Früher – also: vor vielen, vielen Monden – hegte ich einen gewissen Stolz darin, den ironiegestählten Besuchern des Genzelschen Trashlabors den wirklich fürchterlichsten Quatsch zu zeigen, der da so durch die Filmwelt geisterte. „Bei dir sieht man wirklich die schlechtesten Filme“, sprach Kollege Thomas U. bei der Vorführung von HOT SPLASH, einer fast völlig unbekannten Surfer-Comedy ohne Witz, aber dafür mit haarsträubend sprachbeugender Synchronisation, und er schaffte es, die Worte so sehr nach Kompliment klingen zu lassen wie nur menschenmöglich. Aber Zeit geht ins Land, man wird älter, und plötzlich passiert es immer häufiger, daß die wirklich üblen Machwerke von Freunden geliefert werden, die beim Ausgraben von cineastischer Inkompetenz viel größeren Enthusiasmus an den Tag legen als man selbst. So geschehen auch gestern wieder, als der junge Eleve Peter L. einen Film präsentierte, der seinem Fund DIE RACHE DER BRONZEKÄMPFER in Fragen der Qualitätsuntiefen in nichts nachsteht.
Wir erinnern uns: BRONZEKÄMPFER war der wirklich und wahrhaftig konfuseste Film, der je unseren Bildschirm geziert hat – aber natürlich hatten wir da THE LONE NINJA WARRIOR noch nicht gesehen, der nüchtern betrachtet vielleicht mehr Sinn machen würde, wenn man das Geschehen auch nur annähernd verstehen könnte. Im Vorfeld sei noch erwähnt, daß der Film hierzulande auch schon als NINJA SAMURAI – DAS SCHWERT DER RACHE veröffentlicht wurde (und im Vorspann als „Ninja Samaurai“ bezeichnet wird) und auch schon schöne Titel wie BLADE OF DOOM, AN EVERLASTING DUEL, LIQUID SWORD 2, THIRTEEN MOON SWORD und FLYING SWALLOW’S SWORDS OF DEATH trug. Immerhin scheinen die Alternativtitel der Handlung eher auf der Spur zu sein als die deutschen Veröffentlichungen: oh ja, es gibt Schwerter, es gibt auch ein Duell, und gestorben wird auch; Ninjas oder Samurais dagegen sind gar keine zu verorten – was vielleicht daran liegt, daß die eigentlich in Japan beheimatet sind und dieser Film aus Taiwan stammt. Aber die fast nackte Frau, die das DVD-Cover ziert, ist ja auch nicht im Film zu finden.
Ganz grob zusammengefaßt geht es also um den Kämpfer Snowy White (der freundlicherweise immer leicht zu erkennen ist, weil er ein weißes Gewand trägt), der dem Kollegen Eagle einst im Duell den Arm abhackte. Die beiden sind nun also sowohl befreundet als auch verfeindet – na klar!, möchte man fast rufen – und Eagle beschützt jetzt also Snowy White, weil irgendwann ein Duell ansteht, wo er sich rächen möchte, und Eagle deshalb betrübt wäre, wenn jemand anderer vor ihm Snowy White umbringen würde. Klar soweit? Gut. Snowy White ist also im Besitz des Schwertes der dreizehn Monde, das dem besten Kämpfer im Lande zusteht, weswegen dem Träger des Schwertes auch beständig Rabauken über den Weg laufen, die ihn kleinschneiden möchten. Eigentlich interessiert Snowy White der Titel „bester Kämpfer des Landes“ gar nicht so sehr, aber abgeben will er das Schwert nun auch wieder nicht – vielleicht geht es ihm da wie mir mit den DVDs von ganz miesen Filmen, die ich eigentlich eh nicht noch einmal sehen will und trotzdem im Regal horte.
Nun gibt es also verschiedene Menschen, die Snowy White ermorden möchten, und die daher versuchen, Eagle dafür einzuspannen, der das aber irgendwann später in Eigenregie machen möchte und sich daher mit Snowy White und einigen anderen Kämpfern verbündet, um die mordlüsternen Gesellen zu verprügeln. Plötzlich taucht auch eine Art Geheimbund auf, dessen Mitglieder stets nur als „Die Verrückten“ bezeichnet werden – sollten es etwa gut organisierte Autoren dieser Website sein? – und die … ja, hm. Also, auf jeden Fall wollen sie mal Snowy White ermorden, und vielleicht auch das Schwert kriegen, aber eigentlich verbünden die sich ja mit einigen Schwestern, von denen nicht immer ganz klar ist, ob sie wirklich alle miteinander verwandt sind oder immer nur einzelne Schwesternpaare abgeben; der Vater einer dieser Schwestern hofft, daß Snowy White seine Tochter heiratet (diesen Wunsch unterstreicht er mit den Worten: „Wenn du sie nicht nimmst, will sie auch kein anderer mehr“), und kümmert sich nebenher in einer Höhle um eine weitere Tochter, von der die anderen nichts wissen, und die so krank ist, daß sie Blut trinken muß. Die Bißwunden am Hals könnten natürlich auf einen Zustand hindeuten, der uns wohlbekannt ist, aber lieber werden da Attentäter herausgeschickt, die Menschen Bambusrohre in den Rücken stecken und dann ihr Blut in einer Schale auffangen.
Aber soweit ist ja noch alles klar! Leider tauchen stets neue Menschen auf, von denen absolut nicht klar ist, wer sie sind, und warum sie jetzt gerade gegen irgendwen anders kämpfen oder intrigieren, und dann wird doch wieder von einer weiteren Schwester geredet oder von einem Verräter; es gibt eine Rückblende, in der irgendeine Frau von irgendeinem Mann angegriffen wird, und diese Frau wird von einem Buckligen mit übergroßem Gebiss beschützt, der dann auch immer wieder auftaucht und doch nicht ganz zugeordnet werden kann. Auch die Schwestern intrigieren gegeneinander, Menschen werden vergiftet, ein Mann mit einem in Alufolie eingepackten Kopf hüpft durchs Bild, und irgendwie ist man jedesmal froh, wenn einer stirbt, weil man stets hofft, daß die Verwirrungen der Story jetzt überschaubarer werden. Gelegentlich taucht auch ein Mann auf, der sich wegzaubern oder die Wand hochlaufen kann, und jeder seiner Auftritte wird mit unglaublich kosmischem Weltraumgeblubbere untermalt.
Freilich hilft es auch nicht, daß der DVD-Transfer ein Vollbild präsentiert, bei dem mitunter so viel links und rechts vom Bild fehlt, daß man die handelnden Personen gar nicht sieht – was mitunter gar nicht stört, weil das Bild eh viel zu dunkel ist, als daß man irgendwas erkennen könnte. Was natürlich nicht heißen soll, daß der Film mit ordentlichem Transfer ein großer Wurf wäre: In den wirr zusammengeschnittenen und unpräzise choreographierten Kampfsequenzen ist mitunter nicht ersichtlich, wer gerade gegen wen kämpft oder wer gewinnt; beständig geben Charaktere Sätze von sich, die eigentlich erläuternd funktionieren sollten, aber die Verwirrung nur steigern, weil natürlich die Information „ihre Schwester steckt hinter allem“ wenig Klarheit verschafft, wenn es doch so viele Schwestern gibt, von denen wir ja nicht mal wissen, mit wem die nun eigentlich verwandt sind oder warum sie überhaupt hinter irgendetwas stecken sollten. Peter, der bei DIE RACHE DER BRONZEKÄMPFER noch eifrig dabei war, die Handlung zu entpuzzeln, gibt hier schon nach einer halben Stunde auf und wird sehr still, während die erstmalig im Trashlabor anwesende Kollegin Anna (die im Schnittfeld der Mengen „Frauen“ und „Trash-Aficionados“ so alleinstehend sein dürfte, daß man sofort ein Gehege um sie herumbauen und einen Artenschutzantrag stellen möchte) bis zuletzt noch die optimistische Hoffnung hegt, daß am Ende alles sinnvoll erläutert wird.
Zum Schluß kämpfen dann endlich Eagle und Snowy White gegeneinander, und Snowy überläßt Eagle dann das Schwert der dreizehn Monde. Nach reiflicher Feldforschung ist er sicher zu der Überzeugung gelagt, daß Eagle unbestritten der beste einarmige Schwertkämpfer im ganzen Film ist. Wir gratulieren!
The Lone Ninja Warrior (Taiwan 1982)
Originaltitel: Shui Yue Shi San Dao
Regie: Chang Peng-I
Drehbuch: Lung Ku
Kamera: Shintaro Nakajo
Musik: Mou Shan Huang
Produktion: Dragon Group
Darsteller: Tien Peng, Tin Hok, Chen Sing
Länge: 93 Minuten
FSK: 16
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