Uncategorized

POLICE PATROL – DIE CHAOTENSTREIFE VOM NACHTREVIER: Welcher Furzfilm könnte besser sein?

Die DVD des zuverlässigen Obskuritäts-Archäologie-Verleihs Anchor Bay wirbt mit den Worten „The second-best uncontrollable-farting movie in drive-in history!“, dem Online-Review eines Menschen mit dem Namen Joe Bob Briggs entnommen. Es mag mancherorts tatsächlich ein Kaufanreiz sein, den zweitbesten Furzfilm in der Geschichte des Autokinos in den Händen zu halten – zugegebenermaßen fallen mir persönlich auf Anhieb aber auch wenig Konkurrenzprodukte in dieser Sparte ein, obwohl (wie treue Leser meiner Expeditionen ins Unglaubliche schon wissen) ich dem Geschmacklosen ja nicht abgeneigt bin. LES PATTERSON RETTET DIE WELT bietet einen derben Furzwitz, disqualifiziert sich aber aufgrund mangelnder konsequenter Fortführung ähnlich konzipierter Schmähs im Rennen um den besten Furzfilm in der Geschichte des Autokinos – wo ja auch erst einmal überprüft werden müßte, ob besagter Film überhaupt im Autokino lief. Vertrauen wir also einfach dem Urteil von Joe Bob und prüfen, was es mit diesem Spitzenkandidaten auf sich hat.

NIGHT PATROL – im Deutschen kurz und bündig POLICE PATROL – DIE CHAOTENSTREIFE VOM NACHTREVIER – ist der zweite Film von Exploitation-Regisseurin Jackie Kong, wiederum produziert von ihrem Ehemann Bill Osco. Deren erste Zusammenarbeit THE BEING fiel eher harmlos aus, und eine völlige Abwesenheit von Furzwitzen in diesem ersten Film läßt darauf schließen, daß sie sich erst danach Gedanken darüber gemacht haben, wie sie die Krone im Kampf um den besten Furzfilm in der Geschichte usw. erringen könnten. Osco bietet sich im Vorspann gleichzeitig als Präsentator („Bill Osco presents“) und als Produzent an – letzteres unter dem Namen Guillaume Osco – und hat mit seiner Frau am Drehbuch geschrieben, die auch als Cutterin und Co-Produzentin fungierte. Will heissen: Die beiden sind wirklich und durchweg verantwortlich für diesen Film und sollten eigentlich eine Adresse für die Arztrechnung bereitstellen.

Nun läßt der deutsche Titel ja schon erahnen, daß es sich bei NIGHT PATROL um ein Rip-Off im Fahrwasser von POLICE ACADEMY handelt – wobei, das sei schon an dieser Stelle verraten, das Vorbild im Vergleich wie das literarische Quartett wirkt. Artverwandter (aber erst später entstanden) sind wohl Rick Sloanes VICE ACADEMY-Filme, die hierzulande unter dem vielversprechenden (und wenigeinhaltenden) Titel STRAPS-AKADEMIE unter das Volk kamen: Tief, derb, dumm und beknackt. Wobei sich die VICE ACADEMY nicht einmal für den Titel des besten Furzfilms etc.pp. bemüht.

„Rüdes Lustspiel“, schreibt das Lexikon des Internationalen Films, und bemerkt noch an: „Durch seine sexistische Grundhaltung und die Verunglimpfung von Minderheiten auffallend“. Man merkt förmlich, wie sie das Produkt mit ganz spitzen Fingern anfassen und möglichst weit vom Körper halten. Zugegebenermaßen ist besagtes Lexikon keine Koryphäe auf dem Gebiet empfehlenswerter Furzfilme, aber die zitierten Worte lassen zumindest darauf schließen, daß sie sich den Film angesehen haben. Beinahe hätte ich „aufmerksam angesehen“ geschrieben, aber schon die ersten zwei Minuten des Films lassen – selbst unter kompletter Betäubung der Sinne – obiges Urteil zu.

In diesen ersten Minuten – über die munter die Credits laufen – lernen wir den trotteligen Cop Melvin kennen, der einen Autofahrer stoppt (nachdem er mit dem Motorrad gegen das Auto geknallt und meterhoch in einen nahestehenden Baum geflogen ist). „Sind sie wahnsinnig?“, ruft er dem Fahrer entgegen, und der steigt in der Zwangsjacke aus und brabbelt ekelhaftes Zeug in schlecht synchronisiertem Französisch. Nanu, wieso ist denn der Kofferraum geöffnet? Hilfreich räumt Melvin die heraushängenden Munitionsgürtel und den Arm der im Kofferraum befindlichen Leiche beiseite und erklärt dem Fahrer, daß man nur sicher fahren kann, wenn der Kofferraum ganz geschlossen ist. Dann tritt Melvin in einen Hundehaufen, wird von einem nahestehenden Köter angepinkelt und reicht einem Räuber die entwendete Brieftasche, die dieser eben gerade fallengelassen hat, während der Beklaute am Boden an einem Herzanfall dahinsiecht. Selten wurde Polizeiarbeit filmisch in derartigem Realismus festgehalten.

Hin und wieder kommt es beim Schreiben von Rezensionen vor, daß man plötzlich gar keine Lust mehr hat, über den Film zu reden. Viel lieber würde ich von dem aufregenden Konzert am Freitag oder der bevorstehenden Schnitzelexpedition schreiben. Dabei sind wir noch nicht einmal bei dem furzenden Zwerg angelangt! Reissen wir uns also noch ein wenig zusammen und erläutern die Handlung: Melvin führt nämlich ein Doppelleben und tritt mit einer Papiertüte über dem Kopf als Stand-Up-Komiker auf – „The Unknown Comic“ – wo er ganz schlechte Witze erzählt („How do you get a witch pregnant? You fuck her“). Dann taucht aber ein Räuber in der Stadt auf, der mit gleichem Papiertüten-Outfit diverse Lokale ausraubt, und natürlich wird der Unknown Comic als Täter verdächtigt, und natürlich darf Melvin von seinem Doppelleben nichts preisgeben, weil er sonst seinen spannenden Job bei der Polizei verliert.

Das war es dann auch eigentlich schon wieder an Handlung, weil der Großteil des Films als lose aneinandergereihte Serie von – jetzt kommt ein schönes Wort: – Vignetten konzipiert ist, durch die die Figuren mit infantilem Klamauk, schmerzhaften Wortwitzen und derbem Toilettenhumor stolpern. In einer Lesbenbar spielen die ultraharten Frauen Billard ohne Kugeln („no balls“). Über den Polizeifunk kommt die Nachricht „Mann mit 15 Schüssen in den Kopf niedergestreckt – er sagt, er braucht Hilfe“. In einer ranzigen Kneipe werden einige meiner liebsten Kellnerwitze zum Besten gegeben („Herr Ober, warum ist denn Ihr Daumen auf meinem Steak?“ – „Damit’s nicht nochmal runterfällt“). Ein alter Japaner mit Frauenstimme wurde von drei Frauen dreizehnmal vergewaltigt („Die ersten paar Mal waren schon okay“). Auf der Polizeiwache sitzt ein „cat burglar“ – eigentlich ein Fassadenkletterer, hier natürlich einer, der mit einem Haufen geklauter Katzen zu entkommen versucht. Kein Schmäh ist zu billig oder zu beknackt, um nicht irgendwie ins Prozedere geworfen zu werden. Von Timing natürlich weit und breit keine Spur, was selbst unter Verzicht von Sinn und Niveau durchaus hilfreich hätte sein können.

Völlig unglaublich ist dabei, welche Cast Jackie Kong für diese filmgewordene Stammtischzote gewinnen konnte: Dass Murray Langston, der echte Unknown Comic (in den USA durch die Depperlshow THE GONG SHOW bekannt geworden), die Hauptrolle spielt, mag ja noch schlüssig erscheinen. Dass die Karriere von Linda Blair irgendwo einen Knick bekommen hat und sich die gute Frau auch um die Miete sorgen muß, wußten wir auch schon. Es spielen aber auch Pat Morita (Mr. Miyagi!), Stand-Up-Komiker Andrew „Dice“ Clay, Russ-Meyer-Busenwunder Kitten Natividad, GONG-SHOW-Kollegin Jaye P. Morgan, der Komiker und Fun-Präsidentschaftskandidat Pat Paulsen, Mel-Brooks-Veteran Jack Riley sowie Charakterdarsteller Sydney Lassick! Und dann ist da noch der kleinwüchsige Billy Barty, den wir aus WILLOW und LEGENDE und UHF kennen – hier als schreiender Polizeichef, der seinen Mitarbeitern völlig bescheuerte Befehle gibt, die aber unter seinem ständigen, unkontrollierbarem Furzen größtenteils untergehen. Endlich sind wir beim Furzwitz.

So ganz detailliert erläutern müssen wir jetzt wohl nicht mehr, warum NIGHT PATROL total haarsträubend ist. Genaugenommen ist der Streifen so verzweifelt unkomisch und so durch die Bank behämmert, daß er sicherlich so manchen stagnierenden Videoabend retten kann – empfehlen kann man die Erfahrung sicherlich niemandem, aber auf eine ganz verschrobene Art und Weise ist es doch faszinierend, was für Ungetüme produziert und vertrieben werden. Sich darüber zu beschweren, daß der Film geschmacklos und dämlich ist, ist im Prinzip so, als würde man einem Kinobesitzer vorhalten, daß er Filme vorführt. Jackie Kong und Bill Osco (der seine Schauspielkarriere hier wieder an den Nagel gehängt hat und nur in einem winzigen Cameo auftaucht) stürzen sich mit Hingabe auf den schlechten Geschmack, und es ist ihnen wirklich nichts zu doof. Dahin muß man erstmal kommen.

Mehr Bill Osco auf Wilsons Dachboden:
COP KILLERS (1973)
FLESH GORDON (1974)
THE UNKNOWN COMEDY SHOW (1982)
THE BEING (1983)
URBAN LEGENDS (1994) 

CAT FIGHT WRESTLING: Furiose Frauenzimmer in leeren Lagerhallen

Police Patrol – Die Chaotenstreife vom Nachtrevier (USA 1984)
Originaltitel: Night Patrol
Regie: Jackie Kong
Drehbuch: Murray Langston, Bill Levey, Bill Osco, Jackie Kong
Produktion: Vis-Art Consultants / RSL Company
Musik: Don Preston
Darsteller: Murray Langston, Pat Paulsen, Jaye P. Morgan, Billy Barty, Linda Blair, Jack Riley, Pat Morita
Länge: 85 Minuten

—————–
4 8 15 16 23 42

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    Comments are closed.

    0 %