Das Debütalbum der Wiener Band Perfect Days ist grau und schwer – und wächst bei jedem Anhören.
Sie nennen sich Perfect Days, aber auf dem Cover ist eine Herbstlandschaft in trostlosem Braun-Grau abgebildet. Ein blätterloser Baum zeichnet sich gegen den leeren, weißen Himmel ab. Ich sehe aus dem Fenster und beobachte, wie uns der Winter eingeholt hat, wie die Außenwelt vom wirbelnden Schnee bedeckt wird. Zu meinem Kaffee frühstücke ich eines von diesen Kinder-Schokohörnchen, für die ich eigentlich schon viel zu alt bin. Heute bleibe ich zuhause. Perfect Days sind der perfekte Soundtrack dazu.
YOU DON’T NEED TO KNOW, das Debütalbum der Wiener, ist schwermütig, trübe, und primär grau. Obwohl der Großteil der Songs in ordentlichem Tempo dahinrocken, wirkt mit den gleichförmigen Gitarren alles schwer, mit den darunterliegenden Melodien aber gleichzeitig voll Sehnsucht nach Leichtigkeit. Die früheren R.E.M. sind allgegenwärtig, vor allem im Gesang, aber hier baut sich die Musik zu einer mitunter fast hypnotischen Wand auf, über die wir nur selten auf die andere Seite blicken können. Das beginnt mit dem ersten Song, der noch Bewegung suggeriert, und zieht sich durch das ganze Album. In der Ferne hallen einzelne Piano-Klänge und Synth-Klangflächen, aber sie werden nie greifbar. Auf „Paid“ und „Counting Backwards“ heulen Noise-Gitarren auf, als wolle die Band endlich etwas spüren und die Wand durchbrechen.
Der Zugang zur Platte erfolgt zugegebenermaßen erst nach und nach. Nicht, weil sie zu merkwürdig und schräg wäre – nein, das genaue Gegenteil ist der Fall: Perfect Days klingen beim ersten Anhören wie jede beliebige, austauschbare College-Rock-Band. „Warum haben die Jungs einen Plattenvertrag?“, wundert sich der kritische Kollege Schwarz. „Und warum seiert der Sänger so fürchterlich?“, frage ich hinterher. Erst nach mehrmaligem Anhören, nach mehreren Songs zeigt sich, was hinter dem ersten Eindruck liegt. Die Melodien gehen auf, die Songs gewinnen an Gewicht. YOU DON’T NEED TO KNOW ist ein Grower.
Es schneit immer noch. Ein völlig grauer Tag. Die Platte hallt im Kopf noch nach, vor allem ihr letztes Aufbäumen im hintersten Track „For So Long“. Perfect Days besingen nicht die perfekten Tage – sie sehnen sich nach solchen, die unerreichbar sind. Und das ist auf Dauer viel spannender.
Dieser Text erschien zuerst am 20.3.2007 bei Fritz!/Salzburger Nachrichten.
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