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Tragische Heiterkeit: PUNCHLINE – DER KNALLEFFEKT

Nur wenn er Menschen zum Lachen bringen kann, fühlt sich Steven Gold (Tom Hanks) akzeptiert. Abend um Abend steht er auf der Bühne eines kleinen Clubs, wo sich Amateurkomiker vor Publikum ausprobieren können. Sein Medizinstudium hat er vermasselt – nicht nur, weil er keine Zeit zum Lernen hatte und durch die Abschlußprüfung gefallen ist, sondern auch, weil er das Studium ohnehin nur gemacht hat, weil seine Familie das so wollte. Stevens Vater glaubt immer noch, daß er in einem Studentenwohnheim haust, weil Steven dort von einem Bekannten „gedeckt“ wird, und er weiß auch generell nichts von der eigentlichen Leidenschaft seines Sohnes, der mit Geldnöten kämpft und darauf hofft, endlich entdeckt zu werden.

In dem Comedyclub ist der egozentrische Steven der Star: Keiner der anderen Komiker kann die Leute so mühelos zum Lachen bringen. Die meisten der dort auftretenden Entertainer werden immer Amateure bleiben: So zum Beispiel der Geschichtslehrer Mr. Ball, der bei seiner Schulklasse mit seinen Witzen gut ankommt und es nicht versteht, warum er auf der Comedybühne jedes Mal gnadenlos absäuft. Manche aber haben Potential, mit dem sie arbeiten können. Eine von diesen Kandidatinnen ist Lilah (Sally Field), eine biedere Hausfrau, die schon als Kind stets Menschen zum Lachen bringen konnte und diese Seite ihrer Persönlichkeit zuhause nicht ausleben kann. Lilahs Programm ist nicht sehr witzig, aber Steven lobt ihr Naturtalent und bietet an, ihr zu helfen – zunächst aus rein finanziellen Gründen, aber dann auch, weil er die Frau, die glatte zehn Jahre älter ist als er, attraktiv findet. Warum, das wissen weder er noch sie so genau.

Lilah (Sally Field) will von Steven (Tom Hanks) lernen.

Das Skript für PUNCHLINE schrieb David Seltzer schon 1979, aber es verschwand jahrelang in einer Schublade, bis er es dann als Nachfolger seines klugen, fein beobachteten Teenagerdramas LUCAS fast zehn Jahre später selber verfilmen konnte. Sein Blick auf die Menschen, die sich verzweifelt als Stand-Up-Komiker abplagen, ist nicht komisch und soll es auch gar nicht sein: Diese Menschen machen Witze, weil ihnen zum Heulen zumute ist. Stevens Leben ist ein völliges Chaos, und der einzige Weg, den er kennt, um Menschen auf seine Seite zu bringen, ist der des Witzelns. Nachdem er bei seinem Medizinexamen heillos untergegangen ist, wird er von seinem Prüfer gefragt: „Können Sie mir sagen, welchen Sinn es macht, Menschen ohne jegliches Talent für die Medizin an Leuten mit todbringenden Krankheiten herumdoktorn zu lassen?“ „Es würde die Zahl der Leute mit todbringenden Krankheiten drastisch reduzieren“, platzt Steven heraus und lacht seinen Professor hilflos an. „Funny Steve is going under“, erklärt Steve später einem Talentscout, dem er klarmachen will, daß er mit seinem restlichen Leben völlig überfordert ist.

Lilah hat ihre eigenen Probleme: Ihr Ehemann (John Goodman) ist gar nicht mit ihrer Doppelrolle als Ehefrau und Komikerin einverstanden, weil er sich ausgeschlossen fühlt und glaubt, daß es Lilah von Heim und Familie wegzieht. Ihr Balanceakt, in dem sie sich gleichzeitig um ihre Töchter und das Haus kümmert und ihrer Comedyleidenschaft nachgeht, funktioniert auch nur begrenzt, weil immer eine von beiden Seiten zu kurz zu kommen droht. „Die Menschen in diesem Haus lieben dich, egal ob du komisch bist oder nicht“, erklärt ihr Ehemann frustriert. Und trotzdem zieht es sie immer wieder auf die Bühnen, wo sie jedes Mal um die Anerkennung der Leute kämpfen muß. Als Steven sich Hals über Kopf in sie verliebt, bedrängt der sie, ihren Ehemann zu verlassen, aber er wirkt in seinen Versuchen, sie mit Witzen und manischem Tanzen im Regen dazu zu bringen, ihn auch zu lieben, eigentlich nur bemitleidenswert.

Steven (Tom Hanks) will Lilah mit einer großen Show becircen.

Daß sich hinter vielen Komikern tragische Geschichten und verzweifelte Menschen verbergen, ist keine allzu neue Erkenntnis, aber dennoch eine, der selten Filme gewidmet werden (Scorseses THE KING OF COMEDY ist ein solcher, ebenso wie Formans MAN ON THE MOON). Spürbar ist diese Zerrissenheit bei vielen Komikern: Hinter dem Witz, dem Lachen, dem manischen Bedürfnis, Leute zu unterhalten, ist oft eine Menge Wut, Schmerz und Unsicherheit spürbar. Der Stand-Up-Komiker Rodney Dangerfield hat eine ganze Karriere aus dem Gefühl geschafft, zurückgewiesen zu werden: „My mother never breast-fed me. She told me she only liked me as a friend“, war einer seiner Witze. Dangerfield schlug sich viele Jahre lang vergeblich als Komiker durch und warf mehrfach das Handtuch. „At the time I quit, I was the only one who knew I quit“, sagte er später.

Freilich kann PUNCHLINE nur einen kleinen Einblick in diese Selbstverachtung geben und die Besessenheit, mit der die traurigen Figuren versuchen, witzig zu sein, nur andeuten. Über weite Strecken aber ist Steven Gold ein faszinierender Zeitgenosse: Egoistisch, unsicher, laut, zynisch, und mit der Fähigkeit ausgestattet, beinahe alles komisch zu betrachten. „We’re God’s animated cartoons“, erklärt er Lilah.

Leider nicht lustig: Sally Field.

Zwei große Probleme plagen den Film und verhindern, dass er sein Ziel wirklich erreicht. Das größere davon: Sally Field hat keinerlei komisches Talent. Sie mag als biedere Hausfrau überzeugen, und ebenso als Mensch, der sich bemüht, das Richtige zu tun, der aber gleichzeitig mit Vehemenz für etwas kämpft, das ihm wichtig ist – aber als Komikerin auf der Bühne erntet sie wirklich nur in der Realität dieses Films Lacher. Sie hat keinerlei Timing für ihre bemühten Witzchen, ihr Material ist müde und – noch schlimmer – zwischen den schlechten Auftritten zu Beginn des Films und den angeblich besseren am Schluß besteht kein fühlbarer Unterschied. Field hat keinerlei Präsenz auf der Stand-Up-Bühne, und somit kann auch keinerlei Beteuerung innerhalb des Films, wie viel Potential sie doch hätte, sonderlich ernst genommen werden.

Das zweite Problem ist quasi eine Weiterführung des ersten: Auch die anderen Stand-Up-Programme sind nur sehr begrenzt komisch. Tom Hanks hat durchaus alles, was ein Stand-Up-Komiker braucht – den Biß, das Timing, die unterschwellige Agression, die Improvisationsgabe. Im Stich gelassen wird er nur vom Drehbuch: Nur wenige seiner Witze sind tatsächlich witzig, nur wenige seiner Auftritte sind tatsächlich so zündend, wie es der Film gerne hätte. Von den anderen Komikern sieht man nur gelegentlich Teile ihres Programms, und auch hier ist der Unterschied zwischen gutem Komiker und schlechtem Komiker hauptsächlich nur deshalb spürbar, weil der Film uns das mit Publikumsreaktionen mitteilt. Natürlich ist der Film als Drama intendiert, aber die Comedyelemente sollten schon glaubwürdig sein.

Sally Field und Tom Hanks im Humorblues.

So funktioniert der Film leider nur über Hanks. Das aufgesetzte Finale, in dem ein Talentwettbewerb im Comedyclub abgehalten wird, dessen Sieger in die Johnny-Carson-Show eingeladen wird, ist verzeihlich; die plötzliche Wandlung von Lilahs Ehemann, dessen vehemente Ablehnung zum Schluß verpufft und der zum applaudierenden Fan wird, fühlt sich ebenso notdürftig gelöst an, aber auch das wäre kein Beinbruch, weil es ja darum gehen soll, daß sie so oder so von ihrer Familie akzeptiert wird. Mit den obengenannten Barrieren zündet die Geschichte allerdings nie so, wie sie es könnte, und zum Schluß fragt man sich, ob es nicht vielleicht sogar klüger gewesen wäre, Fields Comedy-Untalent als Punkt in die Handlung zu setzen. Die optimistische Auflösung der einzelnen Plotfäden paßt letztlich nicht zu den tragischen Figuren, die sie bevölkern.

Sei’s drum: PUNCHLINE ist bei weitem keine derartige Katastrophe, wie einen die Resonanz mancherorts vermuten läßt. Hanks kann viel von seinem dramatischen Talent einbringen, von dem wir später noch so viel mehr sehen sollten, und Seltzer kann sich tröstend sagen lassen, daß auch Scorsese und Forman mit ihren (zugegebenermaßen insgesamt stimmigeren) Komik-Sezierungen wenig Freunde gefunden haben. Wir hören eben doch lieber einen Witz über das Scheitern, als einfach nur dabei zuzusehen.

Mehr Tom Hanks auf Wilsons Dachboden:
LARRY CROWNE: Inspiration als Behauptung (2011)

Punchline – Der Knalleffekt (USA 1988)
Originaltitel: Punchline
Regie: David Seltzer
Drehbuch: David Seltzer
Kamera: Reynaldo Villalobos
Musik: Charles Gross
Produktion: Columbia / Fogwood / IndieProd
Darsteller: Tom Hanks, Sally Field, John Goodman, Mark Rydell, Kim Greist
Länge: 117 Minuten
FSK 12

Die Screenshots wurden von der englischen DVD (C) 2004 Columbia TriStar Home Entertainment genommen.

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    2 Comments

    1. Es ist eine Ewigkeit her, dass ich "Punchline" auf VHS gesehen habe und ich würde meine Erinnerungen gerne etwas auffrischen. Ich fand die Witze damals durchaus komisch, aber auf den ernsten Ton der Erzählung war ich wenig vorbereitet, da der Film durch seinen Trailer als reine Komödie beworben wurde.

      Inzwischen bin ich nach über 300 Folgen von Marc Marons Podcast "WTF" mit der amerikanischen Standup-Szene vertrauter als mit meiner eigenen Familiengeschichte und könnte warscheinlich auch die unterschwellige Tragik der Figuren besser verstehen.
      Ich werde mir bei Gelegenheit die (nicht allzu teure) DVD zulegen um dieses Wissen mit der Filmversion zu vergleichen.

      Maron spricht häufig über die existentielle Angst die bei seinen ersten Gehversuchen auf der Bühne zum Vorschein kam, besonders wenn er keine Lacher erzeugen konnte. Einem Fan der ihn fragte was er tun sollte um als Comedian Karriere zu machen, empfahl er als erstes den Karriere-Teil zu vergessen.

      Aber um zum Film zurückzukommen: schon erstaunlich, dass Sally Field hier noch Tom Hanks Love-Interrest spielte und nur 6 Jahre später in Forrest Gump seine Mutter. 😀

    2. Interessant, diesen Podcast muß ich mir auch mal anhören. Beim ersten Ansehen des Films vor vielen, vielen Jahren ging's mir ähnlich wie dir – ich konnte mit dem ernsten Unterbau recht wenig anfangen. Später bin ich dann durch viele Standup-Programme mehr in die Szene reingekommen und habe mich mit einigen Komikern auseinandergesetzt, die teils sehr aggressiven und schmerzhaften Humor präsentieren – das hat beim erneuten Ansehen dann der Geschichte viel gegeben. Leider wurde dafür dadurch das Sally-Field-Problem nur offensichtlicher …

      Ich finde Sally Field als Mutter ohnehin glaubwürdiger als als Love Interest 🙂

      Wenn du den Film mal wieder gesehen hast, gib Bescheid, wie er dir heute gefällt!

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