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Kampf um den verlorenen Planeten (1986)

In den luxuriösen Räumen der Dachboden-Redaktion herrscht andauernde Betriebsamkeit. Quasi Tag und Nacht sind die hochmotivierten Mitarbeiter daran, die Website auszubauen und neue Features zu implementieren. Besonders beliebtes Betätigungsfeld der Kosten und Mühen scheuenden Belegschaft ist die Einrichtung neuer Subkategorien, nach denen Filmen sortiert werden können. Brauchen wir schon die Schublade „Kannibalenfilm“? Wie stark ist der „U-Boot-Film“ im Kommen? Der unbeugsame Chefredakteur schlägt der hitzig diskutierenden Versammlung die Kategorie „Genzelfilm“ vor: Filme, die nur noch in Genzels Archiv zu finden sind. Die Angestellten applaudieren, wie sie es bei jeder Idee von ganz oben tun sollten.

KAMPF UM DEN VERLORENEN PLANETEN ist wahrscheinlich ein solcher Genzelfilm: Der 1986 entstandene Videotrash ist derart obskur, daß ihn wahrscheinlich nicht einmal die Mama des Regisseurs kennt. Der IMDB war der Film jahrelang unbekannt; mittlerweile ist er gelistet, aber der Eintrag bietet weniger Informationen, als ein kurzer Blick auf die Anfangscredits verschaffen würde. Der OFDB ist der Streifen komplett ungeläufig, aber er wurde eines einsamen Abends von Kabel1 von seiner dicken Staubschicht befreit und sogar mit Werbeblöcken ausgestrahlt.

Geschrieben und inszeniert wurde der Film vom FX-Mannen Brett Piper, dessen übrige Credits einen Hang zum Trivialen vermuten lassen: Regisseur von A NYMPHOID BARBARIAN IN DINOSAUR HELL, Cutter von KINKY KONG, Effektfuzzi bei BIKINI GIRLS ON DINOSAUR PLANET. Hauptdarsteller des vorliegenden Filmes ist ein Mensch mit dem schönen Namen Matt Mitler, dessen CV uns wissen läßt, daß er später Regisseur eines Films namens DICK AND JANE DROP ACID AND DIE wurde. An zweiter Stelle gelistet steht eine Schauspielerin mit dem noch schöneren Namen Denise Coward, über die wir nach kurzer Recherche erfahren, daß sie 1978 Miss Australien war. In der Tat: Ein vielversprechender Vorspann.

Dann geht ein alter Mann am Strand spazieren. Er wird ob eines halb im Wasser versunkenen Raumschiffes ein wenig nostalgisch und erinnert sich an die seligen Tage, als er die Welt rettete. So beginnt er seine Geschichte zu erzählen: „Es war vor einer langen Zeit in einer weit entfernten Galaxis … quatsch, das ist ja hier kein Kindermärchen.“ Fünfzig Jahre zurück, und aus dem alten Mann wird Matt Mitler – wäre Christian Slater Italiener gewesen, sähe er aus wie Matt Mitler – beziehungsweise der Industriespion Harry Trent, der so cool ist, daß er in der stockfinsteren Nacht eine Sonnenbrille trägt. Weil er ein wichtiges Band geklaut hat, wird er von zwei Wachmännern verfolgt, die sich uneinig darüber sind, ob sie das FBI verständigen oder ihn über den Haufen schießen sollen. Trent kann in eine Garage flüchten, in der ein startklares Raumschiff parkt – schlupp, und schon schwebt er durchs Weltall.

Von dort aus fallen ihm hunderte von Raumschiffen auf, die sich in Richtung Erde bewegen. Die Erdenbewohner lassen ein paar freundliche Worte ins All hinausfunken, aber die schweinegesichtigen Gestalten auf den fremden Raumschiffen drücken auf irgendwelche Knöpfe und schießen mit ein paar roten Lasern die ganze Erdoberfläche zu Klump. Wie schön, daß Harry im All sicher ist. Weniger schön, daß die Steuerung seines Raumschiffes beschädigt wurde, und er 5 Jahre, 3 Monate und 17 Tage warten muß, bis das Schiff in seiner Ellipsenbewegung wieder die Erde erreicht.

Während also der gute Harry seine Zeit an Bord des Raumschiffes mit Fitneßübungen, Herumstreiten mit dem Bordcomputer und Kritzeleien auf den Wänden (größtenteils Sauereien) verbringt, können wir ein wenig über die Effekte des Films sprechen. Ganz ohne Übertreibung stellen wir fest, daß das Budget von KAMPF UM DEN VERLORENEN PLANETEN ungefähr beim Preis einer normalen Kinokarte gelegen haben muß – mit Studentenrabatt. Da bewegen sich ein paar niedliche Modelle durchs All, irgendwas leuchtet, und die Rüsselmasken der Schweinemenschen reichen teilweise nicht einmal übers Kinn. Geradezu unglaublich der Angriff auf die Erde, bei dem in kleinen zweidimensionalen Papphochhäusern die Lichter ausgehen, aber mangelnde Motivation kann man Piper und seinen Jungs nicht unterstellen: Als Harrys Raumschiff am Merkur vorbeifliegt, sehen wir sogar ein verwundertes Spinnen-Alien, das in den Abendhimmel blickt.

Kaum hat Harry seine Zeit abgesessen – offenbar hat er sich die fünf Jahre lang anständig rasiert und immer die Haare geschnitten – bemerkt er ein weiteres Schiff in der Erdumlaufbahn. Auf besagtem Raumkreuzer können wir den Dialog zwischen zwei Offizieren verfolgen, die sich nicht einig werden, ob sie Harrys Auftauchen nun melden sollen oder doch versuchen könnten, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Weil ihnen die Entscheidung schwerfällt, sprengen sie sich sicherheitshalber selber in die Luft, und Harry landet in irgendwelchen Wäldern und Wiesen auf der guten alten Erde.

Nur wenige Schritte später wird er von herumstreunenden Mutanten angegriffen, aber glücklicherweise kommt Miss Australien auf einem Pferd angeritten und rettet ihn. Und weil das Ploterzählen ein wenig fad wird, machen wir’s kurz: Auf dem Band, das Harry seinerzeit geklaut hatte, befinden sich Informationen über die sagenhafte Neutro-Neunzig-Bombe, die man nur mit einem genetischen Code programmieren muß, damit sie eine ganze Rasse zum Dahinschmelzen bringen kann. Das könnte angesichts einer Schweinealien-Unterdrückung ja doch irgendwann ganz praktisch sein.

Während Harry und Miss Australien sich kleidungslos auf dem nächtlichen Waldboden vergnügen, werden sie von einer Art Riesenkäfer angegriffen, aber glücklicherweise kommen ein paar Förster des Weges geschlendert, die zur Rettung schreiten. Am nächsten Morgen raucht Harry mit dem schwarzbärtigen Oberförster irgendwelche Drogen aus der Pfeife und erfährt einiges über die kleine Kommune:

OBERFÖRSTER: Nach der Alieninvasion kamen viele Menschen zu uns in die Wälder gerannt, weil sie Schutz suchten.
HARRY TRENT: Und du hast sie aufgenommen und gerettet.
OBERFÖRSTER: Nein, ich hab‘ sie abgeknallt. Das ist mein Wald. Hier kann doch nicht jeder kommen.
HARRY TRENT: Aber du lebst doch hier mit anderen Leuten zusammen?
OBERFÖRSTER: Ja, da ist mir die Munition ausgegangen.
HARRY TRENT: Und warum hast du Dana und mich gerettet?
OBERFÖRSTER: Ihr saht so bescheuert aus, wie ihr da nackt auf dem Baum gehockt seid, da konnte ich euch nicht abknallen.

Angesichts so viel Menschlichkeit brechen Harry und sein Mädel Richtung Osten auf („Wir befinden uns 40 Meilen westlich von Richmond.“ – „Wo geht es dann nach Richmond?“ – „40 Meilen ostwärts, würde ich sagen“), werden aber schon bald von einem kleinen Haufen wilder Menschen attackiert, die nach MAD MAX 3 die Arbeitslosigkeit befürchteten. Ihr Anführer ist Mad Dog Kelly, der aussieht wie Sylvester Stallone und gesprochen wird von Thomas Danneberg, und Mad Dog ist cool genug, unserem Pärchen seine Behausung zu zeigen, wo Frauen noch leichtbekleidet und willig sein dürfen, während sich die Männer um das Gekloppe sorgen.

Jetzt wird’s aber mal Zeit! Mad Dog willigt – natürlich erst nach kurzem Kampf, den Harry und er eher unmotiviert antreten – ein, dem zukünfitgen Weltenretter zu helfen, in das Untergrundlabor der Firma zu gelangen, die die Neutro-Neunzig-Bombe hergestellt hat. Harry und Dana schleichen sich durch einen geheimen Eingang hinein (eine metergroße Öffnung im Berg, die Harry zu der Observation „sieht nicht sehr geheim aus“ veranlaßt), während Mad Dog Kelly mit seiner Punkbraut bis Dreitausend zählen, bevor sie auf die Wachen schießen. Zum Glück trifft der ganze Verein im Untergrundlabor einen weißbekittelten Wissenschaftler, der nach längerem Feuergefecht mit den Schweinealiens die berühmte Bombe zünden kann. Der Sieg des Guten ist eben nicht aufzuhalten.

Nun ist es also doch passiert: Wir haben die ganze Handlung rekapituliert. Dabei gibt es eigentlich gar keine Handlung, sondern nur ganz viele Szenen, die irgendwie die 90 Minuten füllen. Das Fadisieren im Weltall, der Kampf mit dem Riesenkäfer, das Herumgestreite in Mad Dogs Unterschlupf. Aber wer wird sich denn gleich beschweren? Die Sache ist durchweg unterhaltsam. Das liegt zum einen daran, daß die Macher den Film in keiner Weise ernst genommen haben – immer bleibt Platz für ein paar blöde Witze und einige noch blödere Kommentare. Zum anderen ist der Grund darin zu suchen, daß die Effekte zwar durchweg geizig sind, aber die ganzen ruckeligen Stop-Motion-Monster und horrend offensichtlichen Modelle einen ganz eigenen Charme besitzen. Geld gab es sichtbar keines, aber dafür einen beinahe kindlichen Enthusiasmus und einen augenzwinkernden Spaß am Blödsinn. Was will man mehr von einem Genzelfilm?

Kampf um den verlorenen Planeten (USA 1986)
Originaltitel: Galaxy Destroyer / Battle for the Lost Planet
Regie: Brett Piper
Drehbuch: Brett Piper
Produktion: Cinevest
Darsteller: Matt Mitler, Denise Coward, Joe Gentisi, Bill MacGlaughlin
Länge: 91 Minuten
FSK: 18

Dieser Text erschien zuerst am 14.01.07 bei mannbeisstfilm.de.

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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