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Die Frösche (1972)

Wir erinnern uns: Als Peter L., der junge Trashfilmschüler der zwölften Kammer, das letzte Mal obskures Material in Genzel Manor vorgeführt hat, durften wir DIE RACHE DER BONZEKÄMPFER bestaunen, der auch Wochen später noch für hysterisches Kichern sorgt bei jedem Versuch, die Handlung auch nur annähernd zu begreifen oder gar wiederzugeben („Warum haben die gefürchteten Reiter keine Pferde?“). Beim gestrigen Besuch in meinem Schundlabor brachte Peter nun einen Tierhorrorfilm namens DIE FRÖSCHE mit, auf dessen Cover ein gigantischer Frosch mit abgebissener Menschenhand im Maul prangt, was ich natürlich kein bisschen verwunderlich finde, da ich nicht Biologie studiert habe und mich also dementsprechend auch gar nicht frage, wie Frösche denn überhaupt irgendwelche menschlichen Körperteile abknabbern können. (Eine kurze Google-Suche verrät mir, dass die meisten Froscharten Zähne im Oberkiefer haben. Probiert mal, ohne Unterkiefer euer Schnitzel zu kauen.)

Wo waren wir? Ach ja! Der Film beginnt mit dem Fotoreporter Smith, von dem in der deutschsprachigen Fassung jeder glaubt, dass man ihn „Smiß“ nennen müsste. Smith wird gespielt vom jungen Sam Elliott und fotografiert in irgendwelchen Sümpfen die Vegetation und herumliegenden Müll. Vermutlich sollen die im Wasser schwimmenden Abfälle schwerste Umweltverschmutzung suggerieren, aber leider sieht es nur so aus, als hätte jemand nach dem Dschungelpicknick seine McDonald’s-Tüten liegenlassen.

Smith und sein Kanu werden flott nach dem Vorspann von zwei motorbootfahrenden Leuten niedergemäht, von denen der eine (finstermienig, recht betrunken) am Steuer kurbelt und die andere (blond, zuviel Kleidung) Smith zur Wiedergutmachung zu ihrer Familienfeier auf ihrem Sumpfanwesen einlädt. Dort hat sich die gesamte Blase auch schon versammelt, um den Geburtstag ihres Großpapas zu feiern. Richtige Feststimmung will aber gar nicht aufkommen, weil so viele Frösche um das Anwesen herum versammelt sind und das Quakkonzert den Anwesenden die Nachtruhe raubt. Abgesehen natürlich mal davon, dass nacheinander die Familienmitglieder dem im Sumpf hausenden Viehzeugs zum Opfer fallen. Ganz ominös klebt schon am ersten Abend ein dicker Frosch an der Scheibe der Villa, was natürlich sehr gruselig aussieht. Ich verstehe nicht, warum Peter da gelacht hat.

Überhaupt arbeitet der Film sehr geschickt mit seinen Tieraufnahmen: Nehmen wir mal an, der Film hieße „Die Schnecken“ oder „Die Kampfhühner“ oder „Angriff der Schmetterlinge“, dann fänden wir die ganzen Einstellungen von finster am Boden herumkrauchenden Fröschen gar nicht unheimlich. Wenn ein Film aber nun schon einmal „Die Frösche“ heißt, dann ahnt man doch gar Schreckliches, wenn sich die grünen Hüpfer über die Wiesen bewegen. Schnell schält sich heraus, dass es offenbar zwei Oberfrösche gibt, die immer nebeneinander sitzen und total böse schauen (so böse Frösche eben schauen können ohne teures schauspielerisches Coaching), und viele kleinere Frösche, die von den Obernazifröschen offenbar telepathisch herumkommandiert werden. Übrigens handelt es sich bei den meisten Tieren nicht um Frösche, sondern um Kröten, und das Internetz verrät mir, dass Kröten überhaupt keine Zähne haben. Wem die vier bis fünf springenden Finsterfrösche also zu unheimlich werden, den können wir schnell beruhigen: Alles nur Film!

Es stellt sich flott heraus, dass die Frösche zwar offenbar die Drahtzieher der Racheaktion an den in ihrem Sumpf hausenden Menschen sind, aber anderes Kroppzeugs die Schmutzarbeit machen lassen. Ein Mann mit Jeep, der Michael heißt (wenn Figuren namens Michael Auto fahren, erwarte ich immer, dass sie auch mit ihrer Armbanduhr reden und gelegentlich „Hilf mir, Kumpel“ sagen), wird von sinistren Spinnen angegriffen, woraufhin er stolpert und sich selbst ins Bein schießt. Ein anderes Familienmitglied wird von Eidechsen in einem Gewächshaus eingeschlossen (unsere Nachforschungen haben bislang noch nicht erklären können, wie die Eidechsen die Tür zum Gewächshaus haben schließen können – aber wir haben es mit eigenen Augen gesehen!). Dort schmeißt die Obereidechse dann große Flaschen mit Chemikalien zu Boden (die Flaschen sind hilfreich mit „Poison“ beschriftet). Die Chemikalien vermischen sich, giftige Dämpfe steigen auf, der nette Mann erstickt, aber die Eidechsen kratzt das bisschen Qualm eigentlich gar nicht.

Während da nun also Schlangen, Krokodile, Vögel und anderes Gesocks die Cast verspachteln, haben wir ein wenig Zeit, über die Figurenkonstellationen zu reden. Da der Film altmodisch ist, hat die nette weiße Familie in ihrem großen Anwesen auch noch richtige schwarze Hausdiener. Ein Mann erklärt seiner Frau ihren Part in seinem Plan, die Millionen des Großvaters zu erben: „Du hältst die Klappe“. Die attraktiveren weiblichen Mitglieder des, räusper, Ensembles weigern sich leider beharrlich, Kleidung zu verlieren. Dafür wird eine von ihnen auch von einer völlig bösartigen Schildkröte angefallen, die ja bekanntlich eines der widerlichsten und gefährlichsten Raubtiere ist.

Schade eigentlich, dass der Regisseur auf ein ganz offensichtliches Stilmittel weitestgehend verzichtet hat: Die Froschperspektive. Danke für den Hinweis, Peter. Und danke für den Film, der eigentlich nur noch unterhaltsamer hätte sein können, wenn die eingeblendeten Froschgeneräle Untertitel bekommen hätten: „Kompanie nach links! Kreis bilden! Aufreihen zum Anknabbern von arbeitslosen Schauspielern!“
 

Die Frösche (USA 1972)
Originaltitel: Frogs
Regie: George McCowan
Drehbuch: Robert Hutchison, Robert Blees
Kamera: Mario Tosi
Musik: Les Baxter
Darsteller: Ray Milland, Sam Elliott, Joan Van Ark
Länge: 86 Minuten
FSK: 16
 
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4 8 15 16 23 42

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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