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Freddie Mercury: Lover of Life, Singer of Songs (2006)

Die Doppel-DVD FREDDIE MERCURY: LOVER OF LIFE, SINGER OF SONGS bietet einen detaillierten Einblick in die Person des Queen-Sängers und in sein Solowerk.

Am 24. November 1991 starb Queen-Sänger Freddie Mercury an den Folgen seiner AIDS-Erkrankung – nur einen Tag, nachdem er die Öffentlichkeit über seinen Gesundheitszustand informiert hatte. Der Schock saß damals tief; Mercurys Tod war eines der Ereignisse, die AIDS ins Bewußtsein der Öffentlichkeit rückten. Fünfzehn Jahre danach bleibt es ein großer Verlust für die Musikwelt: Eine derart schillernde Persönlichkeit wie Freddie Mercury war einzigartig. Mercury war ein Paradiesvogel, ein stolzer Pfau, der in den unmöglichsten Kostümen über die Bühne marschierte. Er besaß eine unverkennbare, kraftvolle Stimme, komponierte scheinbar mühelos mehrere Welthits, war als Musiker ein spannender Eklektiker, und umarmte seine Welt mit einer Lebensfreude, der keine Grenzen gesetzt schienen. Vielleicht war Mercurys Tod deswegen auch so ein Schock: So energiegeladen und lebenshungrig er immer auftrat, schien es, als würde er ewig leben. Eine derartige Naturgewalt muß einfach weiter existieren.

2006 wäre Freddie 60 Jahre alt geworden. Neben einer Einfach- und Doppel-CD mit Querschnitten durch sein Solowerk sowie diversen Remixen und Neuauflagen – letztere, wie die meisten der posthumen Queen-Aktivitäten, mehr oder weniger musikalische Nekrophilie – erschien eine Doppel-DVD, die mit einer Doku sowie diversen Musikvideos und anderem Bonusmaterial aufwartet. Manches davon ist schon hier und dort erschienen, aber die genaue Aufdröselung der Veröffentlichungshistorie überlassen wir gerne anderen.

Das Herzstück der DVD ist die Dokumentation FREDDIE MERCURY: THE UNTOLD STORY, die die beiden Österreicher Rudi Dolezal und Hannes Rossacher – hauptsächlich als Musikvideo-Regisseure tätig – schon vor ein paar Jahren gedreht haben. Der Film beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Menschen Freddie Mercury, weniger mit dem Verlauf seiner Karriere, weshalb jeder, der eine Nachzeichnung der Queen-Geschichte sucht, sein Augenmerk definitiv in eine andere Richtung steuern sollte. THE UNTOLD STORY erzählt von Freddies Kindheit, seiner Schulzeit, seinen jungen Jahren in England, dem Zustandkommen von Queen, seiner Homosexualität und seinen Ausschweifungen, den Duettaufnahmen mit Montserrat Caballé, und seinem Tod.

Manches davon wurde für die Doku nachgestellt: Freddies Kindheit wird teils durch Archivphotos, teils durch Schauspieler an Originalschauplätzen gezeigt. Die Herangehensweise irritiert zunächst ein wenig – man überlegt gelegentlich, welcher Part denn nun echt ist und welcher nicht – aber sie fängt die Zeit wohl lebendiger ein, als es statische Bilder tun könnten. Mercurys Mutter und seine Schwester reden im Interview darüber, wie er aufgewachsen ist.

Spannend ist die Auseinandersetzung mit Mercurys Homosexualität: Seine damalige Lebensgefährtin Mary Austin erzählt, wie er nach Jahren des Zusammenlebens die Beziehung zu ihr beendete, und überraschenderweise aber in ihr dann eine starke Unterstützerin und Freundin fand, die ihn ermutigte, so zu leben, wie er wolle. Ebenfalls interessant sind die Interviews mit Tim Staffell – dem ehemaligen Sänger von Queen, der in den frühen Tagen der Band Freddie Platz machte, weil der extrovertierte, theatralische Mercury die richtige Besetzung für die musikalischen Interessen der Band war. Erstaunlich sind die Aufnahmen von Freddies Feier zu seinem 39. Geburtstag, die wie eine große Orgie in einem bizarren Theater anmutet: Transvestiten, Transsexuelle, grelle Kostüme, unglaubliche Ausschweifungen, und Mercury wie ein Wirbelwind in der Mitte. Ebenfalls im Interview zu sehen ist Montserrat Caballé, die mit großer Bewunderung und Zuneigung über Freddie und ihre Zusammenarbeit spricht. Tief traurig – wie zu erwarten – der letzte Part der Doku, in der es um Freddies Krankheit und seinen Tod geht.

Die Doku ist interessant und gut gemacht, dürfte aber nur Fans von Freddie Mercury tatsächlich fesseln. Mancherorts wird Freddie zur beinahe mythologischen Figur hochstilisiert, in anderen Parts sind die erzählten Informationen einfach zu banal, um den Außenstehenden wirklich zu interessieren – zumal der Film thematisch ja von der Karriere von Queen losgelöst ist, die man kennen muß, um die Relevanz einzelner Interviewpartner und Ereignisse einordnen zu können. Am spannendsten sind ein paar alte Clips aus Interviews mit Mercury selbst: Er wirkt – im positiven Sinne – wie ein Kind, das mit Neugier und einer gewissen Naivität die Welt erkundet. Man würde Freddie sicherlich nicht dabei erwischen, wie er tiefgründige Reflexionen über sein Werk abliefert.

Auf der zweiten DVD befinden sich sämtliche Musikvideos aus den Soloprojekten Freddies – die Hits „The Great Pretender“ und „Living on My Own“, Videos vom Cabbalé-Duett „Barcelona“, weiters „Made in Heaven“ und „I Was Born to Love You“, und mehr. Die Videos zeigen einmal mehr Freddies exaltierte Exzentrik, seine Freude am Kostümieren, am Bombast. Vieles kippt in die Richtung grandiosen Kitsches – vor allem die „Barcelona“-Oper-meets-Pop-Songs – aber in seiner ganzen Karriere hat Freddie immer alles mit voller Hingabe gemacht, ob nun Music-Hall-Songs, Funk, Rock, oder Fifties-Schmalz. Halbherzig sieht anders aus.

Ebenfalls auf der DVD zu finden sind Audiokommentare zur Doku und zu allen Musikvideos, sowie einige kleinere Featurettes – ein Making-of zur Doku, ein Interview mit Freddies Produzenten, sowie das letzte Interviewsegment, das er selber aufgenommen hat. Für Fans also genug Substanz, um sich weiter mit der Person Mercury und seinem Solowerk auseinandersetzen zu können. Für alle anderen sei ein voriger Flirt mit dem Werk von Queen empfohlen, das auch in Freddie Mercurys Leben die größte Rolle gespielt hat.

Wir vermissen ihn noch immer.

Dieser Text erschien zuerst am 29.1.2007 bei Fritz!/Salzburger Nachrichten.

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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