Lange haben wir hier nicht mehr von kleinen Highlights berichtet, die Salzburgs philosophischste Boygroup jede Woche so erlebt. Da muß natürlich Abhilfe geschaffen werden! Es darf kein Äußerstes geben, zu dem wir nicht entschlossen wären!
So traf sich der philosophische Stammtisch, der seit einiger Zeit eher vereinzelt und desorganisiert in der Mozartstadt gesichtet wird (zum Zwecke der besseren Abstimmung unserer Termine wurde schon überlegt, mit der Zeit zu gehen und künftige Treffen per eMail-Verteiler abzuklären), gestern abend in der Linzer Gasse ein, um das neue Meisterwerk von Wes Anderson zu bestaunen, der ja weitläufig als einer von Genzels absoluten Lieblingsregisseuren gehandelt wird (angeblich ist er auch einer von Scorseses absoluten Lieblingsregisseuren, aber Scorsese hat noch nie an einem Treffen des philosophischen Stammtisches teilgenommen und ist somit disqualifiziert): THE DARJEELING LIMITED. Schon auf der Fahrt zum Das Kino sorgt der seit einigen Wochen in Genzel Manor liegende Soundtrack für die richtige Stimmung: „Where Did You Go To (My Lovely)“ von Peter Sarstedt, das in den späten Sechzigern vermutlich allein deshalb geschrieben und aufgenommen wurde, damit Wes Anderson es einmal in einem seiner Filme würde verwenden können. Nicht nur bei den Ü50-Mitgliedern des Stammtischs ruft der Song spontane „ui“-Reaktionen hervor. Und außerdem natürlich: „Les Champs-Elysées“ von Joe Dassin. „Wir werden Spaß haben im Kino“, prophezeit Schwarz nach Konsultierung der privaten Kristallkugel.
Vor dem Kinobesuch stand ein Kurzbesuch im Café Central an, das mir persönlich völlig unbekannt war, von Schwarz allerdings vor 14 Tagen entdeckt wurde und mit gelassener Ruhe angepriesen wurde, als stünde es schon seit Anbeginn der Zeit für uns offen. Zu jazzigen Klängen haben wir da also stilgerecht Darjeeling-Tee konsumiert, Schwarz hat Genzel das Gebäck weggegessen, und Obi-Wahn – seit kurzem unter dem hochoffiziellen Titel „Dr. Oppolzer“ an jeder Supermarktkasse ganz vorn – hat endlich SHOPPEN gesehen und äußert Zustimmung. Unser Philosopher-in-Residence Otto trudelte mitsamt Frau Otto verspätet ein, bestellt zwei Bier und hört sich Schwarzens neue liebste Urs-Baumann-Geschichte an, die stets mit den Worten endet: „Ein zutiefst unsicherer Mensch“.
Und dann also DARJEELING LIMITED. Was für ein wunderbarer, schrulliger, eigensinniger, mit sicherer Hand und ganz eigenem Stil gezeichneter Film. Zu Beginn verpaßt Bill Murray in einem rein als Laune eingesponnenen Gastauftritt den Zug, und dann reisen wir mit den drei Brüdern Adrien Brody, Owen Wilson und Jason Schwartzman durch Indien und amüsieren uns prächtig über all ihre kleinen und großen Verrücktheiten. „Can we agree to that?“, checkt Kontrollfreak Wilson jede seiner Planungen mit den anderen beiden ab, obwohl die überhaupt keine Chance hätten, zu widersprechen. Sein Assistent reist mit Laptop, Drucker und Laminiergerät mit, um jeden Tag einen auf den neuesten Stand gebrachten Reise- und Erlebnisplan zu präsentieren, auf dem nur ein Punkt als „to be determined“ verzeichnet ist: Das Treffen mit der Mutter der drei, die sich nach der Beerdigung des Vaters in ein Kloster im Himalaya zurückgezogen hat und ihren Söhnen vorschlägt, sie sollten doch lieber im Frühling vorbeikommen, weil jetzt gerade ein Tiger die Klosterbewohner bedroht.
Anderson hat seinen ganz persönlichen Stil mittlerweile wunderbar verfeinert: Alles ist gleichzeitig stilisiert wie auch auf merkwürdige Weise ganz unvermittelt und echt. In einem bonbonfarbenen Zug sitzen die drei Brüder und pflegen ihre Neurosen, aber in Andersons Welt ist es ganz normal, merkwürdig zu sein. Und ohne große Gesten wird der Trip dann ganz unsentimental doch zum Heilungsprozeß. Ich könnte ganze Kapitel darüber schreiben, was Andersons Filme auszeichnet und warum sie mir so viel bedeuten – aber hier sei einfach nur festgehalten, daß ich mir einen Film wie DARJEELING LIMITED ansehe und genau weiß, warum ich selber Filme machen will.
Herr und Frau Otto haben sich nach dem Film schnell und unzeremoniell (aber mit den Worten „gut gemacht“) verabschiedet, und wir übrigen drei stammtisch members haben allesamt die Absicht geäußert, uns den Film noch einmal anzusehen. (Da der weise Obi-Wahn Freikarten für den Film gewonnen hat, würde er ihn sich vielleicht auch ohne diesen Vorsatz noch einmal ansehen, aber dieses kleinliche Detail soll uns nicht von der Tatsache abbringen, daß wir sehr begeistert waren.)
Heute mal kein weises Schlußwort. Can we agree to that?
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„where do you got to my lovely“ kriegt ja durch den film erst so richtig seinen Platz. Sagst du eh ganz richtig. Allein für sich ist es ein kitschiges Überbleibsel aus einer Zeit, die es so eh wohl nie gegeben hat. Aber in dem Film passts.
Ich fand ja das Mädchen, dass er in dem Song beschreibt immer recht lässig. So eine Frau wird dir nie in Liedern präsentiert. Würde ich so eine Frau persönlich treffen, würde sie mir wohl nicht gefallen, aber das Lied macht die sehr interessant. Und Natalie Portman spielt im Vorfilm „Hotel Chevalier“ ein Mädl, das in dem Song gemeint sein könte. Kompliziert, anspruchs- und geheimnisvoll, spannend.