Punk entzieht sich ja mitunter der kritischen Rezeption. Wirklicher Punk zumindest – nicht der gefönte Teen-Pop-Punk, die schicke Pose und das kleine bißchen Rebellion am Ladentisch, sondern der richtig dreckige, raunzende, scheppernde, anarchistische Nach-uns-die-Sintflut-Punk.
Da kann man sich als Kritiker auf den Kopf stellen, weil alles so monoton krawallend aus dem Lautsprecher dröhnt, weil es textlich nur um Junkies und Sandler und nihilistische Freaks geht, oder weil wieder keiner der Musiker je gelernt hat, sein Instrument zu beherrschen – Punk ist nicht darauf angewiesen, kontempliert und für seine Qualitäten gelobt zu werden. Punk macht sich nur lautstark Luft. Wer den Punk versteht, hat ihn nicht kapiert.
Nachdem wir das also geklärt hätten, können wir uns der kritischen Auseinandersetzung mit dem selbstbetitelten Debütalbum der Gruppe Societys Parasites (jawoll, ohne Apostroph) widmen. Da rumpelt, sägt, kreischt und explodiert die Musik, daß es eine wahre Wonne sein könnte – wenn man einmal davon absieht, daß es selbst auf dem ersten Carcass-Album leichter ist, die einzelnen Songs auseinanderzuhalten. Bei den Parasiten sind immer nur die ersten paar Takte unterscheidbar, bevor die Band dann voll auf die Zwölf geht: Alles auf Anschlag, alles mit Tempo 240. Der Shouter klingt manchmal nach Nik Bullen auf dem ersten Napalm-Death-Album, obwohl man seine Worte mitunter sogar ohne Blick ins Booklet versteht. Völlig un-punkig eigentlich, daß die Jungs ihre Instrumente perfekt zu beherrschen scheinen – haben die geübt oder was? – und daß die Produktion sauber abgemischt ist, wo Punk doch sonst so klingt, als würde die Band in der Nachbarswohnung proben.
Nur drei Songs aus 15 erreichen die Zwei-Minuten-Grenze, ein paar trudeln bei einer knappen Minute ein. Die CD läuft insgesamt 24 Minuten, aber ganz ehrlich: 10 Minuten hätten auch locker gereicht. Ein lustiges Experiment wäre es dann, den CD-Player so zu programmieren, daß alles in Dauerrotation läuft, und vermutlich fällt dem Zuhörer dann entweder schon nach drei Minuten oder erst nach drei Stunden auf, daß er immer die gleichen paar Songs hört. Die einzelnen Stücke haben eine extreme Energie und sind kantig, aber gereiht wird einem schon vor der Hälfte fad.
Was passiert textlich? Natürlich geht es um Junkies, um Gewalt in der Stadt, um irgendwelche Bitches und Freaks, um Alkohol, und was einen als im Park hausender Punk vielleicht sonst noch so beschäftigt. Die reflektionslose Beschreibung (und gelegentliche Romantisierung) dieser Zustände mag mancherorts als „politisch“ gelten, weil in der Äußerung „Kritik“ gewähnt wird – aber natürlich ist alles nur eine Abfolge von schockierenden Banalitäten.
Wer den Punk versteht, hat ihn nicht kapiert, aber wer ihn nicht versteht, muß auch nicht zwangsläufig mehr damit anfangen können.
Dieser Text erschien zuerst am 6.7.2007 bei Fritz!/Salzburger Nachrichten.
—————–
4 8 15 16 23 42