Es ist schön zu sehen, daß weder der Söldnerfilm noch Mariel Hemingway ausgestorben sind. Söldnerfilme hatten in den Achtziger Jahren Hochkonjunktur, und jeden Monat wieder saßen finstermienige Söldner in einem Dschungel ihrer Wahl, trainierten vor sich hin und warteten darauf, daß Chuck Norris oder Michael Dudikoff vorbeischauen würde, um das Camp dem Erdboden gleichzumachen. Nun sind wir ja davon ausgegangen, daß die Söldnerscharen zusammen mit den obengenannten Helden schon längst in Pension gegangen wären, aber da landet ein Film im Briefkasten, der neben dem Verbleib der harten Kerle auch gleich die Frage klärt, was zur Hölle Mariel Hemingway, einst Woody-Allen-Muse (MANHATTAN, 1979), eigentlich heute macht.
Allein der Titel ist eine besondere Erwähnung wert, tauchte er doch zuletzt in heiterer Runde bei der Suche nach bislang fortsetzungslosen Filmen auf: AIR FORCE TWO. Freilich handelt es sich beim vorliegenden Streifen um kein Sequel zu Wolfgang Petersens STIRB-LANGSAM-im-Präsidentenflugzeug-Kracher AIR FORCE ONE – im Original trägt die Nummer Zwei den ebenso unglaublichen Titel IN HER LINE OF FIRE, zu dem uns bei angestrengtem Nachdenken vielleicht auch ein Petersen-Film als Vorbild einfällt.
Haken wir die Story kurz ebensoschnell ab, wie der Film selbst das tut: Vizepräsident Walker ist mit der Air Force Two (aha!) irgendwo im Südpazifik unterwegs, als die Maschine in einem Unwetter beschädigt wird und abstürzt. Walker kann sich zusammen mit seiner Secret-Service-Leibwache (aha!) Delaney – Mariel Hemingway hat sich zum Rollenstudium wahrscheinlich DIE AKTE JANE angesehen – und zwei Reportern auf eine nahegelegene Insel retten. Einer der Reporter ist ein fülliger Pulitzer-Preisträger, die andere eine viel ansehnlichere Schwarzhaarige mit schöner Haut, und freilich bleibt es bis zuletzt spannend, wer von den beiden von den heranlaufenden Söldnern umgeschossen werden wird. Besagte Söldner sind durch den Absturz nämlich aus ihrem Videotheken-Schlaf erwacht und wollen nun gerne den Vizepräsidenten kidnappen, um ein stattliches Lösegeld zu erpressen.
Der genauere Handlungsablauf orientiert sich natürlich an den beliebten Pfeilern der Söldnerfilme: Es wird viel geschossen, viel gestorben, hier und da fliegt etwas in die Luft, ein hundsgemeiner Anführer darf mit leichter mentaler Instabilität finstere Drohungen aussprechen, und dazwischen laufen alle gebückt durch den Dschungel. Weil es mittlerweile modern ist, daß toughe Frauen die ganze Männerarbeit machen, darf Mariel Hemingway im beinahigen Alleingang ganze Heerscharen an feindlichen Söldnern unschädlich machen – eine Rollenumkehrung, die schon an so mancher Stelle als Emanzipationsbeitrag mißverstanden wurde, obwohl ja die Frauen hier nur als optische Aufwertung eines männerorientierten Genres dienen. Die Zielgruppe sieht zwischen großen Gewehren und schwitzenden Söldnern eben auch gerne fesche Frauen, und wie in einem Für-jeden-Geschmack-eine-andere-Porno darf Mann sich hier entweder für die maskuline, blonde, waffenschwingende Mariel Hemingway oder für die schutzbedürftigere Schneewitchen-mit-dem-roten-Top-Frau Jill Bennett begeistern.
Nach gründlichster Recherche nach Studentenmethode (d.h. fünf Minuten Google) offenbart sich ein interessanter Aspekt des Films, der uns Europäern leider vorenthalten wird: Die Romanze zwischen den beiden Frauen. Sowohl die harte Marine-Frau als auch die softe Reporterin sind lesbisch, und küssen sich im Verlauf der Handlung zweimal. Um den Streifen auch in „konservativeren Ländern“ verkaufen zu können, hat sich die Produktion entschieden, für den internationalen Markt die Kußszenen herauszuschneiden – pah, als würde es das männliche Vergnügen stören, zwischen dem ganzen Bleigewitter noch ein wenig den hübschen Mädels beim Küssen zuzusehen. Natürlich könnte man argumentieren, daß nichts, aber auch gar nichts in dem Film eine solche Kußszene (oder eine wie auch immer sonst geartete Romanze) rechtfertigen würde, weder dramaturgisch noch als Vertiefung der Figuren – aber wir wollen ja mal nicht kleinlich sein. Interessierte Parteien dürfen nun aus der Szene, in der Hemingway Bennetts Füße verarztet, homoerotischen Subtext herausdeuten – und wenn man einmal damit angefangen hat, findet man sicherlich auch in John-Wayne-Western entsprechendes Material.
Regisseur Brian Trenchard-Smith (verantwortlich für die Teile 3 und 4 der Warwick-Davis-braucht-dringend-Arbeit-Serie LEPRECHAUN) inszeniert flott und schnörkellos, und alles bewegt sich mit gutem Tempo voran. David Millbern, den man für die Rolle des brutalen Söldneranführers sicherlich aus einem Bruce-Willis-Lookalike-Contest heraus gecastet hat, hat sichtlich Spaß an der Sache, die abgesehen von ein paar ganz billigen CGI-Explosionen auch ganz proper aussieht. Es geht zwar um nichts, aber das muß es ja auch nicht immer.
Für AIR FORCE THREE wünschen wir uns übrigens mehr Frauen und einen Gastauftritt von Chuck Norris. Ansonsten bewerten wir nicht mehr so gnädig.
Air Force 2 (USA 2006)
Originaltitel: In Her Line of Fire / Air Force Two
Regie: Brian Trenchard-Smith
Buch: Anna Lorenzo
Produktion: ApolloProMovie
Darsteller: Mariel Hemingway, David Keith, Jill Bennett, David Millbern
Länge: 84 Minuten
FSK: 16
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