Vom Nachtleben in der kranken Stadt: Bekannte Emo-Pop-Klänge.
Irgendwo auf dieser Welt, schätzungsweise auf dem nordamerikanischen Kontinent, befindet sich ein Labor, in dem junge Burschen herangezüchtet werden, die dann in Fünferpacks zu Emo-Pop-/Teen-Punk-Bands gebündelt und sogleich höchst erfolgreich unters Volk gebracht werden. Während diese Zeilen entstehen, entstehen schon statistisch völlig unbelegte 45,3 neue Emo-Alben, und ein wackerer Linguist im Dienste des Poplabors blättert den Duden auf der Suche nach ebensovielen neuen Bandnamen durch.
Das klingt jetzt natürlich total mißbillingend, und das wollen wir eigentlich gar nicht. Sick City, um die es hier eigentlich gehen soll, sind nämlich weder wesentlich besser noch wesentlich schlechter als die anderen Bands ihres Genres, und damit wären wir eigentlich schon am Ende dieser Kritik angelangt, wenn da nicht von oberster Stelle stets mehrere Absätze gefordert würden.
Um das Nachtleben geht es in diesem Debütalbum, um das Feiern und Trinken und Anbandeln mit sehr vielen Frauen. Wie so viele andere Gruppen der Sparte haben Sick City einen glitzernden, vollgepropften Sound, unter dessen Oberfläche und in dessen unnachgiebig hedonistischen Texten eine dunkle Seite zu finden ist – wie schon beim Coverphoto, wo ein Mädchen einen Kerl küßt und derweil ihre Hand auf den Schoß der neben ihr sitzenden Frau wandern läßt.
„Could you be my Antoinette? French girl to love and then behead“, witzelt der Erzähler gleich im ersten Song, der wie der gesamte Rest mit dicker Produktion und hymnischem, schnell ins Ohr gehenden Refrain aufwartet. Natürlich sind alle Beziehungen und Freuden, die hier besungen werden, innen drin leer: „Let’s drink to tonight and sing we don’t care“, heißt es an anderer Stelle, und es ist klar, daß die Musik ebensowenig über den Moment hinaus Bestand hat wie die besungenen Affären. Hinten wartet eine Ballade („City Lights“), ansonsten funktioniert alles nach dem gleichen Hitsingle-Prinzip: Alles zum Mitsingen und Spaßhaben, in vierzig Minuten ist der ganze Spuk schon wieder vorbei.
So mancher Online-Kritiker tut sich schwer mit dem Album: Mit „ernsthaftem Rock“ habe die CD nichts zu tun, konstatiert ein unnachgiebiger Kollege und hört lieber Slayer. Irgendwo anders scheut man das Wort „Emo“, weil ja nicht gejammert, sondern „gerockt“ wird. Wir zeigen solcherlei Befangenheiten natürlich nicht und können ganz freimütig sagen, daß Sick City überhaupt nicht ernsthaft sein wollen und ein weiteres gelungenes, erwartungsgemäß überraschungsfreies Produkt aus dem Emolabor darstellen. Muß ja nicht jede Platte für die Ewigkeit gemacht sein.
Dieser Text erschien zuerst am 21.11.07 bei Fritz!/Salzburger Nachrichten.
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