Nur das Beste
Die Compilation THE BEST OF DEPECHE MODE, VOLUME 1 nimmt sich vor, die komplette Bandgeschichte auf eine CD zu packen.
Wenn man Best-of-Alben kauft, kommt man in die Hölle. Ehrlich. Die munter zusammengekrokelten Neukombinationen aus Altbekanntem öffnen direkt das Tor zu Luzifers finsterem Reich. Womöglich wird nun die Frage nach Ausnahmen laut, die lieblos zusammengeschusterte Ramschkisten-Compilations von Musikern, die sich gar nicht mehr wehren können, von sorgsam ausgeführten Werkschauen unterscheiden – aber wenn mal einmal mit Ausnahmen anfängt, zieht man bald gar keine moralischen Grenzen mehr. Ergo bringen uns weder „rare und unveröffentlichte“ Tracks auf solchen Querbeet-CDs noch sonstige angebliche Geschenke wie Videos und Kochrezepte dazu, obigen Grundsatz abzuschwächen: Die wollen uns doch nur das Geld aus der Tasche ziehen.
Eigentlich könnten wir mit der Kritik hier und jetzt aufhören, aber es soll ja Menschen geben, die keinerlei theologische, ästhetische oder monetäre Befangenheit zeigen und modische Best-ofs gerne in Blickweite etwaiger Gäste auf die Kaffeetische legen. Sprechen wir also ein wenig über das vorliegende Exponat, das mit dem Titel THE BEST OF, VOLUME 1 eine gewisse Unvollständigkeit suggeriert (wobei die Band die angefangene Nummerierung ohnehin nur als bedeutungslosen – quasi: – Witz versteht). Wie quetscht man nun 26 Jahre Bandgeschichte mit einem Dutzend veröffentlichter Alben in nur 74 Minuten Spielzeit? Easy: Einfach durchzappen.
Und das funktioniert erstaunlich gut – die Zusammenstellung springt munter von den Anfängen ins Jetzt, zurück zu kleineren Hits, vorwärts zu den großen Welterfolgen, chronologisch völlig ruhelos und doch klanglich ganz sinnvoll aneinandergereiht. Das funktioniert nicht zuletzt auch deshalb, weil der Sound der Gruppe sich durch die Jahre zwar entwickelt hat, aber doch stets homogen blieb, immer um den leicht monotonen Singsang von Dave Gahan kreisend.
Während also die Hits abgefeiert werden, die sich längst im kollektiven Unterbewußtsein eingegraben haben und ja durch diverse Cover-Permutationen stets am Leben erhalten wurden, zeichnen die liebevoll geschriebenen Liner Notes die Bandgeschichte nach. Rückblickend betrachtet war natürlich immer alles ganz klar und sehr großartig, auch wenn Anfang der 80er die Gruppe einfach eine unter vielen New Romantics-Acts war. Das Melancholische, Theatralische, Sehnsüchtige und doch ganz Unterkühlte teilen sie mit ihren Zeitgenossen Ultravox, Joy Division, Icehouse, Japan. Aber Depeche Mode sind die Überlebenden dieser Art-Pop-Bewegung: Wo sich andere Bands auflösten, ganz neue Wege beschritten oder schlichtweg in die Redundanz manövrierten, blieben Depeche Mode unbeirrt auf Kurs, immer tiefer durch ihre eigene Sogwirkung gelenkt. Warum die Gruppe den Erfolg beibehalten konnte, weiß freilich auch der Autor der Liner Notes nicht.
Reden wir noch ganz kurz über die Hölle. Die Zusammenstellung gibt es in zwei Versionen zu kaufen: Eine etwas günstigere, auf der 17 Hits und ein neuer Song („Martyr“, auch als Single erhältlich) zu finden sind, und eine teurere, die mit einer DVD bestückt ist, auf der viele Musikvideos der Band sowie weitere Videoclips zu finden sind. Weil die Zusammenstellung ästhetisch gelungen ist, verringert sich die Aufenthaltsdauer in die Hölle minimal, und durch den Erwerb der DVD-Edition – wenn schon, denn schon – wird wohl ein gutes Wort eingelegt, damit man dort nicht gleich die qualvollste Aufgabe zugeteilt bekommt. Aber, so sehr wir es wollen würden: Keine Ausnahmen. Die Hölle bleibt.
Dieser Text erschien zuerst am 22.11.2006 bei Fritz!/Salzburger Nachrichten.
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