/Puffprinzessin nimmt dann eine blonde Sklavin mit auf ihr Zimmer, und da zieht sie mit der Hand komische Kreise durch die Luft, während die Blonde nackt auf dem Tisch liegt. Die Synthesizer machen unterdessen hauptsächlich „uuuh“ und „ooh“, mit viel Echo und Hall, und während die beiden Lesben, die ganz offenbar keinerlei Ahnung davon haben, was Lesben im Schlafzimmer überhaupt machen (oder machen könnten), da Löcher in die Luft gucken und mit den Armen herumfuchteln, sieht man die kostbaren Minuten seines Lebens dahinziehen und wünscht sich glatt die vergleichsweise aufregende Atemlosigkeit eines Films wie HEART BEAT zurück.

Und, seufz, wir sind noch nicht fertig mit der Sendeschluss-Erotik. Die Hauptsklavin führt nämlich anschließend noch einen Schlangentanz auf, der mit ein paar Jahren Übung sicherlich noch ganz nett werden würde, und dazu sehen wir verschiedene, hm, erotische, äh, Situationen der Orgie: Männer, Frauen, vorne, hinten, oben, unten, und das über viele viele Minuten hinweg immer mit denselben Parts und einem sich zu hypnotisch trommelndem Psychedelik-Gewaber entwickelnden Synthbrei. So ähnlich stelle ich mir den Aufenthalt in einer Vorhölle vor: Man muß sich unerotische Clips mit fiebrigem Alptraumsoundtrack anhören, und das immer wieder und wieder und wieder. Schauder.

Aber natürlich hat der Film noch mehr zu bieten als nur unglaublich fade Orgien ohne Sinn und Verstand: Es folgen unglaublich fade Gladiatorenkämpfe ohne Sinn und Verstand. Da kämpfen nun also zwei Burschen mit einer Art Frisbee gegeneinander, nur daß die Frisbee rasiermesserscharf ist und man möglichst nicht davon getroffen werden sollte. Jeder Gladiator ist mit einem Seil an einen Pfosten gebunden und muß nach jeder Runde einmal um den Pfahl marschieren, um die Leine und somit die Ausweichmöglichkeit zu verkürzen. Schwupp, schwupp, der Teller fliegt ein paar Mal hin und her, und nebenher wirft der große Gladiator, der aussieht wie Lou Ferrigno, einem Zuschauer das Ding in den Kopf, weil der unsportliche Dinge von oben herabgebrüllt hat. Das ist aber offenbar kein Kriterium für eine Disqualifizierung, und deswegen gewinnt Gladiator-Lou auch noch, nachdem er dem Gegner die Scheibe in den Magen geschleudert hat und dem bunte Gedärme aus dem Körper flutschen wie Pasta aus einem Topf. Es folgen ein paar andere obskure Spiele, die vermutlich nur deswegen wenig mit der Handlung zu tun haben, weil es gar keine solche gibt. Man darf auch Reiter und Löwen und hunderte von Statisten bewundern – allesamt aus dem Film DIE LETZTEN TAGE VON POMPEII, der hier mit Dutzenden von Einstellungen wiederverwertet wurde. (Wer die Archivaufnahmen nicht am Filmmaterial unterscheiden kann, verwendet folgende Faustregel: Viele Menschen, große Bauten, aufregendes Spektakel = nicht unser Film. In unserem Film besteht die Arena aus einer grauen Wand und einer gelben Säule, die verdächtig wie die Säule aus dem Orgiensaal aussieht.)

So geht der Spaß also noch eine ganze Zeitlang dahin, und irgendwann kämpfen tatsächlich ein paar der Hauptfiguren im Wald, und dann werfen sich wieder muskulöse halbnackte Männer in homoerotischen Momenten ernsthafte Blicke zu. Tieht-Tüht-Fiep macht dazu der Soundtrack, und gelegentlich sehen wir wieder den Vulkan, von dem wir ja wissen, daß er irgendwann ausbrechen muß. Fünfzehn Minuten vor Schluß macht er das dann auch endlich: Zeit für eine erneute Zweitverwertung des Films DIE LETZTEN TAGE VON POMPEII. Gebäude stürzen ein, die Erde bebt, Hunderte von Menschen rennen über die Straße. Dazwischen auch immer mal Bilder, die extra für WARRIOR QUEEN gedreht wurden: Drei Statisten rennen hustend durch den Staub, die Kamera wackelt, Pappmachésäulen fallen schwungvoll um. Heiße Lava fließt durchs Bild (eventuell auch nur Nahaufnahmen der Tomatensoße aus Mama Vincents Kochtopf). Donald Pleasence wird von einem Archivmaterial-Pferdewagen überfahren und durch die Stadt geschleift. Die Synthesizer machen hauptsächlich „wuuuh“, manchmal auch „miiieh“.

Wenig später stapfen diverse Darsteller durchs Grüne und schauen dabei bedröppelt. Berenice läßt die blonde Sklavin gehen. Der Himmel ist blau. Alles wird gut. Wir haben WARRIOR QUEEN überlebt.

Warrior Queen (Italien/England/USA 1987)
Regie: Chuck Vincent
Drehbuch: Rick Marx
Kamera: Lorenzo Battaglia
Musik: Kai Joffee, Ian Shaw
Produktion: Lightning Pictures Inc.
Darsteller: Sybil Danning, Donald Pleasence, Rick Hill

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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