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Nickelback – Dark Horse

Viel Sex und wenig Aufregung auf Nickelbacks sechstem Studioalbum.

Wenn eine Nummer-Sicher-Rockband mit siebentausend Trillarden verkauften Alben im Rücken ihr sechstes Album veröffentlicht, kann man davon ausgehen, daß das Resultat eine entschieden unambitionierte Angelegenheit sein wird: Man gibt den Leuten halt einfach nochmal das, was sie eh schon ein bis fünfmal gekauft haben. Bei Nickelback wurde es nach drei Jahren nun auch einmal wieder Zeit für Nachschub; für DARK HORSE haben die kreuzbraven Post-Grunger als Produzenten Mutt Lange angeheuert, dessen Arena-Rock-Vita inklusive AC/DC, Def Leppard und (schluck) Foreigner nun auch nicht gerade frischen Wind im bandeigenen Klangkosmos erwarten läßt.

Natürlich schreitet DARK HORSE rein musikalisch das hinlänglich bekannte Terrain ab: Schweineriffs, immer auf’s Gaspedal, einfache Rhythmen zum Kopfnicken, sehr offensichtliche Refrains, und dazwischen Halbballaden fürs Radio. Freilich rockt die Scheibe – kein Mensch könnte aus solch altbewährten Elementen etwas zusammenbasteln, das nicht rockt – und rein funktional gesehen macht die Musik natürlich genau das, was sie soll: Stimmung. Man darf Frontmann Chad Kroeger durchaus handwerkliches Können attestieren – wenn denn die Bandbreite seines Schaffens nicht so arg eng gestrickt wäre.

Aber ach, Chad! Die Texte! Das wäre doch nicht nötig gewesen. Diverse Tracks lang wird Sex besungen, mitunter käuflicher, und freilich schafft es nur Chad Kroeger, selbst bei diesem Thema aggressiv und völlig freudlos zu klingen. „Far too pretty to be givin‘ it cheap / That’s why she’s makin‘ 6 figures workin‘ 3 days a week“, textet er hier, „You look so much cuter / With something in your mouth“, gröhlt er da, die Stimme immer voll auf Anschlag. „I want you naked with your favorite heels on / Slap John Deere across my ass / And ride me up and down the lawn“, fantasiert er im Dauersexgestampfe „Next Go Round“, und weiter hinten ist das Viagra immer noch nicht abgeklungen: „Yes, sex is always the answer / It’s never a question / ‚Cause the answer’s yes“. Aber vielleicht hat Chad keine Freunde, die auf Kid Rock stehen, sonst hätten die ihm schon längst einmal vorgespielt, wie man so über das Thema texten kann, daß man dabei auch aussieht, als würde es einem Spaß machen.

Wenn’s in den Songs nicht um Sex geht, dann geht’s auf ein paar Erhöre-mich-Balladen um die Liebe („There’s gotta be somebody for me out there“, aus der ersten Single „Gotta Be Somebody“) – vermutlich, damit man dann auch jemanden hat, mit dem man das vorige überhaupt machen kann. In einem Song („Just to Get High“) geht es um einen drogenabhängigen Freund, aber die Warnung verliert natürlich minimal an Glaubwürdigkeit, wenn der letzte Track auf dem Album eine Ode ans Kiffen und Saufen ist. Anderswo gibt es noch ein paar Platitüden, die Glückskeksherstellern vermutlich zu banal wären (Die Zeit vergeht! Jeder Tag ist ein Geschenk! Jede Sekunde zählt!). Alles simpel genug gestrickt, daß man sich nie wundern muß, worum es in den einzelnen Songs geht.

Natürlich wird sich das Album wie geschnitten Brot verkaufen. Und natürlich wird das siebte Album ganz genauso klingen. Ach Gottchen, diese Aufregung.

Dieser Text erschien zuerst am 16.12.2008 bei meinSalzburg/Salzburger Nachrichten.

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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