Fox Mulder hätte seine wahre Freude daran: Angeblich bauten während des zweiten Weltkrieges deutsche Techniker sogenannte Flugscheiben, die mittels einer geheimen Energiequelle namens Vril die Schwerkraft überwinden konnten und in den letzten Kriegstagen dann als „Geheimgeschwader“ genutzt wurden, um Deutsche zu einem geheimen Nazistützpunkt in der Antarktis zu evakuieren – dem sogenannten Neuschwabenland. Diese Flugscheiben, die mitunter auch unter der Bezeichnung „Hanebu“ auftauchen, sind der Ursprung sämtlicher UFO-Sichtungen; die Informationen zum Bau dieser Geräte wurden aber entweder seinerzeit teilweise vernichtet oder aber von den Allierten geheimgehalten.
Schwachsinn? Aber hallo! Die Regale diverser Esoteriker, Ufologen und anderer Pseudowissenschaftler sind voll mit Büchern, Zeitschriften und Dokumentationen über Flugscheiben, Vril, Neuschwabenland und Hanebu-Baupläne, die teilweise auch unter dem Stichwort „Geheimwissen“ über eher ungeheime Quellen wie Amazon oder eBay erstanden werden können. UFO – DAS DRITTE REICH SCHLÄGT ZURÜCK? ist eine solche (Amateur-)Doku, die mittels Photographien, Skizzen, Konstruktionsdaten und suggestiver Erzählweise von der Existenz der deutschen Flugscheiben überzeugen will.
Schon der Hintergrund des Videos stimmt nachdenklich: Der Film, der „nach einem Manuskript von Norbert Jürgen Ratthofer“ von Ratthofer selbst in Zusammenarbeit mit vier anderen Gesellen entstand, wurde 1989 von der Tempelhofgesellschaft Wien herausgegeben – einem faschistisch orientierten Verlag, der seinerzeit schon durch eine Reihe von bedenklichen Publikationen unangenehm auffiel (im Netz wird die Tempelhofgesellschaft als „öffentlichkeitsscheuer Verlag“ bezeichnet – diese Wortzusammenstellung muß man sich mal auf der geistigen Zunge zergehen lassen!). Obwohl der Film keinerlei offenkundige Nazipropaganda betreibt, tauchen doch am Rande einige braungefärbte Mitteilungen auf: Da wird zum Beispiel darauf hingewiesen, daß nur Heer, Marine und Luftwaffe der Wehrmacht kapitulierten, das großdeutsche Reich selbst aber nie; ebenso wird emphatisch unterstrichen, daß die Allierten keinen Kampf allein gegen Hitler, sondern gegen das deutsche Volk führten.
In der Tat scheint die Idee dieser Flugscheiben aus dem rechten Eck zu stammen, das unter dem Deckmantel der Lobpreisung deutscher Ingenieurskunst das Dritte Reich als etwas nicht durch die Bank Verwerfliches darstellen möchte. So gesehen erfreuen die hier verbreiteten Thesen das braune Herz: Das großdeutsche Reich hat nicht nur nie kapituliert, sondern lebt im Geheimen verborgen auf einem Geheimstützpunkt in der Antarktis weiter, von wo aus es ganz nach Laune in die Lufträume sämtlicher Nationen eindringen kann. Aber freilich entspringt der Schwurbel um die fliegenden Naziuntertassen hauptsächlich der makabren Faszination, die das zwölfjährige Reich mit seiner Mischung aus systematisierter Entmenschlichung einerseits und der (teils ersponnenen, teils wahren) okkulten Legendenforschung so oft ausüben kann.
Zu Beschallung durch die Carmina Burana auf Heavy Rotation (in der ersten Filmhälfte) und kosmischen Synthflächen, die einem frühen Klaus-Schulze-Album entliehen sein könnten (in der zweiten Filmhälfte), erläutert Ratthofer mit sonorer Stimme seine phantastischen Thesen: Ermöglicht werden die Flugscheiben durch einen Tachyonenantrieb, der unter dem Schlagwort „Elektrogravitation“ das Schwerkraftfeld der Erde in nutzbare Energie umwandeln kann (wie die Flugscheiben dann im All funktionieren, vermag uns die These nicht zu erläutern). Beinahe rührend kreativ wird dazu betont, daß die „Esoteriker des Dritten Reiches“ schon früh „erkannten“, daß das Explosionsprinzip (wie es zum Beispiel ein normaler Motor verwendet) nicht dem gottgegebenen Schöpfungsprinzip entspricht, welches ja immer aufbauend wirkt, und daß somit stattdessen ein Implosionsansatz verfolgt wurde – die genannten Esoteriker seien also quasi Vorläufer der heutigen Grünen, weil sie im Einklang mit der Natur arbeiten.
Unter Aufwendung von verschiedenen obskuren Namen – Erfinder Viktor Schauberger, Kapitän Hans Kohler – wird die Entwicklung des Antriebs sozusagen genau erläutert, während wir angebliche Baupläne und unscharfe Photographien vorgesetzt bekommen, auf denen man „eindeutig“ in der Vergrößerung Geschütztürme, den Piloten in der Steuerkapsel, Hakenkreuze oder SS-Runen erkennen kann (um die Eindeutigkeit zu unterstützen, werden rote Kreise um gewisse Stellen im Bild gemalt, auf denen meist eindeutig gar nichts zu erkennen ist). Der Antrieb wird dann mitunter als „Thule-Tachyonator“ bezeichnet, teils auch als „Thule-Antrieb“ – obwohl ja einschlägige esoterische Literatur die Energiequelle klar als Vril identifiziert (ein eigentlich fiktiver Stoff, der 1871 in einem Roman von Lord Lytton auftauchte und dank Lyttons okkulter Interessen mancherorts als tatsächlicher Fund verstanden wird) und „Thule“ eigentlich die mythische Insel bezeichnet, von der seinerzeit angeblich das arische Volk abstammte.
Dreierlei Flugscheiben wurden gebaut und eingesetzt: Hanebu-Flugkörper, die etwas kleineren Vril-Flugkörper, und ein großes zigarrenförmiges Mutterschiff, das als „Andromeda-Gerät“ bezeichnet wird. Entsprechende Photos von schwarzen Schatten am Himmel werden von Ratthofer flugs als eindeutige Beweise von Testflügen und –einsätzen identifiziert. Noch schöner als seine Deduktionsmethode hinsichtlich der Photographien und Skizzen („Wir sehen drei eingezeichnete Geschütztürme, können also davon ausgehen, daß Gewicht und Umfang der Flugscheiben für die deutschen Techniker keinerlei Probleme darstellten“) ist seine Verwendung von Zeitungsberichten: Die angebliche erste UFO-Meldung der Welt aus der New York Times vom 14. Dezember 1944 fällt natürlich dicht mit der Fertigstellung der ersten deutschen Flugscheiben zusammen („es kann schwerlich ein Zufall sein“); willkürliche Berichte über angebliche UFO-Sichtungen rund um die Welt werden meist ohne Angabe auf die Quelle gezeigt und ausgewertet (natürlich stets als Beweis von relevanten Aktivitäten), und eine Nachricht der Schmierpostille National Examiner vom Januar 1988, in dem Reagan und Gorbachev gleichermaßen die Gefahr eines Angriffs aus dem All benennen, wird als sicheres Zeichen der Übermacht der Flugscheiben gewertet.
Auch Neuschwabenland wird erläutert: Daß eine Naziexpedition in die Antarktis 1938 oder ’39 stattfand und die Herren dort deutsche Fahnen aufstellten, wundert ja keinen. Aber was ist mit den 100 deutschen U-Booten, die in den entsprechenden Manifesten nicht als „versenkt“ gekennzeichnet wurden, sondern mit dem Vermerk „Verbleib ungeklärt“ versehen wurden? Befindet sich diese Unterseebootflotte eventuell in einem geheimen U-Boot-Bunker in Neuschwabenland? 1947 ließen die Amerikaner eine „nur oberflächlich als Forschungsexpedition getarnte“ Expedition in die Antarktis folgen, die sie aber nicht einmal einen Monat darauf abbrechen mußten – wurden die vielleicht von den dort stationierten Nazis (und U-Booten) vertrieben? „Sicherlich eine glaubwürdigere Erklärung als die Idee, daß die Amerikaner von Tausenden von Killerpinguinen in die Flucht geschlagen wurden“, witzelt der ansonsten ganz nüchterne Ratthofer herum. Entsprechend ließen die Amerikaner in den Fünfzigern dann auch gleich drei Atombombentests in der entsprechenden Gegend stattfinden, womit der Film uns auch gleich noch das Ozonloch dort erklärt.
Es tauchen noch viele heitere Ideen und haarsträubende Schlußfolgerungen im Film auf – zum Beispiel ein geheimnisvoll verschwundener Hollywood-Streifen namens EARTH VS. FLYING SAUCER – aber den Vogel schießt der letzte Block ab: Da startete nämlich im Januar 1945 die Hanebu 3 mit deutsch/japanischer Besetzung zum Mars, um von dort möglicherweise Hilfe für den schon fast verlorenen Krieg zu erhalten. Natürlich war es eine Selbstmordmission, weil der Thule-Antrieb die Strecke nur einmal zurücklegen konnte, und somit liegt die Hanebu 3 nun wohl unter meterhohem Marssand vergraben, und wir können angesichts der öden Leere des roten Planeten ja nur feststellen, daß wir da echtes Glück hatten.
Freilich rechnet auch Ratthofer damit, daß seine Thesen gegebenenfalls wackeln könnten oder angegriffen werden – weshalb er in gewissen Abständen betont, daß sich, wenn man sich nur einmal die Fakten ansieht, ein ganz klares Bild abzeichnet. Oder daß gegebenenfalls einzelne Punkte nicht stimmen mögen, aber das Gesamtbild unumstößlich ist. Wer dabei eifrig mit dem Kopf nickt, legt sich sicherlich hinterher auch noch das 1992 von Ratthofer und der Tempelhofgesellschaft veröffentlichte Buch DAS VRIL-PROJEKT zu, in dem Ratthofer erklärt, wie die Baupläne für die Flugscheiben durch telepathische Übertragungen von einer Zivilisation vom Aldebaran in die Köpfe einiger SS-Mitglieder gelangten, die dann die sogenannte „Jenseitsflugmaschine“ entwarfen.
Die Dokumentation ist nur inoffiziell als DVD erhätlich, aber wer dringend einmal wieder Urlaub von der Wirklichkeit braucht, lokalisiert per Google sehr flott den kompletten Film als Stream und findet dort alle weiteren Fragen geklärt. Außer einer vielleicht: Was zur Hölle …?
UFO – Das Dritte Reich schlägt zurück? (1989)
Regie: Norbert Jürgen Ratthofer
Drehbuch: Norbert Jürgen-Ratthofer (Manuskript), Bernd Angerer, Paul Gruber, Ralf Ettl, E. Pirker-Loibner
Produktion: THG
Länge: 79 Minuten
13.05.2013
Tja, schlecht recherchiert. Die Implusion gibt es seit Anfang des 19. Jahrhunderts (Browns Gas z.B.), die Überwindung der Gravitation ist ebenfalls seit dieser Zeit überwunden (Tesla mitunter) und die damit in Verbindung stehende Raumenergie ist durch Prof. Turtur mittlerweile nachgewiesen. Es gibt Menschen, die nach wie vor den Konzernen und den damit geschaffenen Meinungen nach wie vor aufsitzen. Blos nicht mit der Natur arbeiten . . . .