Die Zukunft, liebe Freunde, wird düster. Sie wird brutal. Und sie wird vor allem eins: sehr billig. Wie man ja an Abertrilliarden von Videothekenfüllern sehen kann, wo für sehr studentisches Budget gern große Zukunftswelten ersponnen werden, die nicht selten Ähnlichkeiten mit bekannten Filmen aufweisen, die ebenso häufig auch um ein Hauseck oder zwei besser waren. Im konkreten Fall sehen wir die preiswerte Zukunft von CYBERTRACKER, in dem der mehrfache Kickbox-Weltmeister Don „The Dragon“ Wilson gegen einen Mann mit schwarzem Gürtel in Karate und eine Handvoll glatzköpfiger, höchstwahrscheinlich aus dem Bodybuilding-Studio gecasteter Androiden antreten muß, weil er selbst und die Menschenrechte bedroht werden. Solche Tage hat man ja selbst auch immer wieder.
Nun ist es ja gemeinhin so, daß Kickbox-Weltmeister und sonstige Kampfsport-Experten schauspielerisch umgekehrt proportional zu ihren körperlichen Fähigkeiten agieren. Das liegt vermutlich am mangelnden Bedarf: Wer seinen Mitschülern Eisenstangen um den Hals knoten kann, braucht fürhin selten eine große mimische Bandbreite, um ihnen Wurstsemmeln abzuschwatzen. Im Falle von Wilson und dem CYBERTRACKER trifft es sich natürlich sehr gut, daß der Film von PM Entertainment produziert wurde, die seit der Mitte der Achtziger hochfrequent die Videotheken mit einer Unmenge an Filmen bestückten, in denen streng statistisch gesehen alle 3,21 Minuten kleinere und größere Fahrzeuge in die Luft fliegen. Konsequenterweise zieht The Dragon denn auch bei dem ganzen Lärm beständig ein Gesicht, als wäre ihm gerade ein Bescheid ins Haus geflattert, daß er sechsstellige Beträge an Steuernachzahlungen leisten muß.
Worum geht’s? Also: Die Zukunft ist düster und … ach nein, das hatten wir schon. In besagter Zukunft sind Legislative und Exekutive computerisiert, und sogenannte CoreTrackers werden eingesetzt, um die vom Rechner ausgeknobelten Urteilssprüche auszuführen. So ein CoreTracker sieht übrigens aus wie ein muskulöser Glatzkopf, der mit starrer Miene durch die Gegend stapft, gesetzesuntreue Rabauken durchlöchert und mit mechanisch verzerrter Stimme exakt ein Sprüchlein aufsagen kann. Ich glaube, ich habe so einen Killer-Androiden schon einmal in einem anderen Film gesehen, aber mir fällt gerade nicht ein, welcher das war.
Don „The Dragon“ Wilson arbeitet nun als Sicherheitsmann für einen Senator, der die computergesteuerte Legislative befürwortet. Schon zu Beginn des Films findet ein Attentat statt, aber Wilson stellt die maschinengewehrschwingenden Unholde kalt und läßt sich vom Senator feiern. Der will dann Wilsons Loyalität testen, ermordet vor seinen Augen eine Rebellen-Anführerin und wundert sich dann, warum Wilson nicht einverstanden ist. Also hockt er sich mit dem Geschäftsführer der Firma zusammen, die die Androiden herstellt, und mit der Polizeichefin, die dann höchstselbst Daten zum guten Wilson in ihren Rechner eingibt und einen Glatzocop, äh, CoreTracker auf ihn ansetzt.
Also gut, da schnaufen wir mal ganz kurz durch – Wilson ist jetzt eh erstmal mit Weglaufen beschäftigt. Was sagt es über die Qualität einer Sicherheitsmannschaft aus, wenn zu einer kleinen Pressekonferenz ein ganzer Haufen bewaffneter Rebellen in einem Lieferwagen auftauchen, die dann aus allen Richtungen auf den Senator schießen können? Wie clever stufen wir als wache Beobachter des Senators Plan ein, Wilsons Loyalität mit einem Mord zu testen, dem auch noch diverse andere Sicherheitsmänner beiwohnen? Wäre es nicht vielleicht noch viel intelligenter, den Mord geheim durchzuführen, anstatt einen potentiell unfreundlich gesonnenen Zeugen zu schaffen? Und wenn die Legislative inklusive der Urteilssprüche computergesteuert ist, warum muß dann die Polizeichefin einer Großstadt persönlich einen Liquidierungsbefehl wegen Mordes in ihren Computer tippen?
Na gut, letzteres ließe sich gegebenenfalls damit erklären, daß in der Zukunft die Mittel für die Polizei drastisch gestrichen sind: Die hat halt keine Mitarbeiter mehr. Der Termin— äh, der CoreTracker selber scheint ja auch eher unter budgetären Einschränkungn entstanden zu sein. Während der Heimcomputer von Don „The Dragon“ Wilson (wenn ich das noch ein paar Mal tippen muß, dann lege ich mir aus lauter Trotz auch einen lustigen Nickname zu: Christian „The Evil Filmkritiker“ Genzel) mit angenehmer menschlicher Stimme spricht, muß der CoreTracker mit einer Art tiefergestimmtem Cher-Vocoder auskommen. Die Zieleinrichtung ist suboptimal programmiert (der Schrottbot erschießt versehentlich zwei Polizisten, obwohl er auf Wilson zielt), und mit der künstlichen Intelligenz ist es auch nicht so extrem weit her: Als sich Donny Drache hinter einem Hotdog-Stand versteckt, zerballert der CoreTracker erstmal alle Gegenstände, die darauf herumliegen.
Derweil treffen sich die finsteren Gesellen in ihrer Firma, darunter der Senator, und der Firmenchef ist so begeistert von seiner Arbeit, daß er eine große Rede über Macht hält, während er beiläufig seine Assistentin erwürgt. Bevor wir ihm noch eine Therapiesitzung empfehlen und die Krieg-der-Sterne-Videos wegnehmen wollen, entpuppt sich die Assistentin als Android. Sinn der Demonstration bleibt unklar, ebenso wie die Frage, warum ein Android daraufhin programmiert wird, daß er sich erwürgen lassen kann. Der Firmenchef sieht übrigens aus wie ein ganz billiger Lance Henriksen, was natürlich überhaupt keinen Sinn macht, weil Henriksen selbst ja schon für ein warmes Gulasch an jedes Set kommt.
Don „The Wilson“ Dragon schließt sich dann irgendwann ein paar übriggebliebenen Rebellen an, die dann von einem weiteren CoreTracker empfindlich dezimiert werden. Besagte Rebellen zeichnen sich übrigens durch große Hartnäckigkeit aus, da sie selbst dann, als sie merken, daß Kugeln dem Androiden gar nichts anhaben können, beharrlich weiterhin auf ihn schießen, und zwar den kompletten Film lang. Dragon „The Don“ Wilson fängt beinahe was mit der Anfühererin der Rebellen an, aber dann ruft die Arbeit, und sie finden die Pläne für Operation Echo, in die wir als Zuseher nie Einblick erhalten, aber von denen uns versichert wird, daß sie sehr böse seien. Dragon „The Dragon“ Dragon macht dann noch drei Sicherheitsmänner und ein paar weitere CoreTrackers fertig (von denen natürlich immer nur einer gleichzeitig aktiv ist, weil ja sonst ein zweiter Schauspieler gerufen hätte werden müssen), und dann ist irgendwann alles gut. Ach, jetzt hab‘ ich vergessen, „Spoiler“ hinzuschreiben.
Weil sich dauernd was bewegt und gekämpft, explodiert und geschossen wird, ist die Chose denn auch leidlich unterhaltsam, wie es so PM-Videostubenfutter halt meistens ist. Damit wir wissen, daß es sich um die Zukunft handelt, sind alle Bilder in Neonblau und tiefes Rot getaucht, aber auch im Jahr 2014 gibt es noch billig dahingenudelte Synthi-Soundtracks. Der Drache kämpft ordentlich, und es gibt wohl schlechtere Wege, 87 Minuten seiner Lebenszeit zu füllen. Obwohl mir da auf Anhieb erstmal keine einfallen.
Ah ja, ich glaube, jetzt weiß ich, woher ich die Idee mit diesem Killerroboter kenne: hierher.
CyberTracker (USA 1994)
Regie: Richard Pepin
Drehbuch: Jacobsen Hart
Kamera: Ken Blakey
Musik: Lisa Popeil, Bill Monti
Produktion: PM Entertainment
Darsteller: Don „The Dragon“ Wilson, Richard Norton, Stacie Foster, Steve Burton, Abby Dalton, Jim Maniaci, John Aprea, Joseph Ruskin
Länge: 87 Minuten
FSK: 18
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