Die seligen Achtziger, die Dekade der aus dem Boden sprießenden Videotheken und des ihre Regale füllenden Billigschrotts. Wöchentlich trudelten Dutzende von schnell heruntergekurbelten Filmchen ein, deren Budget das dieser Website locker unterbieten dürfte, und deren Videocover meist das Aufregendste am ganzen Film waren. Weil findige Verleiher feststellten, daß manche Titel offenbar besser ziehen als andere, wurden in beinahe stochastischer Kombinatorik beliebige Titel zusammengeschustert, die gleichsam Aufregung und Altvertrautes suggerieren sollten. Besondere Schlüsselwörter rund um die aus heutiger Sicht recht behäbigen amerikanisierten Martial-Arts-Filme blieben stets „Ninja“, „Tiger“, „Karate“, „American“, „Dudikoff“ sowie „Fighter“, „Kickboxer“ oder „Schwergewichtsweltmeister dritter Klasse im Feng Shui“. Irgendwie muß man das Fußvolk ja dazu kriegen, sich den Mist auszuleihen.
Das vorliegende Exponat KARATE TIGER 2 ist allein deshalb ein paar Absätze wert, weil es eigentlich gar keine Filmreihe namens KARATE TIGER gibt. Oder dann doch, obwohl die einzelnen Filme eigentlich gar nichts miteinander zu tun haben. Mal von vorne: 1985 kam ein billiger Film namens KARATE TIGER in die Videotheken, der der Welt einen belgischen Muskelmann namens Jean-Claude Van Damme bescherte. Der Film, der im Original NO RETREAT, NO SURRENDER heißt, war erfolgreich genug, daß Produzent Ng See Yuen ein Sequel hinterherschieben sollte. Während die Handlung mit dem Erstling rein gar nichts zu tun hat, hätten doch Van Damme und der Hauptdarsteller des vorigen Films, Kurt McKinney, wieder als Gegenspieler mitgewirkt. Van Damme hat allerdings nachgedacht (wer hätte gedacht, daß diese Worte einmal geäußert würden) und befand, eine Fortsetzung würde seine Karriere nicht fördern. Kurzerhand sprang er ab und überzeugte McKinney, ihm zu folgen. Ohne Darsteller des ersten Teils und fortlaufende Handlung kam also NO RETREAT NO SURRENDER 2: RAGING THUNDER, beziehungsweise eben KARATE TIGER 2.
So weit, so überschaubar. Loren Avedon, der Hauptdarsteller von Nummer Zwei, unterschrieb gut gelaunt einen Vertrag über drei Fortsetzungen, die – jetzt war’s ja auch schon egal – überhaupt nichts mit den anderen Filmen zu tun haben würden. Van Damme drehte derweil einen Streifen namens KICKBOXER, den der deutsche Verleih relativ ungeniert als KARATE TIGER 3 – DER KICKBOXER unters Volk warf. Als nun NO RETREAT, NO SURRENDER 3 mit dem Untertitel BLOOD BROTHERS erschien, entstand nach und nach ein wundervolles Durcheinander, dessen Entwirrung dem geneigten Rezensenten einen Platz in der nächsten Quizshow sichern dürfte: Teil 3 kam hierzulande als KICK BOXER 2 – BLUTSBRÜDER auf den Markt, wurde anderswo aber freilich noch als KARATE TIGER 3 gehandelt. Die Fortsetzung von Van Dammes KICKBOXER wurde hierzuladen ebenfalls als KICKBOXER 2 veröffentlicht, mit dem Untertitel DER CHAMP KEHRT ZURÜCK.
Lassen wir das, die Handlung nachzuerzählen ist einerseits zu mühsam und andererseits total überflüssig. Lassen wir den gefesselten Zuseher doch schlicht in dem Wissen, daß Scott sich Unterstützung eines weiteren Amerikaners namens Mac und einer jungen Cynthia Rothrock holt, nach Kambodscha ins Dschungelcamp fliegt und dort ordentlich austeilt. Ab der Hälfte des Films treffen wir auch den finsteren Obergeneral, dessen Name sich nicht wirklich festgesetzt hat, der aber vom deutschen Hünen Matthias Hues (in seinem Leinwanddebüt) gespielt wird. Hues sieht exakt so aus wie ein Endgegner in einem Videospiel und hat seine DOUBLE-DRAGON-Recherchen sicherlich sehr oft unterbrochen, um böse Grimassen vor dem Spiegel zu üben. Bei den Sequenzen, wo er schauspielerisch überfordert war, hat man eventuell aber auch sein Gesicht schräg gegen eine unsichtbare Glasscheibe gepreßt – den Unterschied merkt keiner. Den Humoristen in mir freut es, daß auch Hues noch so richtig lachen kann, weil heutige Bösewichter einfach immer als sehr freudlose Menschen dargestellt werden.
Karate Tiger 2 (Hongkong/USA 1988)
Originaltitel: No Retreat, No Surrender 2: Raging Thunder
Regie: Corey Yuen
Produktion: Seasonal Film Corporation
Darsteller: Loren Avedon, Max Thayer, Cynthia Rothrock, Matthias Hues
Länge: 90 Minuten
FSK: 16
Dieser Text erschien zuerst am 20.11.2006 bei mannbeisstfilm.de.
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