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The Baldwin Brothers: Return of the Golden Rhodes (2007)

Lounge-Funk-Pop von The Baldwin Brothers: RETURN OF THE GOLDEN RHODES schmeichelt dem Gehörgang.

Wie gemein. Da landet eine CD von den „Baldwin Brothers“ im Briefkasten, und man spitzt schon die Tastatur, um pfiffige Absätze über den gleichnamigen Schauspieler-Clan zu schreiben – Alec, William, Daniel, Stephen, Tick, Trick und Track Baldwin – und dann stellt sich heraus, daß die hier tätigen Musiker rein gar nichts mit den Baldwins zu tun haben. Nicht mal als Referenz: „Baldwin“ sei in ihrer Jugendzeit ein Begriff für jemanden gewesen, der sich auskennt, der „es draufhat“.

Na schön, dann halt ohne die Schauspielsippe. Die „anderen“ Baldwin-Brüder sind eigentlich gar keine solchen, kommen aus Chicago und basteln groovigen Retro-Funk-Hiphop-Soul-Lounge-Jazz-Acid-Pop – um das ganze mal in eine genau beschriftete Schublade zu stecken. RETURN OF THE GOLDEN RHODES ist ihr zweites Album, und es schmeichelt sich warm-weich aus dem Lautsprecher. Wenn die CD noch ein paar Mal läuft, muß ich mir einen Kaffeetisch dazukaufen.

Das Album steigt mit „Right On“ gleich mit funkigem Beat und plüschigen E-Piano-Akkorden ein. Der Fuß wippt, der Kopf nickt hin und her, der Rest vom Körper sitzt entspannt auf der Couch. Gelegentlich wird es richtig tanzbar, anderweitig klingt’s nach sonnigem Autostaujazz, manchmal gibt’s kantige Synth-Riffs, und dann wieder fröhlich blubbernden Pop. Das Rhodes-Riff von „Leave the Past Behind“ führt uns direkt ins Land von Steely Dan. Die Laune ist durchweg gut.

Auf fünf der 13 Tracks treten Gastsänger auf, die anderen Songs sind instrumental (oder beinhalten nur kurze Sprach-Samples). Die Mischung – also auch das Sequencing – funktioniert fabelhaft, wenn auch die Stücke mit Gesang schneller ins Ohr gehen und oft runder erscheinen: Manches „stimmlose“ Stück wird zur Brücke zwischen zwei Pop-Nummern. Irgendwo im hinteren Bereich des Albums wird mancher Track ein wenig belanglos, aber die melancholischen Nummern „The Snow Falls“ (mit The Train) und „The Party’s Over“ (mit Mark Lanegan) erden die CD ordentlich und geben der Geschichte auch wieder mehr Substanz.

Ach, jetzt warten wieder alle auf das Schlußwort zu dieser fein produzierten, durchweg die Ohren massierenden CD. Ist „Gerne kaufen“ ein schönes Schlußwort? Nein? Na gut, dann so: Die Baldwin Brothers sind, um im Jargon ihrer Jugendjahre zu bleiben, echte Baldwins. Die haben’s drauf.

Dieser Text erschien zuerst am 3.3.2007 bei Fritz!/Salzburger Nachrichten.

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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