FilmRetrospektive

[Film] Police Academy 5 – Auftrag: Miami Beach (1988)

Sehr geehrte Jury der Academy Awards!

Wir sind alle nur Menschen. Wir machen alle Fehler. Ich schreibe also unbekannterweise an Sie, um Sie auf einen ebensolchen hinzuweisen. Mir ist bewußt, daß sich die Oscar-Jury aus vielen verschiedenen (und vor allem anonymen) Mitgliedern zusammensetzt, und ich möchte Sie bitten, diesen Brief an Ihre Kollegen weiterzuleiten, um mein Anliegen weiterzuverbreiten. Kurz formuliert: Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß POLICE ACADEMY 5 seinerzeit bei der Oscar-Verleihung übersehen wurde.

Das mag zunächst verständlich sein. Immerhin handelt es sich bereits um den fünften Teil einer Serie, die von Kritikerseite her stets unterschätzt wurde. Dabei war bereits der erste Teil 1984 nur oberflächlich gesehen alberner Klamauk: Darunter verbarg sich eine beißende, subversive Zersetzung des Cop-Kults der Siebziger und Achtziger Jahre, bei dem die Gesellschaft in die drei Rollen „Opfer“, „Verbrecher“ und „Cop“ eingeteilt wurde – vergleichen Sie hierzu Hakim Beys Essay „Resolution für die 90er Jahre: Boykottiert die Cop-Kultur!!!“ (*): „«Wir» spielen diese zentrale Rolle nicht mehr; nicht länger die Helden unserer eigenen Geschichten, wurden wir von dem Anderen marginalisiert & ersetzt, dem Cop.“

Wie wichtig und nötig war es doch, den einfachen Mann, den Chaplin-esken Tramp, der mit gutem Herz und einem optimistischen Glauben an das Gute seine Widersacher besiegt, nicht nur in vielfacher Facette ins Zentrum der Story zu rücken, sondern ihn quasi dem Polizeiapparat unterzuschmuggeln. Wenn jeder Polizist sein kann, hat der Polizist keine Bedeutung mehr. Auch die mitunter stark kritisierten Sequels haben sich mutig mit unserer Gesellschaft auseinandergesetzt: Mit aufkeimender jugendlicher Gewalt (Teil 2), mit der Resozialisierung von Straffälligen (Zed in Teil 3), mit der in EIN MANN SIEHT ROT nur angedeuteten Utilisation der Bürgerwehr als Stütze der Exekutive (Teil 4). Beachtenswert auch, wie gekonnt der vierte Teil die Handlung dezidiert ins Hier und Jetzt gesetzt hat: Die Skateboardsequenzen und der (erstmals auch separat erhältliche) HipHop-Soundtrack zeigen, wie Produzent Paul Maslansky den Finger am Puls der Zeit hatte.

Aber es soll hier ja um den fünften Teil gehen, der mit der schweren Last des Weggangs eines Sympathieträgers leben mußte: Steve Guttenberg brach nach dem gelungenen Abschluß von Teil 4 in neue künstlerische Gefilde auf und zwang die Macher von Teil 5 somit, sich konzeptuell neu zu orientieren. Der Bruch wurde adäquat in die Geschichte mit eingebunden: Zum ersten Mal verlassen die Polizeirekruten und -ausbilder ihre angestammte Stadt bzw. Akademie, um nach Florida zu reisen. Dort soll ihr Kommandant Eric Lassard für seine Verdienste um die Ausbildung neuer Polizisten geehrt werden. Einstweilen hat der sinistre Captain Harris, Brutus gegenüber Lassards Caesar, bei Recherchen herausgefunden, daß Lassard das zulässige Höchstalter für Polizeiakademienkommandanten überschritten hat, und sorgt dafür, daß Lassard zwangspensioniert wird.

Hier sind wir auch schon beim Kern des fünften Teils angekommen, der hier einen ganz neuen Diskurs angeht: Die Problematik des Älterwerdens in einer vom Jugendwahn gezeichneten Gesellschaft. Gleichermaßen, wie Lassard für seine Verdienste geehrt werden soll, stempelt ihn der Vorgang doch als einen der Vergangenheit zugehörigen Mensch ab, der zukünftig nicht mehr gebraucht wird. Maslansky und Regisseur Alan Myerson schaffen es aber, die Thematik mit einem willkommenen Optimismus anzugehen: Nicht nur, daß der verräterrische Harris selber nicht mehr der Jüngste ist und somit die Verdrängung nicht durch die Jugend, sondern durch einen gereiften, aber weniger beliebten Polizisten erfolgt („Lassard hat wenigstens den Respekt seiner Männer. Wessen Respekt genießen Sie eigentlich?“, wirft Commissioner Hurst an einer Stelle Harris vor) – die jungen Rekruten zeigen sich geschlossen auf der Seite ihres Kommandanten, den sie ermutigen, den Kampf nicht aufzugeben.

Es lassen sich weitere interessante und subtil eingeflochtene Aspekte in POLICE ACADEMY 5 finden. Von Beginn an löst der Film beinahe unmerklich die Linie zwischen Gesetz und Verbrechen auf: Um an Lassards Personalakte zu kommen, müssen Harris und sein Lakai Proctor ins Büro von Commissioner Hurst einbrechen. Die ironische Sequenz – zwei Polizisten, die eine Strafhandlung begehen – erhält eine weitere Brechung, als Harris verkündet, er müsse Lassards Personalakte (und somit die Information über dessen Alter) in der dafür zuständigen Behörde hinterlegen. Proctor, der eben noch überrascht festgestellt hat, daß der Einbruch bei Hurst illegaler Natur ist, fragt, ob sie bei genannter Behörde auch einbrechen müssen – sprich: Harris‘ Gehilfe ist sich weder der genauen Gesetzeslage bewußt, noch schließt er weitere Straftaten bei Erkennen selbiger aus! Auf zweiter Ebene in selbiger Sequenz kann außerdem die süffisante Erkenntnis gezogen werden, daß auch eine illegal beschaffte Information letztendlich den Dienstweg gehen muß – letztendlich besiegt sich das System selber.

Die Auflösung Polizist/Verbrecher geschieht auch zum Schluß, als Diamantenräuber Lassard kidnappen, der den gesamten Vorgang für eine Polizeidemonstration hält und seinen Entführern wertvolle Hinweise gibt, um die Angelegenheit spannender zu gestalten. Nicht nur also, daß gewöhnliche Diebe von Lassard für Uniform- (und somit Würden-)Träger in zivil gehalten werden – seine Hilfsbereitschaft läßt zwischen ihm und seinem Entführer (Charakterdarsteller René Auberjonois, bekannt aus DEEP SPACE NINE und BOSTON LEGAL!) Respekt und Freundschaft aufkeimen.

Die Macher des Films sind sich der Filmgeschichte bewußt und flechten wie beiläufig Zitate und Anspielungen in intertextueller Vernetzung ein. Am Strand in Miami Beach greift ein weißer Hai die Menschen an (und wird von Waffennarr Tackleberry mit gezückter Pistole zur Umkehr überredet). Bei der Rettung von Lassard singt Lt. Callahan den Ritt der Walkyren, der sodann in Reminiszenz an APOCALYPSE NOW auf dem Soundtrack ertönt. Michael Winslow nimmt in einer Sequenz – wie schon in den vorigen Teilen – alte Kung-Fu-Filme bzw. ihre oftmals mangelhafte englische Synchronisation auf die Schippe. Mit dem lustvollen Zitieren Hand in Hand gehen die Helfer des obengenannten Entführers, deren Slapstick-artige Versuche, eine mit Diamanten gefüllte Kamera in ihren Besitz zu bekommen, als große Verbeugung vor den großen Stummfilmkomödien verstanden werden dürfen.

Ich möchte eine weitere Facette des Films ansprechen, die den Kritikern seinerzeit völlig entgangen ist: Die homoerotische Beziehung zwischen Harris und Proctor. In einer Szene sehen wir beispielsweise, wie Harris dem telefonierenden Proctor in bester Laune einen Klaps auf den Hintern gibt. Am Flughafen verzweifelt Harris am Metalldetektor, und Proctor greift wie selbstverständlich nach Harris‘ Gürtelschnalle, um ihm den metallenen Gürtel abzunehmen. Es lassen sich viele weitere Indize dafür finden, und nur der homophobe Zuseher wird hier finden, daß die beiden Figuren der Lächerlichkeit preisgegeben werden: In Wirklichkeit sagt gerade die Selbstverständlichkeit, mit der diese Hinweise eingestreut wurden, sehr viel über die Beziehung zwischen den beiden aus. Lange vor BROKEBACK MOUNTAIN haben es hier Filmemacher gewagt, Homosexualität in einen von Männlichkeit dominierten Alltag einzubinden und selbiges aber nicht als problematische Komponente zu verkaufen. Respekt!

Es könnte noch so viel gesagt werden über diesen Film, der mit so vielen Lesarten bedacht werden kann. Ich möchte es aber Ihnen, liebe Jury, belassen, den Film mit frischen Augen wieder zu betrachten und eigene Interpretationen der eingewobenenen thematischen Tangenten zu entwickeln. Im gleichen Zuge möchte ich Sie bitten, POLICE ACADEMY 5 für eine nachträgliche Ehrung vorzusehen. (Daß Künstler mitunter nicht für ein wichtiges Werk, sondern erst bei späterer Gelegenheit mit der begehrten Statue bedacht werden, haben wir ja an Russell Crowes Beispiel gesehen.) Um die neuerliche Evaluation des Films einzuleiten, habe ich auch bewußt auf eine Wertung verzichtet, die das Werk ja wieder nur in vorgefertigte Kategorien stecken würde.

Ich beantrage also hiermit die Auszeichnung von Produzent Paul Maslansky, der die gesamte Reihe betreut hat und die amerikanische Kinolandschaft in den Achtzigern nachhaltig veränderte, mit einem Oscar für sein Lebenswerk (somit erhält zumindest auch der vernachlässigte Schwarzenegger-Film KAKTUS-JACK eine kleine Würdigung). Weiters beantrage ich einen Academy Award für George Gaynes, der den Kommandant Lassard derart greifbar echt spielt, daß er für viele jüngere Zuseher zur Vaterfigur wurde. Gaynes ist mittlerweile 94, aber noch fit, also ist hier Eile mit der nachträglichen Ehrung geboten. Auch G.W. Bailey und Lance Kinsey, Harris und Proctor, sollten für ihr präzise kontrolliertes Spiel eines eingespielten Außenseiterduos Ehrungen bekommen. Matt McCoy, der hier die schwere Nachfolge von Steve Guttenberg antritt, sollte eine besondere Nennung erfahren, weil er innerhalb der engen Vorgaben des Skripts eine ganz eigene Persönlichkeit entwickelt.

Ich bitte Sie also, sich dem Film noch einmal eingehend zu widmen und meinem Ansuchen bei der nächsten Oscar-Verleihung zu entsprechen. In den letzten Jahren hat die Academy schon einige Filme geehrt, die nicht aus dem Hollywood-Mainstream kamen, sondern sich als kleine, unabhängige Produktionen ins Herzen der Zuseher gespielt haben. Wie schön wäre es da doch, wenn sich die Academy auch eines verdienten, aber stets von elitären Kritikern belächelten Underdog-Films annehmen würde?

Ich verbleibe mit hochachtungsvollen Grüßen und vielen, vielen wundervollen, wundervollen filmischen Erinnerungen,

Ihr Christian Genzel

* Bey, Hakim. „Resolution für die 90er Jahre: Boykottiert die Cop-Kultur!!!“. T.A.Z. – Die Temporäre Autonome Zone. Berlin: Edition ID-Archiv, 1994. 102-106.



Police Academy 5 – Auftrag: Miami Beach (USA 1988)
Regie: Alan Myerson
Drehbuch: Stephen J. Curwick
Produktion: Warner Bros. / Paul Maslansky
Musik: Robert Folk
Darsteller: Bubba Smith, David Graf, Michael Winslow, Leslie Easterbrook, Marion Ramsey, Janet Jones, Lance Kinsey, Matt McCoy, G.W. Bailey, George Gaynes, René Auberjonois
Länge: 86 Minuten
FSK: 6

Dieser Text erschien zuerst bei mannbeisstfilm.de.
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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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