Ein SMS vom ehrenwerten Kollegen Schwarz weckt mich auf: Beim Media-Markt gibt es deutsches Kulturgut in der Ramschkiste, alles zum Bitte-kauft-uns-den-Blödsinn-endlich-ab-Preis. Sapperlot! Nur wenig später kehre ich mit großer Tüte nach Hause zurück, jetzt nicht so stolzer Besitzer (ein geeignetes Versteck für die DVDs muß noch gefunden werden) einer Reihe von – räusper – Lustspielen, die daran erinnern, warum der deutsche Film lange Zeit einen so schlechten Ruf hatte. Darunter ein Alpenspektakel namens AUF DER ALM DA GIBT’S KOA SÜND, und eine Firma namens Cent Entertainment schafft es tatsächlich, ein Banner mit der Aufschrift „Deutsche Kinoklassiker“ auf die DVD-Hülle zu schreiben.
Gewissermaßen haben sie natürlich recht: Der vorliegende Streifen ist nur eine unter vielen Lederhosen-Sexpossen, die in den Siebzigern die Kinoleinwände heimgesucht haben und derart erfolgreich waren, daß – wie mich mein treues Nachschlagewerk DER NEUE DEUTSCHE FILM 1960-1980 in einer Fußnote informiert – zum Höhepunkt der sogenannten Jodelfilm-Welle diese Produktionen immerhin fast ein Viertel des gesamten deutschen Filmschaffens ausmachten! Inszeniert hat den Film Franz Josef Gottlieb, der von Edgar-Wallace-Streifen über Wörthersee-Klamauk hin zu einschlägigem Nackedei-Paraden mit heiter anmutenden Titeln wie LASS UNS KNUSPERN, MÄUSCHEN durch die gesamtdeutsche Filmproduktion gepflügt hat wie ein Bündel Granaten (und dann letztendlich beim Fernsehen und dem nicht minder grenzwertigen SCHLOSS AM WÖRTHERSEE gelandet ist). Und weil wir uns gerade so schön in der IMDB vergnügen, erwähnen wir auch noch, daß das Drehbuch – ja, es gab eins – von Hubert Frank stammt, dessen Filmographie mit unglaublichen Filmtiteln wie MUSCHI MAUS MAG’S GRAD HERAUS oder UNTERM RÖCKCHEN STÖSST DAS BÖCKCHEN bestückt ist. Sicherlich war Frank ein stetiger Besucher diverser Kulturförderungsinstitutionen.
Wer auf RTL2 einmal einen der Lederhosen-Filme erwischt hat, weil er eventuell auf der Suche nach einem frohsinnigen Heimatfilm war, kennt sich aus: Auch in AUF DER ALM DA GIBT’S KOA SÜND laufen viele Menschen im bajuwarischen Beinkleid durch malerische Alpenlandschaften, während sich fesche Frauen mehr oder weniger handlungsbedingt ihres Dirndls entledigen. Daß auf der DVD das Schlagwort „Erotik“ zu finden ist, ist ein wenig irreführend: Die ALM ist freilich derart klamaukig und grenzdebil albern, daß jeder IKEA-Katalog prickelnder wirkt. Die Handlung – ja, auch so etwas gibt es – dreht sich um einen gewissen Professor Solo, der eine sagenhafte Formel zur Gewinnung von Benzin aus Müll erfunden hat und sich jetzt von Agenten verfolgt sieht. Sein Mikrofilm mit besagter Formel landet durch Umstände, die wir hier nicht näher erläutern wollen, im Hosenstall einer Lederhose, und so müssen sich die blonde Agentin Sally und diverse herumhampelnde Bayern durch die Beinkleider mehrerer Dorfbewohner hindurchwühlen. Herr Frank, woher kam die Inspiration für Ihre Geschichte?
Natürlich folgen allerlei – sagen wir einmal: – Begegnungen aus dieser Prämisse, und es hilft freilich auch, daß die jungen Frauen allesamt prinzipiell wenig von Kleidung halten, sich aber dafür unheimlich gerne unter das Kleid schauen lassen. Beim Schmieden eines Schlachtplanes stellt Agentin Sally nüchtern fest: „Nachdenken kann ich am besten beim Bumsen“, und konfrontiert natürlich sogleich ihren Partner mit Vorwürfen: „Es ist nur deiner Trägheit zu verdanken, daß mir noch nichts eingefallen ist“. Hilft ja nichts, da muß der junge Mann ran. Man könnte sich über das Frauenbild ärgern, aber dann könnte man sich auch gleich über das Männerbild ärgern – alle notgeil und völlig behämmert – und dann kann man’s eigentlich auch gleich wieder bleiben lassen, weil das hieße, diesen Unfug ernster zu nehmen, als er selbst das tut. Man kann ja auch nicht die niederen Instinkte und die soziologischen Studieninteressen gleichzeitig befriedigen.
In einer Nebenrolle ist übrigens Hans Terofal zu sehen, dem wir für DIE LÜMMEL VON DER ERSTEN BANK 5 ja schon eine Ehrenmedaille für starken Körpereinsatz und sportliche Haltung verliehen haben. Hier wird er ein paar Mal niedergeprügelt und einmal naß, und wir sind froh, daß er sich nicht auch noch auszieht. Sally wird vom Nacktsternchen Alena Penz gespielt, deren Filmographie vom einschlägigen Terrain nie losgekommen ist, und richtig oft nackt zeigt sich auch Eva Garden, die zuvor auch schon in die Klauen des Erotomanen Jess Franco gekommen war. Noch ausgiebiger nackt zeigt sich der plumpe Alexander Grill, worauf wir natürlich auch gerne verzichtet hätten – aber Humor ist bei uns Deutschen eben eine Angelegenheit, die sehr ernst genommen wird.
Genug „deutsche Kinoklassiker“ für heute. Wir bedanken uns beim Kollegen Schwarz, der zur Strafe jetzt seine Ridley-Scott-Reviewreihe starten muß. Das hat er jetzt davon.
Regie: F.J. Gottlieb
Drehbuch: Hubert Frank
Produktion: Lisa Film
Darsteller: Alexander Grill, Alena Penz, Hans Terofal, Eva Garden, Rinaldo Talamonti
Länge: 85 Minuten
FSK: 16
Dieser Film bietet Kurzweil. Ich werde oft über ihn nachdenken.