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These Girls – Beste Freundinnen teilen alles (2005)

Wie der Schein doch manchmal trügen kann: Da flattert eine DVD mit dem Titel THESE GIRLS ins Haus, in poppigen Farben und mit einem halbnackten David Boreanaz – genau, der aus BUFFY, ANGEL und BONES – auf dem Cover. Hinten auf der Box steht dann „The Babysitters are taking over“, und der Klappentext verrät die Prämisse des Films: Drei Teenager teilen sich eine Affäre mit einem älteren, verheirateten Mann. „Freche Teenie-Komödie“, steht da noch irgendwo, und von „wochenlangem Dauersex“ ist die Rede, und alles in allem rechnet man natürlich mit dem Schlimmsten.

Geschickter wäre es wohl, den Film in einer ganz blanken Box zu verkaufen und nichts über den Inhalt zu erzählen. Natürlich stimmt die auf der DVD-Box umrissene Geschichte auf dem Papier mit dem überein, was die Prämisse des Films ist. Aber was dieser kanadische Indie-Film zu bieten hat, ist keine klischéehafte Teenie-Posse, kein Sexklamauk und auch keine Videoclipinszenierung der schönen, leeren Leute: THESE GIRLS ist ein komisches Drama, eine mit leichtfüßigen Boshaftigkeiten gespickte Geschichte über Egoismus, eine interessant gezeichnete Story über diese Phase im Teenageralter, wo man neugierig ist und einem doch alles egal scheint. Die Darstellerinnen selbst bezeichnen den Film im Interview enthusiastisch als „strange story“.

Die drei Freundinnen, um die es im Film geht, haben gerade die Highschool abgeschlossen und verbringen ihren letzten Sommer in einem nichtssagenden kleinen Städtchen. Es gibt dort nicht viel zu tun außer die Zeit totzuschlagen, und so fängt eine der Freundinnen, Glory, eine Affäre mit dem verheirateten Keith an, bei dem sie babysittet. Ihre Freundinnen finden das heraus und entwickeln ihre eigenen Phantasien, die sie auch schnell in die Tat umsetzen: Lisa, deren Interessen sich auf Baseball und Jesus beschränken, möchte einmal gerne Sex haben, bevor sie auf ein christliches College geht und sich dann dort für den Mann aufhebt, den sie heiratet – sie ist eben neugierig. Auch Keira reizt der Gedanke, mit dem 35jährigen Mann etwas anzufangen, wenn auch vielleicht nur aus dem Interesse heraus, ob sie es tatsächlich machen könnte.

So landen alle drei recht schnell bei Keith, dessen Frau als Krankenschwester ständige Nachtschichten schiebt, im Bett. Wo Glory sich die große Liebe einredet, ist es für Keira eher ein Spiel – und für Lisa ganz natürliche Neugierde. Dann finden die drei Freundinnen heraus, daß sie alle mit Keith schlafen, und nach kurzer Streitphase raufen sie sich zusammen und hecken einen Plan aus, wie sie sich den Burschen teilen können: Jede kriegt ihn ganz einfach an einem Abend in der Woche. Auch wenn Keith nur für eine geschätzte halbe Sekunde gezögert hat, mit den Mädchen zu schlafen, ist er von dem Arrangement nicht begeistert – aber Keira erpreßt ihn ganz unverblümt damit, der Polizei von seinem Marijuana-Anbau hinter dem Haus zu erzählen.

Schon klar: Die Geschichte klingt ein wenig abstrus, und würde in falschen Händen zur peinlichen Farce werden. Mit John Hazletts Drehbuch und Inszenierung (Vorlage war ein Theaterstück von Viviene Laxdal) wird die Story interessant: Das Perfide und Selbstsüchtige, das hier unter der schönen Oberfläche liegt, ist mit stetem Augenzwinkern eingebunden, aber gleichzeitig nimmt Hazlett die drei Frauen ernst genug, um ihren tatsächliche Persönlichkeiten zu geben und sie nie zum Abziehbild verkommen zu lassen.

THESE GIRLS gibt uns nie vor, wie wir über das Geschehen zu denken haben: Natürlich erpressen die Mädchen Keith und nützen ihn aus, aber andererseits ist er ein verheirateter, erwachsener Mann, der schon zu Beginn der Geschichte seine Frau betrügt. Besagte Frau taucht übrigens auch in der Geschichte auf und ist nicht etwa die zickige Ehefrau, die seine Untreue erklären würde, sondern eine normale, liebende Frau. Den ganzen Film über scheut Hazlett das Offensichtliche und läßt mit Vergnügen der Geschichte ihren Lauf, ohne über seine Figuren zu urteilen.

Die drei Mädchen sind interessant und glaubwürdig in ihren Rollen – allen voran Holly Lewis, deren Lisa einen sehr originellen, eigenen Charme besitzt. Von David Boreanaz würde wohl niemand große schauspielerische Leistungen erwarten, aber er hat hier genug Gespür für Komik, daß er es schafft, den gutaussehenden Keith als großes, unbeholfenes Kind darzustellen.

Ein Film wie THESE GIRLS mag viele Zuseher frustrieren, die klare, vorgegebene Strukturen haben wollen, und darin einfach einzuordnende Figuren. Dabei erzählt der Film einfach nur eine Geschichte: lustig, absurd, gemein, dramatisch. THESE GIRLS ist ein kleines Juwel.

These Girls – Beste Freundinnen teilen alles (Kanada 2005)
Originaltitel: These Girls
Regie: John Hazlett
Drehbuch: John Hazlett
Musik: Ned Bouhalassa, Peter Hay, Polo
Produktion: Productions Jeux D’Ombres / Grana Productions / Red Devil Films
Darsteller: Caroline Dhavernas, Amanda Walsh, Holly Lewis, David Boreanaz
Länge: 92 Minuten
FSK: 16

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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