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Zwei Nachrufe

An 2009 wird man sich wohl als ein Jahr der unerwarteten Todesfälle erinnern.

Am Freitag habe ich im Netz die Nachricht gefunden, daß Dan O’Bannon Donnerstag gestorben ist. Der Name sagt vielleicht zunächst einmal nur den wirklich Filminteressierten etwas, bis man mal anfängt, seine Filmographie aufzulisten. Ich habe Dan schon allein deswegen heiß und innig geliebt, weil er zusammen mit John Carpenter (den er auf der Filmhochschule kennenlernte) für dessen Debütfilm DARK STAR verantwortlich war – als Co-Autor, Special-Effects-Mann, Cutter, Ausstatter, und nicht zuletzt auch als Darsteller von Sgt. Pinback, dem resignierten Astronauten (von dem sich herausstellt, daß er gar kein Astronaut ist und nur durch Zufall an Bord gelangte), der versucht, die Besatzung mit Spaßbrillen aufzuheitern, und in einer endlos langen, immer absurder werdenden Sequenz kläglich dabei scheitert, das Alien-Bordmaskottchen einzufangen – eine Art Strandball mit Klauen unten dran. Allein für den Gesichtsausdruck, wenn er im Boden des Bordfahrstuhls festhängt und der Computer ihm erklärt, daß jetzt zu seiner Entspannung „Der Barbier von Sevilla“ gespielt wird, hat sich O’Bannon einen Platz im Heldenpantheon gesichert – aber natürlich auch für das ungemein clevere Skript, das eine Art erloschenen Hippietraum als Science-Fiction-Parodie erzählte, in dem lebens-müde Astronauten einer künstlich intelligenten Bombe Phänomenologie beibringen, damit sie nicht das Schiff sprengt.

Die witzige Jagd nach dem Alien brachte O’Bannon dann – nachdem er ein wenig bei den Computeranimationen von STAR WARS mitgebastelt hatte – auf die Idee zu seinem größten Erfolg: ALIEN, wo sich ebenfalls Mensch und Alien durch enge Raumschiffschächte jagen – nur diesmal als SciFi-Kreuzung aus Monsterfilm und Spukhausgeschichte konfiguriert. Auch nach ALIEN lieferte O’Bannon immer wieder bemerkenswerte Arbeit ab, obwohl der Erfolg des Films sicherlich sein restliches Werk überschattete: Er schrieb das Drehbuch zu John Badhams starkem Überwachungs-Technothriller BLUE THUNDER (DAS FLIEGENDE AUGE) – in dessen Making-of er erklärte, wie die ständig über seinem Apartment kreisenden Polizeihelikopter ihn auf die Idee dieser perfekten Überwachung aus der Luft brachten – und schrieb und inszenierte auch den grandios schwarzen Zombiefilm THE RETURN OF THE LIVING DEAD, der die Zeile „Send more cops“ unsterblich machte und in dem jede Idee der Charaktere immer nur zu größerem Unheil führt (allein der Schlußgag – nachdem die ums Überleben kämpfenden Figuren endlich Kontakt zum Militär bekommen – ist brilliant).

Zweimal adaptierte O’Bannon Geschichten von Philip K. Dick: Er schrieb das Skript zu Paul Verhoevens TOTAL RECALL und später zu SCREAMERS. Ebenso von ihm stammt der bizarre genreübergreifende Tobe-Hooper-Film LIFEFORCE (der Motive aus ALIEN mit dem Vampirfilm und einer apokalyptischen Vision verknüpft), und auch das Skript zu Hoopers Remake von INVADERS FROM MARS (den ich nicht gesehen habe). Er schrieb auch die von Moebius gezeichnete Comic-Kurzgeschichte „The Long Tomorrow“ (mir ebenfalls leider unbekannt), die als eines der Vorbilder für die BLADE-RUNNER-Ästhetik gilt.

Dan O’Bannon starb am 17. Dezember im Alter von 63 Jahren nach 30-jährigem Kampf gegen Morbus Crohn.

Eigentlich noch schockierender – weil unerwarteter (wie kann man Todesfälle miteinander vergleichen?) – ist die Nachricht, die heute durchs Netz geistert: Die Schauspielerin Brittany Murphy ist im Alter von 32 Jahren an Herzstillstand gestorben.

Erst vorgestern habe ich mir zum zweiten Mal Edward Burns‘ SEITENSPRÜNGE IN NEW YORK angesehen, in dem Brittany Murphy eine recht naive 19-jährige Kellnerin spielt, die ein Verhältnis mit einem 39-jährigen verheirateten Mann (Stanley Tucci) hat – und ihre Szenen (der Film ist eine Ensemblegeschichte, es gibt also auch noch andere Erzählstränge) haben mich erneut daran erinnert, wie talentiert dieses junge Mädchen doch ist. Gut aussehen tun viele Schauspielerinnen, obwohl Brittany Murphy interessant gut aussah: Die großen Augen, der zu breite Mund – eigentlich keine klassische Schönheit, aber eine Frau mit Ausstrahlung. Diese Ausstrahlung hat sie auch in vielen Filmen zeigen können: Den naiven Charme (wie in SEITENSPRÜNGE oder auch in dem grandiosen CLUELESS) konnte sie ebenso spielen wie die street-smarte Frau mit einem Funken Berechnung (8 MILE); bemerkenswert auch ihr Auftritt als verstörte Psychiatrieinsassin in DON’T SAY A WORD, wo sie mir zum ersten Mal bewußt auffiel und ich lange gebraucht habe, um überhaupt zu kapieren, daß es sich um dieselbe Schauspielerin wie aus CLUELESS handelt.

Andere Filme, die ich mit Brittany Murphy gesehen habe, waren SUMMER CATCH – dieser grundsympathische und freilich total banale Freddie-Prinze-Jr.-Baseballfilm – und SPUN, Jonas Akerlunds abgedrehter Drogentrip. In UPTOWN GIRLS, einem etwas süßlichen Film mit Dakota Fanning, war sie immens liebenswert. Nein, sie hat nicht nur gute Filme gemacht – aber ihre Präsenz war doch immer ein Lichtblick, auch in grauenhaften „Komödien“ wie VOLL VERHEIRATET, den sie mit ihrem damaligen Beau Ashton Kutcher drehte. Der Vollständigkeit halber muß ich wohl noch erwähnen, daß sie auch in GIRL INTERRUPTED und in SIN CITY zu sehen war, die ich beide (noch) nicht gesehen habe.

Die Meldungen halten sich vage mit Details zu ihrem Tod. Herzstillstand, von der Mutter bewußtlos in der Dusche gefunden. Gerüchte von Drogen. Bald wird der Gerichtsmediziner seinen Bericht abliefern. Ich denke mir nur: 32, was ist das für ein Alter? Brittany Murphy war 4½ Monate älter als ich. Von ihr hätte noch so viel Gutes kommen können.

Sehr, sehr schade.

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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