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Graf Porno bläst zum Zapfenstreich (1970)

Liebe Zielgruppe!

Es muß gefeiert werden. Es ist dies das einhunderste Review, das ich für diese Website schreibe, und weil der Gedanke an Gehaltserhöhungen und sonstige Gratifikationen in der Chefredaktion nur demonstratives Herumtippen auf einem Taschenrechner unter reflexartig auftretendem Schaum vor dem Mund hervorruft, muß das Ereignis eben auf andere Art und Weise zelebriert werden. Was liegt näher, als einen Film herauszusuchen, dessen Titel alleine kopfschüttelnde Heiterkeit in Verbindung mit diesem ganz besonderen „Uff“-Gesicht hervorruft, das uninformierte Menschen gerne kurz vor der Äußerung des Wortes „Zeitverschwendung“ aufsetzen? Na schön: Es lägen wohl einige Sachen näher, als sich GRAF PORNO BLÄST ZUM ZAPFENSTREICH anzusehen. Aber mit Schampus feiern kann ja jeder.

Der ehemalige bayrische Spediteur und Kinobesitzer Alois Brummer fing Ende der 60er – wie so viele andere – an, auf der Aufklärungswelle heitere Filme zu produzieren, in denen hartnäckig unbekleidete Menschen auf ihren Fortpflanzungstrieb reduziert wurden, und weil es mitunter schwer fiel, den konservativen Geist der vorigen Generation abzustreifen, wurden die neuen Lebensformen auf den Matratzen entweder in das Gewand der Dokumentation („Report“) gekleidet (ich bitte an dieser Stelle kurz innezuhalten und die ironische Komplexität der gewählten Metapher zu genießen) oder aber in infantilem Klamauk als spielfilmlanger Herrenwitz verstanden: Völlig unverklemmt geschah weder die erste noch die zweite Variante. Brummer, der anfangs nur produzierte, dann später auch selber inszenierte und dann sogar seine eigenen Drehbücher schrieb – Seminararbeiten, in denen Brummers künstlerische Autarkie beleuchtet wird, bitte an die Redaktion schicken – verdiente sich mit jedem der billigst abgedrehten Streifen eine goldene Nase, und das nicht nur, weil er die Nackedeiparaden selber vertrieb.

GRAF PORNO BLÄST ZUM ZAPFENSTREICH ist nun also Brummers erste Regiearbeit, und wie in den zwei vorangegangenen Graf-Porno-Geschichten blödelt sich auch hier ein beinahe komplett unerträglicher Rinaldo Talamonti an Legionen von naturbelassenen Frauenkörpern vorbei. Schon zu Beginn des Films wird Talamonti von seinen fünf Mitbewohnerinnen unsanft auf die Straße gesetzt, weil er irgendein fremdes Mädchen mit nach Hause gebracht hat und sie nackt im Wohnzimmer hat tanzen lassen. Wobei: Daß das Mädchen nackt war, kann die WG-Genossinnen nicht gestört haben, weil sie das nämlich größtenteils selber auch sind. Rinaldo heuert also als Koch in diesem einen Münchner Lokal an, wo alle Frauen komplett unbekleidet servieren und auf einer im Raum aufgestellten Bühne ebenso augapfelfreundlich musizieren. Das Panoptikum an blanken Geschlechtsteilen nimmt Rinaldo freilich derart mit, daß er darüber seine Aufgaben als Koch vernachlässigt.

Pausieren wir kurz die mitreißende Handlung, um über ein merkwürdiges Phänomen nachzudenken. Seine Zuneigung äußert Rinaldo hauptsächlich damit, daß er den Frauen die nackten Brüste kurz mit einer Handbewegung quetscht, als würde er einen Tacker bedienen oder vielleicht eine Fahrradhupe. Konsequenterweise ertönt dann auch zumeist tatsächlich eine Fahrradhupe, was im Film niemandem aufzufallen scheint, mich aber um so mehr ins Grübeln bringt. Nun habe ich ja schon durchaus an verschiedenen Brustexemplaren Studien durchgeführt, aber dabei ist noch nie eine Fahrradhupe ertönt. Da stehen wir nun vor einem wissenschaftlichen Problem: Der induktive Schluß, daß ich bislang keine Hupe gehört habe und deshalb nun behaupte, daß Brüste überhaupt keine Hupgeräusche von sich geben, ist natürlich unzulässig. Möglicherweise sind bestimmte Bedingungen notwendig, um Brüste hupen zu lassen, und die hinreichenden Faktoren müssen unter strengen Laborbedingungen ermittelt werden.

Aber lassen wir das. Rinaldo, mittlerweile entlassen, hat sich nun mit einem geschleckt aussehenden Mann zusammengetan, der sich als Graf ausgibt und von Kofferkönig Michael Cromer gespielt wird. Der Graf kriegt öfter mal Besuch von einem Gerichtsvollzieher, weil er seine Schulden nicht bezahlen kann, und betreibt nebenher einen Gebrauchtwagenverkauf, bei dem pausenlos junge willige Frauen vorbeikommen, um sich anstelle eines Automobils lieber den gräflichen Kolben anzusehen (man beachte, wie sich das Niveau des Textes behutsam dem des begutachteten Films annähert). Und weil wir oben von Metaphern gesprochen haben, sei folgender Dialog zitiert, der schön verdeutlicht, daß man durchaus so lange in Bildern sprechen kann, bis niemand mehr weiß, worum es eigentlich geht:

GRAF (nackt)
Du willst doch den Wagen, oder?

KUNDIN (ebenso nackt)
Oh, du bist eine echte Verkaufskanone. Aber mit dem Unterschreiben warten wir noch. Weißt du, ich muß erst mit meinem Verlobten sprechen.

GRAF
Immer Gratis-Probefahrten! Die schaffen einen doch auf die Dauer.

KUNDIN
Oh, ich bin also nicht die einzige hier!

GRAF
Wieso?

KUNDIN
Dein Kundendienst ist nicht zu verachten, wenn auch deine Autos nicht taugen. Außerdem bin ich mit einer Probefahrt überhaupt nicht zufriedenzustellen. Wann sehen wir uns wieder?

GRAF
Die nächsten zwei Jahre bitte nicht. So lange laufen sowieso die Raten von deinem alten Wagen.

Nicht erst ab hier wird die fortlaufende Handlung ein wenig undurchsichtig, weil ohne Unterlaß neue nackte Frauen auftauchen und man sich beständig fragt, ob man die vielleicht vorher in der Handlung schon mal gesehen hat. Da redet also Talamonti mit irgendwem, dann kommt ein Schnitt, und dann rennt er auf einmal mit einer Frau durch den Wald und vergnügt sich im Gras. Natürlich kann man das durchaus als realistische Komponente betrachten: Im Leben so eines Aufreißers kommen und gehen die Frauen ja tatsächlich so durch die Drehtür, und wie die dann heißen oder wie die in den Wald gekommen sind, geht in dem Streß ohnehin unter. Zugegebenermaßen ertönt im Leben dieses realen Aufreißers wahrscheinlich nicht bajuwarisch-heimatliche Marschmusik in Dauerrotation, und wenn sie es tut, dann ist sie vermutlich abwechslungsreicher als in diesem Film.

So geht das Spektakel denn nun voran, irgendwann landen Graf und Rinaldo auf einem Bauernhof, wo Rinaldo eine Magd beglückt und dann nackt auf einem Schwein reitet (und weil ich nun nicht erklären werde, wie es dazu kommt, ist jeder Leser dazu verdammt, sich den Film selber ansehen zu müssen). Und später läuft Rinaldo dann übers Oktoberfest und hat mit einer tatsächlich sehr ansehnlichen Dame Spaß, die dann aber in die Straßenbahn steigt und sich mit den Worten „bis zum nächsten Jahr“ verabschiedet. Rinaldo, der in Dutzenden von einschlägigen Jodelfilmen spielte, hampelt dabei hartnäckig zu jeder Gelegenheit und stammelt unzusammenhängende, schlecht synchronisierte Satzbrocken. Mal ehrlich: Neben Talamonti wirkt selbst Alvaro Vitali sehr lustig.

So. Ende Gelände. Vergleichweise waren AUF DER ALM DA GIBT’S KOA SÜND und GEH, ZIEH DEIN DIRNDL AUS übrigens viel unterhaltsamer, weil alberner. Aber dafür sind hier die Darstellerinnen, so es denn überhaupt möglich erscheint, noch penetranter nackt als anderswo. Daraus schlußfolgern wir jetzt, daß man keinen deutschen Nackedeifilm gesehen hat, solange man nicht alle gesehen hat. Wir (und wenn ich „wir“ sage, meine ich selbstverständlich mich) freuen uns auf weitere Ausgrabungen aus dem Archiv. Auf die nächsten 100 Reviews!

Und warum heißt der Schmonses nun GRAF PORNO BLÄST ZUM ZAPFENSTREICH? Ganz einfach: Weil Talamonti zwischendurch immer wieder eine Blasmusikkapelle leitet, die nur aus nackten Frauen besteht. Das hättet ihr euch aber nun wirklich auch selber denken können.

Graf Porno bläst zum Zapfenstreich (Deutschland 1970)
Regie: Alois Brummer
Darsteller: Rinaldo Talamonti, Michael Cromer, Doris Arden, Annemarie Wendl, Johannes Buzalski, Karin Götz
Länge: 81 Minuten
FSK: 16

Dieses Review erschien zuerst bei mannbeisstfilm.de. Das „100. Review“ bezieht sich also auf diese Seite.

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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