Man blickt ja gern in andere Länder und stellt fest, daß dort so richtig bescheuerte, völlig grenzwertige Komödien gemacht werden. Die Amerikaner produzieren einen beschränkten ACADEMY-PIE-Film nach dem anderen, die Italiener haben Alvaro Vitali, dem zuzusehen beinahe physisch schmerzhaft ist, und die Franzosen machen gänzlich heiterkeitsarme Filme, in deren Titeln die Worte „Pflaumen“ und „Kompanie“ in stochastisch variierenden Kombinationen verwendet werden. Aber, und da darf unser Nationalstolz auch ohne Fußball-WM durchaus aufblühen, im Produzieren behämmerten Klamauks lassen wir uns gar nichts vormachen. Beweisstück A, liebe Jury: SUNSHINE REGGAE AUF IBIZA, von der niveauunverdächtigen Lisa Film mit dem Knetgesicht Karl Dall in der Hauptrolle produziert.
Wo fängt man als kritischer Autor überhaupt an bei einem solchen Werk? Am besten von vorne: Karl Dall lebt als armer, trostlos vor sich hinkalauernder Bauer in Ostfriesland und hat bereits 58 Fanbriefe an den Schlagerstar Linda Lu geschrieben, die allesamt unbeantwortet blieben. Eines Tages – der Anstoß zur Heldenreise! – kriegt er eine Autogrammkarte mit Widmung zugeschickt und fährt ohne weiteres Zögern mit dem Fahrrad nach Ibiza, um seine Singschnulle ausfindig zu machen.
Die weitere Handlung gestaltet sich eher, hm, sparsam arrangiert, und wir sehen primär irgendwelchen Menschen auf Ibiza dabei zu, wie sie miteinander anbandeln. Da wäre der freche Freddy, gespielt vom Sohnemann von Udo Jürgens, der immer so aussieht, als müßte er dringend mal wieder essen, und der schmeißt sich an sehr viele Frauen auf einmal heran, von denen dann ein pubertierendes Mädchen quasi hängenbleibt. Erzählt wird auch die herzzerreißende Geschichte von Onkel Bernie, der herumgrantelnd außerhalb der Stadt wohnt und vor seinem Haus ein dreisprachiges Schild mit der Anweisung „Weiber verboten“ aufgestellt hat. Weil Onkel Bernie aber von einem vollbärtigen Chris Roberts gespielt wird, ahnen wir schon, daß da etwas passieren muß, und zum Glück hat Olivia Pascal sonst im Film nichts zu tun und bringt Roberts dazu, sich endlich mal zu rasieren. Immerhin ist der so verbittert, daß er den ganzen Film über nicht singt.
Ein bißchen lustig (in einer weit gedehnten Bedeutung des Begriffes) wird es natürlich auch zwischendurch, weil der Leiter des Hotels (das den schönen Namen „Blankenese“ trägt, welch pfiffiger Schmäh) von Gottlieb Wendehals gespielt wird, der als eifersüchtiger Ehemann den gesamten Film über hampelnd herumrennt und dabei immer ein Gesicht aufsetzt, als würde er gerade ein Huhn erwürgen. Die Frau wird glücklicherweise von Bea Fiedler gespielt, die vor vielen Jahren mal deutsches Playmate war und dementsprechend selten vor den Dreharbeiten in die Kostümabteilung geschickt wurde. Weil es der Aufregung nicht genug ist, finden wir noch heraus, daß dem trotteligen Karl, der immer noch seiner Linda hinterherläuft, ein Scheich wie ein Ei dem nächsten ähnlich sieht, was freilich als Auftakt zu einer ganzen Reihe von Verwechslungsscherzen dient. Als Höhepunkt darf sich der eine Karl mit der Scheichsfrau (Helga Feddersen!) herumschlagen, während der andere Karl von Hotelchef Wendehals verfolgt wird, der im Otto-Buch gelesen hat, daß man Halluzinationen mit dem kleinen Hammer auf den kleinen Zeh schlagen muß. Liest noch jemand zu?
Das liest sich ja alles schön albern, und einem dem gepflegten Blödsinn nicht abgeneigten Rezensenten schien der SUNSHINE REGGAE entsprechend idiotische Kurzweil zu bieten. Aber ach! Was wird viel Zeit aufgewandt, schönen und weniger schönen Menschen beim Herumstehen in der Kulisse zuzusehen! Irgendwo verliebt sich jemand, irgendwo wird jemand enttäuscht, und wenn nicht alle Frauen den gesamten Film über gerade aufdringlich nackt mit wippenden Brüsten mit ihren Dialogen kämpfen würden, käme man sich vor wie in einer Fotolovestory der Bravo. Für den Chris-Roberts-Subplot wird ein Synth-Kitsch in ewiger Wiederholung auf die Tonspur gepappt, und man ist jedesmal dankbar, wenn der völlig grenzdebile Karl Dall wieder auftaucht und einen schmerzhaften – nennen wir es mal: – Witz vom Stapel läßt.
TICKETVERKÄUFER: Was ist los mit Ihnen? Sie kaufen jetzt schon die dritte Eintrittskarte!
KARL DALL: Ja, der Typ am Eingang macht mir die dauernd kaputt.
SUNSHINE REGGAE AUF IBIZA war übrigens die letzte Regiearbeit von Franz Marischka, der hier unter Namen „Francois Petit“ (ja, ohne den Accent „ç“) operiert und die deutschen Filmfreunde schon mit Kulturgütern wie LIEBESGRÜSSE AUS DER LEDERHOSE, ZUM GASTHOF DER SPRITZIGEN MÄDCHEN oder DER MANN MIT DEM GOLDENEN PINSEL beglückte – Filme, die man nicht extra ansehen muß, bevor man weiß, ob sie gut sind. Karl Dall hat tapfer noch ein paar Filme lang probiert, seine Kinokarriere am Leben zu erhalten – wir kennen das Ende dieser Geschichte.
Schade eigentlich. Was hätte die Kombination „Karl Dall“, „infantiler Klamauk“ und „nackte Frauen“ doch für ein Potential gehabt.
Sunshine Reggae auf Ibiza (Deutschland 1983)
Regie: „Francois Petit“ (= Franz Marischka)
Drehbuch: Florian Burg
Produktion: Lisa Film
Darsteller Karl Dall, Olivia Pascal, Chris Roberts, Bea Fiedler, Gottlieb Wendehals, Helga Feddersen
Länge: 86 Minuten
FSK: 12
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