Quer durchs Netz findet man heute morgen die Nachricht, daß Soul-Legende Isaac Hayes gestorben ist. Am 20. August wäre er 66 geworden; man hat ihn tot bei sich zu Hause aufgefunden, neben seinem Laufband liegend. Die Todesursache ist noch ungeklärt, aber es wird nicht vermutet, daß „foul play“ im Spiel war.
In letzter Zeit kamen schon manchmal Nachrichten, nach denen Hayes‘ Gesundheit angeschlagen war. Im Musikexpress stand vor einiger Zeit ein kurzes Review eines Konzerts von ihm, wo er offenbar nach einem Schlaganfall (den seit Management dementierte) die Worte vergaß und in seinen Bewegungen eingeschränkt war. Unlängst saß er in einer Talkshow und hat offenbar ziemlich gestammelt und einige Fragen gar nicht verstanden – wieder wurde darauf getippt, daß durch einen Schlaganfall sein Sprachzentrum beeinträchtigt sei. Bei jeder solchen Nachricht kommen einem die Tränen.
Und jetzt ist er gestorben. Es kommt einem ganz plötzlich vor, auch wenn er vielleicht schon gesundheitlich angeschlagen war. 65 ist ja auch kein Alter! Aber bei Isaac Hayes ist es wie mit Freddie Mercury: Seine Musik ist so vital, kraftvoll und energiegeladen, daß man irgendwie das Gefühl hat, sie wären unsterblich. Zumindest in ihrer Musik sind sie das ja auch.
Isaac Hayes war eine absolute Legende, einer der einflußreichsten Soul-Musiker überhaupt. Er hat in den 60’ern zig Hits für Stax geschrieben und arrangiert, darunter „Hold On I’m Coming“ von Sam & Dave. Dann hat er mit seinen übergroßen Arrangements, seiner wie selbstverständlichen Kombination aus Soul & Funk die Musik nachhaltig verändert. Seine tiefe Stimme hätte nicht mehr Soul haben können. 1971 gewann er dann für seinen Soundtrack zu SHAFT einen Oscar – ein episches Doppelalbum, das sich als wesentlich nachhaltiger als der Film gezeigt hat, obwohl der Streifen zwei Fortsetzungen und 2000 ein Remake fand (für den Hayes seinen Tophit „Theme from Shaft“ auch wieder auflegen durfte). Und als wäre das alles nicht genug, hatte er eine erfolgreiche Karriere als Schauspieler – die meisten dürften sich als erstes an seinen Duke von New York in John Carpenters DIE KLAPPERSCHLANGE erinnern.
Ich habe Hayes entdeckt, weil ich mit 14 Jahren den zweiten SHAFT-Film gesehen habe, LIEBESGRÜSSE AUS PISTOLEN. Und ich wollte unbedingt den starken, funkigen Soundtrack haben, den ein gewisser O.C. Smith komponierte. Natürlich gab’s den beim WOM nicht, aber dafür Hayes‘ Soundtrack zum originalen SHAFT. War mir auch recht.
Den Soundtrack habe ich dann so oft gehört, daß jede Note darauf sich für mich vertraut anfühlt. Ich lege die CD auf und bin zuhause. SHAFT ist ein Epos, das gerne auf die funkigen Wah-Wah-Gitarren des Titeltracks reduziert wird (zweifellos ein fantastischer Track), dabei steckt so viel mehr drin: Hayes vermischt Jazz, Soul, Funk und Rock, jeder Track hat Klasse und Eleganz und dabei doch das bißchen Dreck, ohne den Soul wie eine Haushaltsrollenwerbung klingt. Diese Erdigkeit kann man gar nicht richtig beschreiben, aber bei Hayes kann man jeden Track spüren. Hinten auf dem Soundtrack ist dann das 19-Minuten-Monster „Do Your Thing“, das als straighter Funk anfängt und dann mit psychedelischen Gitarren und Hammond Orgel und diversen Effekten immer mehr aus dem Ruder läuft – ein gewagter Trip, der als spannender Höhepunkt des Albums zeigt, wie experimentierfreudig und „out there“ Hayes sein konnte. Und es auch mit den „normalen“ Tracks oft war.
Natürlich mußte mehr Hayes her, und so habe ich mir diverse andere Alben seiner Diskographie zugelegt. Nicht alles, was er gemacht hat, ist ein Muß: Die Alben der Achtziger sind, wie bei den meisten 70’s-Ikonen, eher Fansache. Aber die frühen Alben sind fantastisch: Nicht selten dauert bei ihm ein Track 15 Minuten oder länger, und er arbeitet so lange mit dem Groove und seinen vielschichtigen Arrangements, daß ein hypnotischer Effekt eintritt. Die Musik ist so massiv und entfaltet sich so ungezwungen, daß die Lauflänge gebraucht wird. „Joy“, „The Look of Love“, „Hyperbolicsyllabicsesquedalymistic“: allesamt perfekte Epen. Auf „By the Time I Get to Phoenix“ redet er die ersten 8 oder 9 Minuten einfach nur, aber wenn sich der Track dann öffnet, ist er seine 18 Minuten voll und ganz wert. Vor meinem ersten Date habe ich mir zur Beruhigung Isaac Hayes angehört.
So ausufernd, wie er seine Songs arrangierte, inszenierte sich Hayes auch selbst: Das Cover seines zweiten Albums ziert sein kahlrasierter Kopf, der zu seinem Markenzeichen wurde. Dazu trug er einen dunkelschwarzen Vollbart, mitunter eine Sonnenbrille, behang sich mit riesigen Goldketten und trug exzentrische Klamotten, packte die Worte „Black Moses“ über sein Bild. Wie in seiner Musik war er larger-than-life.
In den Nachrufen wird fleißigst erwähnt werden, daß Hayes Scientologe war, und daß er jahrelang bei SOUTH PARK den „Chef“ synchronisierte und sich dann mit den Machern zerstritt. Das könnte beides nicht irrelevanter sein. Es ist wie bei James Brown, über den auch lieber geschrieben wurde, daß er verhaftet wurde, als darüber, was er uns und der Musikwelt gegeben hat. Und das ist das, was uns bleiben wird.
Noch vor einer Woche habe ich auf dem Wasserburger Nachtflohmarkt Hayes‘ TOUGH GUYS-Soundtrack für sparsame 3 Euro ergattern können. Meine Schwester hat mich gefragt, ob er überhaupt noch lebt. Natürlich tut er das: Ich höre ihn gerade, und er klingt so lebendig und kraftvoll wie eh und je.
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wow!
habe isaac hayes zwar erst spät für mich entdeckt, aber wirklich schade, schade, schade…