Da schreiben wir hier schon seit Jahren über unsere bunte (Film-)Welt, die da frei und ohne Sorge ist, und haben das opulente Oeuvre des Italieners Bruno Mattei noch gar nicht gewürdigt! Mattei, der gerne unter verschiedenen und fürchterlich offensichtlichen Pseudonymen operiert, ist der vielleicht heiterste aller B-Filmer seines Landes – die meisten seiner Gehversuche sind gnadenlos stolpernde und zusammengestöpselte Bastarde, die sich mit bemerksnwerter Chuzpe durch die Kinogeschichte plündern. Wir erinnern uns zum Beispiel an die Kinogranate DIE HÖLLE DER LEBENDEN TOTEN, Matteis Romero-Klau, der stinkelinkpief komplett zusammenhanglose (aber ausgiebigst dargebotene) Archivaufnahmen eines japanischen Dokumentarfilms verwendete, um dem Zuseher den Handlungsort Neu-Guinea zu verkaufen. Von der aus anderen Filmen entliehenen Musik wollen wir gar nicht anfangen.
Auch der vorliegende Film ist im Grunde genommen eine komplette Frechheit. Fädeln wir das mal ganz langsam auf: Er heißt im Original SHOCKING DARK, bei uns CONTAMINATOR, in Japan ALIENATORS – die Alternativtitel deuten schon auf die Inspirationsquellen hin – und wurde in seinem Herkunftsland auch unter dem gewagten Titel TERMINATOR II verkauft. Kein Witz. Natürlich ist letzterer Titel kompletter Unsinn, weil SHOCKING DARK gar nicht viel von James Camerons TERMINATOR klaut. Vielmehr klaut er weite Strecken von Camerons ALIENS.
Sigourney Weaver (links) und Carrie Henn. Glaube ich. |
Es gibt eine Handlung: In einer furchtbar originellen Zukunft ist Venedigs Oberfläche verseucht, und die Welt ist ganz fürchterlich und unbewohnbar geworden. Weil ein Team von Wissenschaftlern in den finsteren Gängen unter Venedig verschwindet – die überraschend trocken aussehen! – schickt ein steingesichtiger Oberkommandant die MegaForce in das Tunnelsystem. Angeführt wird die Einheit (angeblich Marines, in Wahrheit aber nur ein wüster Haufen Schwachköpfe) von Captain Dalton Bond, begleitet wird er von Frau Doktor Sarah Sonstirgendwas sowie dem Elf-Tages-Kriegsveteranen Samuel Fuller von der Tubular Corporation. Eine schlaue Bemerkung angesichts der Namen scheint an dieser Stelle angebracht zu sein, will sich aber nicht so recht zu Worten formen.
Der planlose Trupp überforderter Schauspieler hetzt also ein wenig durch Heizungskeller und alte Fabrikräume – jaja, Endzeit ohne Budget – und begegnet dort ganz grausamen Kreaturen, die unter Fiepen billiger Keyboards beständig angreifen. Irgendwann kriegen wir heraus, daß die Monster durch ein Mutationsgen geschaffen wurden, das durch die Luft verbreitet wird, aber leider verwandelt sich keiner der MegaForce-Knallchargen in eines der klebstoffbedeckten Gummimonster. Die werden übrigens meistens von wild rudernden Männern in Ganzkörperkostümen gespielt, weshalb man die Angreifer freilich sofort ins Herz schließt.
„Ich wußte gar nicht, daß James Cameron so gut Italienisch spricht.“ |
Das Zusammenspiel der Einzelteile dieses Spektakels ist perfekt: Die Darsteller verzerren die Gesichter, als würden sie schlechtes Schultheater spielen, aber zum Glück sind ihre Figuren auch derart blöd, daß unbesorgt Heiterkeit aufkommen kann. Schön mitanzusehen beispielsweise, wie Frau Doktor unter Mutantenangriff hilflos und vergeblich immer wieder einen Knopf drückt, um eine Tür aufzubekommen – bis ihr ein Mitglied der Soldatentruppe zubrüllt, sie solle den anderen Knopf daneben drücken! Auch hübsch: Nach Zusammenbruch des Funkkontakts erklärt ein Untergebener seinem am Funk sitzenden Vorgesetzten: „Jetzt ist auch noch der Funkkontakt zusammengebrochen, Sir“ – einer von den beiden ist ganz offenbar sehr beschränkt. Ein kleiner Knüller ist auch der folgende Dialog, den Captain Bond per Funk mit zweien seiner Soldaten führt:
PANISCHER SOLDAT #1: Sir, wir empfangen da etwas auf dem Sensor!!
CAPTAIN BOND: Jetzt mal keine Panik, Junge. Geben Sie mir ihren Partner.
PANISCHER SOLDAT #2: Sir, da schleicht etwas auf uns zu!!
CAPTAIN BOND: Sehen Sie zu, daß Sie schnellstens da raus kommen!! SOFORT!!!!
Wie eingangs schon angedeutet, zeugt das Skript – von Claudio Fragasso unter seinem üblichen, aber hier falschgeschriebenen Pseudonym „Clyde Anderson“ verfaßt (im Vorspann zu „Clayde“ mutiert) – von eingehendem Studium von Camerons ALIENS. Komplette Handlungsabläufe, Dialogzeilen und Figurenkonstellationen wurden aus dem Film übernommen – die Phrase „eins zu eins“ drängt sich auf, aber natürlich ist hier alles richtig billig und wacklig. Ripley, Verzeihung, Sarah findet unterwegs sogar ein kleines Mädchen namens Samantha, deren einziger Zweck daraus besteht, panisch Sarahs Namen zu rufen.
Na wäh. |
Nach und nach fallen die MegaForce-Männen den Mutanten zum Opfer, aber irgendwann müssen Fragasso und Mattei beim Ansehen von ALIENS eingeschlafen sein und sich dann – es war offenbar ein Double-Feature – mitten in TERMINATOR den Schlaf aus den Augen gerieben haben. Nachdem die Kommandozentrale der Tubular Corporation gefunden und das Mutationsgen identifiziert wurde, outet sich Samuel Fuller von der Tubular Corporation als Cyborg und will ab sofort jeden töten. „Warum haben Sie uns nicht früher getötet?“, fragt Sarah gar nicht so doof. „Weil der richtige Zeitpunkt noch nicht gekommen war“, antwortet Samuel Fuller von der Tubular Corporation, weil er selbst offenbar auch keine Ahnung hat.
Es wird dramatisch: Samuel Fuller von der Tubular Corporation drückt den roten Knopf zur Selbstzerstörung der Anlage in 10-20 Minuten (wer schaut schon auf die Uhr angesichts derart fesselnder Wendungen!), und dann wird Sarah – jetzt paßt der Name wenigstens! – von der finsteren Menschmaschine durch die Fabrikhalle gejagt. Das macht vor allem deshalb Laune, weil Samuel Fuller von der Tubular Corporation ab dem Zeitpunkt seines Coming-Outs als Cyborg anfängt, sehr mechanisch-steif und roboterhaft zu laufen. Vermutlich lautet eine seine Programmierungen „IF CyborgDetect = 1 THEN GOTO Rumhumpeln“ – und ja, er ist sicher nur in Basic programmiert, weil er sich sehr träge und unintelligent verhält.
Ta-tamm-tamm-ta-tamm! Ta-tamm-tamm-ta-tamm! Da da daaaa … |
Zum Glück finden Sarah und Newt – ach, egal – irgendwo in den Hallen der Tubular Corporation eine Zeitmaschine, mit der sie sich vor der bevorstehenden Explosion (bzw. den urplötzlich auf dem Boden auftauchenden Flammen) ins Venedig der Jetztzeit retten können. Leider sagt bei der Ankunft niemand „Ah, Venedig“, was aber auch daran liegen könnte, daß Samuel Fuller von der Tubular Corporation ebenfalls per Zeitmaschine gereist ist und seine Ankunft durch das gemeine Zertreten eines Spielzeugautos ankündigt. Nach ein wenig Gerenne durch die Gondelstadt landen alle in einer Sackgasse, aber Sarah wirft ihm ihren Taschenrechner (also, die Zeitsteuerungskonsole oder den Zeit-Raum-Biegungs-Mikrochipbehälter oder eventuell doch einfach nur den defekten Taschenrechner) zu, woraufhin Samuel Fuller von der Tubular Corporation in einem Blitzgewitter zerpulvert wird.
Sapperlot, angesichts der actiongeladenen Handlung hätten wir doch beinahe die Botschaft vergessen! Im Herzen der Kommandozentrale findet Sarah nämlich eine Videoaufzeichnung, in der erklärt wird, wie die Tubular Corporation Venedig vergiftet hat, um hinterher daraus Profit zu schlagen. „Wir Menschen müssen noch viel lernen,“ doziert Frau Doktor also zum Schluß, und wir freuen uns, daß bei dem ganzen schlecht gefilmten Geballer und Gekreische die Umwelt nicht ganz vergessen wurde.
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Originaltitel: Shocking Dark / Alienators / Terminator 2
Regie: „Vincent Dawn“ (= Bruno Mattei)
Drehbuch: „Clayde Anderson“ (= Claudio Fragasso)
Produktion: Flora Film
Kamera: Riccardo Grassetti
Schnitt: „J.B. Matthews“ (= Bruno Mattei)
Musik: Carlo Maria Cordio
Darsteller: Cristofer Ahrens, Haven Tyler, Geretta Giancarlo Field, „Tony Lombardo“ (= Fausto Lombardi), Mark Steinborn, Dominica Coulson
FSK: 18