Mit den Nazis ist das so ein Problem: Sie sind überall. Auf der ganzen Welt, und das mit Vorliebe auch noch im Kino. Da gibt es lachende Nazis, mordende Nazis, sadistische Nazis, menschelnde Nazis, hochrangige Nazis, Nazis zum Abschießen, Nazis zum Abwinken. Und wie uns der hier begutachtete Film aus dem Jahre 1986 lehrt, gibt es auch surfende Nazis. Vielleicht hat aber auch nur ein blauäugiger – ja, wieder einmal gelingt es Genzel, ambivalentes Vokabular geradezu subversiv in den Text zu schmuggeln! – Drehbuchautor den Titel des Buches „Die Welle“ mißverstanden, und so entstand SURF NAZIS MUST DIE.
In einer nicht allzu fernen Zukunft wurde Kalifornien von mehreren Erdbeben heimgesucht, die große Teile der Küstenregion zerstört hinterließen. Diesen Part der Prämisse, wie ich nicht ohne Stolz hervorheben möchte, habe ich im Internet recherchiert und dann zu einem fundierten einleitenden Satz geformt – aus dem Film selber läßt sich diese Information nämlich nicht ableiten. Am Strand herrschen nun tyrannische Surfergangs, die sich über die Nutzungsrechte des Gebietes sowie über soziale Grundfragen eher uneinig sind, weswegen steter Kampf herrscht. Besonders verachtenswert sind dabei die Surfnazis, unter Anführung von Oberbrettbesteiger Adolf und seiner devoten Freundin Eva. Wir lernen Adolf noch vor dem Vorspann kennen, wie er kleine Surferkinder mit schmetternden Reden indoktriniert.
Die Surfnazis sind durch und durch verdorbene Gesellen: Sie malen auf alles, einschließlich sich selber, Hakenkreuze und mopsen alten Damen am Strand die Handtaschen. Zur Gang gehört der schon etwas ältere Surfer Mengele (an dieser Stelle darf ich beteuern, daß ich mir die Details nicht etwa ausdenke), der im Blutrausch auch schon mal gerne einem Hippie-Surfer namens Jesus die Kehle durchbeißt. Welch Symbolik! Der Faschismus tötet den Frieden und bohrt sich in den Lebenssaft der Religion! Wo waren wir? Ach ja: Ebenfalls in der Truppe ist der handlose Hook, der aussieht, als wäre er auf dem Weg zum Casting einer Musicalversion von CLOCKWORK ORANGE, und der blonde Teenager Smeg, der bestimmt aus einem „Person least likely to win a Kiefer Sutherland lookalike contest“-Wettbewerb heraus engagiert wurde.
Gleichzeitig lernen wir Mama Washington kennen, die ein Seniorenheim in der Nähe bezieht. Daß die stämmige Schwarze gleich beim Einrichten des Zimmers eine US-Flagge liebevoll an den Spiegel montiert, läßt uns ahnen, daß sie als demokratische Gegenkraft zum Strandfaschismus ins Spiel kommen wird. Mama Washington ist unangepaßt: Während die Heimschwester sich bei einer Kollegin beschwert, daß die quicklebende neue Bewohnerin nicht ihre Sedative einnehmen will wie alle anderen Alten, fällt Mama Washington schon mit einer Motorsäge einen Baum im Garten, weil dieser ihr die Sicht versperrt. Freunde der amerikanischen Geschichte sind herzlich dazu eingeladen, aus den Elementen „Washington“ und „Baumfällen“ für diesen Film relevante clevere Konstrukte zum Thema Opression per Kommentarfunktion zu hinterlegen.
Als nun die Surfnazis – nach ausgiebigem Wellenreiten, das noch vor dem Terrorisieren der Nachbarschaft Priorität hat – Mama Washingtons Sohn Leroy am Strand den Schädel einschlagen und die betrübte Mutter ihren Sprößling daraufhin im Leichenschauhaus identifizieren darf, findet der Spaß ein Ende. Rache ist Blaukraut! Die rüstige Alte kauft sich eine Walther-Antinaziknarre und macht sich eigenhändig an die Faschismusbekämpfung. Weil sich in den letzten 25 Minuten auch diverse andere Surfgangs gegen den Anschluß sträuben, wird recht ausgiebig gestorben, und so manche Kehle trifft auf den dafür vorgesehenen schlitzenden Nazi. Unter den rivalisierenden Gangs findet sich, die Randnotiz sei mir erlaubt, übrigens nicht nur eine Art Fashion-Interessenszusammenschluß (in der die Surfer schöne Namen wie „Blow“, „Dry“ und „Curl“ tragen), sondern auch ein waschechter Samurai-Clan, dessen drei Mitglieder „Wang“, „Yin“ und „Yang“ heißen, einen buddhistischen Tempel am Strand besitzen, und trotz lautstarkem Herumgehüpfe doch nicht in der Lage sind, dem sandbasierten Nationalsozialismus Einhalt zu gebieten.
Ein Glück, daß Mama Washington eine Kämpfernatur ist. Mit einer Granate begrüßt sie Mengele, der mittlerweile schon Blut von langen Messern leckt, dann jagt sie das Führergespann Adolf und Eva durch ein Fabrikgelände, um schließlich im Meer das arme Fräulein Braun mit dem Motorboot zu überfahren und Adolf ein paar Mal zu erschießen. Lachend schwingt die Alte sich wieder auf ihr Motorrad, und wir wissen: Überall auf der Welt, wo jemand unterdrückt wird, schwingt sich die Demokratie auf, der Tyrannei ein Ende zu bereiten.
„Dilettantisch inszenierter, abstrus-gewalttätiger Actionfilm, der schamlos seine spekulativen Attribute ausschlachtet“, schreibt das Lexikon des Internationalen Films – gerade so, als wäre das etwas Schlechtes! Das Troma-Logo vor dem – nüchtern betrachtet doch etwas zahmen – Film läßt den Connoisseur freilich schon im Vorfeld wissen, welch Untiefen ihn erwarten, liefert die New Yorker Billigschmiede doch in freudigster Regelmäßigkeit dilettantisch inszenierte, abstrus-gewalttätige Actionfilme ab, die schamlos ihre spekulativen Attribute ausschlachten. Aber auch, wenn man streng phänomenologisch vorgeht, kann allein schon aus dem Titel der konkrete Inhalt des Films deduziert werden: Es wird gesurft, es gibt Nazis, und die müssen sterben. Mag sein, daß der eine oder andere Zuseher anhand dieser Elemente eher einen tiefschürfend-dramatischen Diskurs erwartet, oder gar eine soziologische Studie über sterbende, surfende Nazis. Wenn ich mir das recht überlege: Vielleicht wäre eine soziologische Studie über sterbende, surfende Nazis dann doch interessanter gewesen als dieser Film.
Surf Nazis Must Die (USA 1986)
Regie: Peter George
Drehbuch: Jon Ayre, Peter George
Produktion: Troma / The Institute
Darsteller: Barry Brenner, Dawn Wildsmith, Gail Neely, Michael Sonye, Bobbie Bresee
Länge: 78 Minuten
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