Señor Negro (sprich: Herr Schwarz) hat ja sein Wochenende unter anderem damit verbracht, säckeweise VHS-Kassetten zu entsorgen. Über den Wertverlust einer Videosammlung wurde ja an dieser Stelle schon vor kurzem gebloggt (kurz ist natürlich hinsichtlich der Updatefrequenz dieses Blogs ein dehnbar zu verstehender Begriff); die traurige Wahrheit ist natürlich, daß kein Mensch mehr die ollen Tapes haben will, nicht mal für 10 Cent oder nachgeschmissen.
Passend dazu (aber eigentlich ganz unabhängig davon) habe ich das Osterwochenende zum großen Teil damit verbracht, mir alte Filme auf VHS anzusehen, die bislang (zumindest bei uns) nicht auf DVD erschienen sind (wobei ich alle dieser Filme vor langer Zeit schon mindestens einmal gesehen habe, aber mich ja nach einiger Zeit den meisten Filmen gerne wieder widme). So sehr die digitale Revolution schon um sich gegriffen hat – es gibt nach wie vor eine Menge Filme, die leider bislang nicht (oder nicht vernünftig) auf DVD erschienen sind. Was haben wir also geschaut?
JULIA HAT ZWEI LIEBHABER. Daphna Kastner und David Duchovny, ungefähr zwei Jahre vor dieser einen Serie, wo er von Außerirdischen geredet hat und die ein paar Leute mehr gesehen haben als diesen Streifen hier, den die Hauptdarstellerin zusammen mit Regisseur Bashar Shbib geschrieben hat (zu diesem Nachnamen könnte man so eine Doo-Wop-Nummer schreiben: Shhh-bib, shh-bum / Was blieb / vom Rum). Den Film habe ich zu Schulzeiten schon ein paar Mal gesehen, und er hat damals nachhaltigen Eindruck hinterlassen: Die erste Hälfte des Films besteht nämlich nur aus einem Telefongespräch zwischen den beiden Hauptdarstellern. Duchovny ruft Kastner an, die er nicht kennt, und die er in ein Gespräch verwickelt. Die beiden sind sich schnell sympathisch und tauschen alle möglichen persönlichen und intimen Gedanken aus – und Duchovny überredet sie dann, daß er sie besucht und verführt sie dann. Und natürlich stellt sich heraus, daß er so etwas ständig macht – die Telefonnummer ist seine Aufreiß-Masche.
So ein Film ist natürlich schon alleine deswegen mein cup of tea, weil es fast ein reiner Dialogfilm ist: Die reden halt am Telefon. Es gibt keine welterschütternden Erkenntnisse und keine krassen Wendungen, es wird einfach eine charmante Geschichte von einem Schwindler erzählt. Damals fand ich die Nähe, die in dem Telefongespräch entsteht, so faszinierend, daß ich selbst probiert habe, an ein Mädchen in meiner Klasse über lange Telefongespräche heranzukommen. Und auch wenn ich schon weit vor dem Film durchaus ewig am Hörer kleben konnte, ist der Film hier vielleicht mit dafür verantwortlich, daß ich es auch heute noch aufregend und romantisch finde, wenn man mit jemand die ganze Nacht hindurch bis zum Morgengrauen telefoniert und diese eigentümliche Mischung aus Distanz und Nähe durch die ganze Wohnung trägt: Küche, Balkon, Couch, Bett.
Die zweite Hälfte ist nicht ganz so aufregend und der Schluß etwas unbefriedigend: Trotzdem würde ich die DVD sofort kaufen. Auf seiner eigenen Website verkauft Shbib eine DVD (nur mit englischer Tonspur) für schlappe $65 – ob das was mit den Außerirdischen zu tun hat?
EINE LIEBE FÜR LANA. Noch ein Film mit Daphna Kastner (die übrigens später dann Harvey Keitel geheiratet und mit ihm ein Kind hat) und von Shbib. Auch der hier ist eine ganz einfache Beziehungsgeschichte: Kastner gibt eine Kennenlernanzeige auf, und dann hält sie einen Klempner (Clark Gregg), der sich im Haus geirrt hat, für ihr Date, und es dauert dann irgendwie den ganzen Film, bis die beiden sich darauf einigen können, daß sie gerne zusammen wären. Daß dem Film ein wenig Pep fehlt, mag an der lahmen deutschen Synchro liegen, und so bleibt eine recht nette, aber nicht wirklich aufregende Romantic Comedy über. Sie ist ein wenig zu neurotisch, er hat ein paar Mal zu oft eine Bierflasche in der Hand, als daß man die beiden endlich zusammen sehen will, aber hey – ich würde ihn trotzdem haben wollen. Weil Duchovny nicht dabei ist, will Shbib auch nur $35 für die englischsprachige DVD …
FRENCH EXIT – DU SCHON WIEDER! Den hier hat Kastner geschrieben und selbst inszeniert, aber dafür spielt sie nicht mit. Der Film ist eine extrem charmante Romantic Comedy über zwei Drehbuchautoren, einer männlich (Jonathan Silverman aus IMMER ÄRGER MIT BERNIE) und eine weiblich (die wunderbare Mädchen Amick aus TWIN PEAKS), die sich dauernd in die Wolle kriegen und beide um einen Auftrag kämpfen (ein Remake von MEUTEREI AUF DER BOUNTY) und natürlich vollkommen füreinander geschaffen sind. Nun sind RomComs ja immer formelhaft, und so weiß man auch hier, was passiert, aber es ändert nichts dran, daß der Film ein witziges Feel-Good-Movie ist, das leider völlig unbekannt und somit auch DVD-los geblieben ist. (In einer Sequenz wird auf einer Hollywoodparty übrigens geredet: „Coppola wird Regie führen!“ – „Oh, ich liebe Francis!“ – „Nein, Sofia“. 1995 war das noch ein Witz.)
EATING. Na schön, den gibt es auf DVD: Es gibt nämlich keine deutsche Fassung, nur eine untertitelte, und in Amerika ist der Film mit Audiokommentar von Regisseur Henry Jaglom erschienen. Der Film ist eine ganz lose inszenierte Abfolge von teils improvisierten Szenen auf einer Geburtstagsparty, wo sich diverse Frauen über das Thema Essen unterhalten (eine der Frauen ist übrigens Daphna Kastner, und ich könnte nicht mal sagen, daß mich die Frau wahnsinnig umhaut). Das ist teils witzig, teils eher nervig – zumal das Thema wirklich, wirklich ausgetreten wird. Es gibt leider zu viele Figuren – alle paar Minuten kommen neue Gäste auf die Party, und wir können nur ein paar wirklich auseinanderhalten – und der Streifen ist noch mehr Dialogfilm als JULIA HAT ZWEI LIEBHABER, aber letzteres stört mich kaum: Ich mag sowas ja. Der Film ist durchaus interessant als Reflektion über Körperwahn und als Einblick in den Druck, unter den sich viele Frauen hinsichtlich ihrer Ernährung stellen; die ganz gewichtige Erkenntnis bleibt aber aus. Weniger Figuren wären wohl mehr gewesen.
WEISS SIE, WIE MAN KUCHEN BACKT? Und nochmal Henry Jaglom, und auch den hier gibt es als US-DVD, aber nicht bei uns (obwohl es diesmal eine synchronisierte Fassung gibt). Auch in diesem Film wird hauptsächlich viel geredet – es geht um die Beziehung zwischen zwei recht neurotischen Leuten (Michael Emil, Jagloms Bruder, der in dem großartigen INSIGNIFICANCE Einstein gespielt hat, und Karen Black), die immer wieder ihre Unterschiede ausdiskutieren müssen und Kommunikationsprobleme haben. Da sind viele skurille Einfälle drin: Er klemmt sich zum Beispiel beim Sex einen Pulsmesser ans Ohrläppchen, weil er wissenschaftlich beweisen will, daß er sie mehr liebt als die Frauen vor ihr (weil sein Herz für sie schneller schlägt!). Der Film ist ganz einfach inszeniert, aber eine durchaus reizvolle Skizze über die Komplikationen zwischen Verstand und Gefühl.
Vielleicht wäre es doch mal an der Zeit, sich so ein Video-/DVD-Rekorder-Kombigerät zu kaufen und einige dieser Filme zu überspielen. Die Kassetten werden nicht besser (obwohl sich die teils schon 15 Jahre alten Aufzeichnungen durchaus gut gehalten haben!) und vieles wird vielleicht nie auf DVD kommen …
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