Garbage machen Werkschau: Eine solide Zusammenstellung, die keiner wirklich braucht – oder für Uneingeweihte so gut ist wie jedes andere Garbage-Album.
Eigentlich wühlt man ja nicht gerne im Müll. Man fördert ja doch nur Verbrauchtes zutage. Fade Müll-Witze scheinen natürlich eher unangebracht, wenn Garbage sich durch ihr bisheriges Schaffen durchackern, aber der Titel der CD fordert den Vergleich natürlich heraus: Freilich ist das kein totaler Abfall, der hier versammelt ist, aber eine Werkschau nach nur 4 Alben, von denen sich zwei eher schleppend verkauft haben, scheint doch eher auf eine vertragliche Bindung hinzuweisen als auf ein tatsächliches Bedürfnis nach Überblick.
Garbage waren in den Neunzigern die perfekte Synthese aus allen damaligen populären Strömungen: Die Industrial-Neigungen von Nine Inch Nails, die Grunge-Schwermut samt dreckiger Gitarren, die Elektronikloops und -texturen vom TripHop, ein wenig Sonic-Youth-Indieverzerrung, und vorne steht auch noch eine Frau, der man auch bei allen einschlägigen Riot-Grrl-Parties Eintritt gewähren würde. Hinter der Frontfrau drei routinierte Profi-Musiker und -Produzenten, darunter Schlagzeuger Butch Vig, dem dank seiner Produktionen für Nirvana und die Smashing Pumpkins teilweise mehr Aufmerksamkeit gewidmet wurde als der Sängerin.
Die Musik kokettierte stets mit dem Düsteren, mit etwas Abgründigem: Es geht in den Songs immer um Obsessionen, um Depressionen, um unterwürfige Beziehungen und dunkle Phantasien. Eigentlich war alles Pop, mit Mitsingmelodien und tanzbaren Rhythmen, aber die Produktion überzog alles mit einem leicht fiebrigen, dunklen Sound – und da liegt auch das Kernproblem der Gruppe: Es werden stets Abgründe angedeutet, wo gar keine vorhanden sind. Die Produktion ist so perfekt, daß jedes Geräusch exakt sitzt; jeder Verzerrer ist so paßgenau abgemischt, daß aus den Songs nie etwas Gefährliches aufzubrechen droht. Alles ist derart kontrolliert, daß sich darunter gar keine Tiefen auftun können.
Die Band besetzte ihren Platz im Musikgeschehen primär mit ihren ersten beiden Alben – die hier auch mit jeweils fünf Singles gewürdigt werden. Zwischen dem glatten ersten Album und dem hi-tech-polierten zweiten gibt es dabei wenig Unterschied. Die späteren Songs brechen ein wenig mehr aus dem Korsett aus, aber obwohl da durchaus interessante Versuche zu hören sind – die Bubblegum-Pop-Exkursion „Cherry Lips“, oder das fragilere „Bleed Like Me“ – neigt alles dazu, die Aufmerksamkeit nicht mehr allzu lang zu halten. Es gab nicht mehr Substanz auf den späteren Alben, aber dafür weniger eingängige Songs – weshalb die Aufnahmen sich dann auch viel schlechter verkauften und Garbage seine Relevanz verlor. Wer immer die Zusammenstellung kreiert hat, scheint das zu wissen: Es werden wesentlich weniger Singles aus dem dritten und vierten Album präsentiert – nur zwei aus BEAUTIFULGARBAGE – und obwohl der einsame neue Track, das schwelgerische „Tell Me Where It Hurts“, durchaus schmacksam klingt, verliert die Compilation im letzten Drittel viel Dringlichkeit.
Im Prinzip braucht niemand eine Best-of-Werkschau von Garbage: Es reicht, wenn man sich das erste Album kauft. Im Prinzip kann man sich aber auch dieses Album zulegen und hat dann ebenso exakt so viel Garbage wie nötig. Die Band macht intelligente, interessante Musik, hat Stil und Ideen – und bleibt letzten Endes mit ihrer unterkühlt perfekten Oberflächlichkeitsbetonung immer einen Schritt davon entfernt, sich wirklich festzubeißen.
Die Compilation ist übrigens mit einem fein geschriebenen Essay versehen, der der Musik etwas mehr mythische Qualität zugesteht, als sie tatsächlich hat. Fans dürfen sich eine Doppel-CD-Variante zulegen, auf der diverse Remixe enthalten sind – deren Meriten hier mangels Rezensionsmuster nicht untersucht werden können.
Dieser Text erschien zuerst am 3.8.2007 bei Fritz!/Salzburger Nachrichten.
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