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Genzel erinnert sich ans Jahr 2005, Teil 2!

Zeit für den zweiten Teil unseres Jahresrückblicks: Was waren wohl die besten, größten, lautesten, schneidigsten & geschmeidigsten Filme 2005? Nachdem ich ja mitunter drei Filme pro Tag schaue, ist es eher schwer, den Überblick zu behalten, aber ein paar davon sind natürlich im Gedächtnis geblieben. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

SCHLAFLOS. Na klar! Wäre ja auch schade, wenn mir mein eigener Film dieses Jahr nicht wichtig gewesen wäre. Mit mehreren Monaten Vorbereitung, 10 Drehtagen, vielen angenehmen Erinnerungen und einigen eher unangenehmen Lernerfahrungen (die allesamt erst nach dem Dreh kamen) hat der Film einfach 2005 einen so großen Teil meines Lebens ausgemacht, daß ich beim Gedanken an das vergangene Jahr natürlich immer wieder an das (noch nicht fertig geschnittene) Werk denke. Ich freue mich sehr, daß ich diesen Film machen konnte, und freue mich auch darüber, daß ich diese Erfahrung mit vielen sehr begabten und sehr enthusiastischen Menschen (ganz zu schweigen von ein paar sehr guten Freunden) teilen konnte.

BATMAN BEGINS. Eindeutig der Film des Jahres. Wo mich 2004 noch der leise, wunderschöne LOST IN TRANSLATION 6x in die Kinos lockte, war’s 2005 wohl eher mal großes Blockbuster-Kino, das mich restlos begeisterte. Allein ästhetisch gesehen ist BATMAN BEGINS eine umwerfende Erfahrung, von den starken Bildern über die mit Leben vibrierenden Stimmen, vom düsteren Orchesterscore zum stimmigen Design. Regisseur Christopher Nolan weiß nicht nur sein fantastisches Ensemble von Charakterdarstellern – Christian Bale! Cillian Murphy! Michael Caine! Morgan Freeman! sogar Rutger Hauer! – gemäß ihrem Talent einzusetzen (sprich: er gibt ihnen viel Raum, ihre starke Präsenz wirken zu lassen), sondern weiß auch eine psychologisch stimmige Geschichte mit der nötigen Ruhe und Bodenständigkeit zu erzählen.

THE MACHINIST. Wo wir gerade bei Christian Bale sind: Hier sieht man das method acting to end all method acting. Es ist unheimlich, wie sehr sich Bale hereingesteigert hat, diese Figur glaubwürdig darzustellen – und wie es das Glück (und wohl sein Gespür) so will, ist der Film drumherum auch ein ungemein fesselndes Portrait eines Menschen, den eine tonnenschwere Schuld langsam aufreibt. Der Film schleicht, tut weh, geht an die Substanz. Großes Kino.

BROKEN FLOWERS. Bill Murray macht ja eigentlich gar nichts. Er bewegt sich nicht, er verzieht kein Gesicht. Und dabei bleibt er immer interessant anzusehen. Jarmuschs jüngster Streich ist natürlich eine sehr, sehr langsame Geschichte – das überrascht aber doch eigentlich auch nur die Menschen (und vor allem Kritiker), die sich mit seinem bisherigen Oeuvre noch nicht beschäftigt haben. Aber wieder ist seine Welt mit schrägen, lebensnahen Figuren bevölkert, und die großen und kleinen Probleme des Alltags werden mit gleicher Gewichtung und ganz leisem Augenzwinkern betrachtet. Und Murray bleibt stoisch wie eine Riesenschildkröte. Bis zum Schluß. Dann rennt er los, die Kamera wirbelt um ihn herum, und das letzte, was wir hören, ist das Tuten eines Zuges. Aufbruchsstimmung.

DIE SELBSTFILM-TRILOGIE. Gut, lassen wir doch mal die ganzen großartigen Filme beiseite und geben ganz offen zu, daß wir letztes Jahr mit dem Rumgefilme von Jörg Zimmermann mehr Zeit verbracht haben als mit dem Studium der großen Meister. Woran liegt’s? Natürlich sind Jörgs Filme einfach so grottenschlecht, daß der Unterhaltungswert den der Bruce-Li-Kloppereien (die ja 2005 auch einige Aufmerksamkeit meinerseits bekommen haben) locker überbietet – und das nicht nur, weil Jörgs Trash nach fünf Minuten durchgestanden ist. Aber ist es nicht vielmehr so, daß uns der Kerl so fasziniert, weil er uns abwechselnd leidtut, amüsiert, zu ungläubigem Staunen anregt, zu eigenem Blödsinn anregt, und dann wieder leidtut? Ich behaupte jetzt einfach mal, daß Jörgs Filme (und seine Person an sich) ein Blick in eine Welt darstellen, von der wir immer noch nicht glauben können, daß es sie überhaupt gibt.

Gut, und was war wohl der schlechteste Film 2005? Na, das ist doch ganz einfach. „George, do you really think that the 16937 animated starships in this scene are really necessary?“ – „Umm … what is a scene …?“ EPISODE III – das beste Argument gegen das digitale Kino.

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    2 Comments

    1. Hmm; also BROKEN FLOWERS ist definitiv auch in meiner Hitlist vertreten (obwohl mir der tiefere Sinn,falls es einen gibt, bis heute noch nicht aufgegangen ist). Ansonsten könnte ich da noch ELIZABETHTOWN, A HISTORY OF VIOLENCE und HARRY POTTER AND THE GOBLET OF FIRE anführen.

      Warum?

      E-Town, weil wir Kirsten Dunst einfach für ihre Rolle als einfach/verrücktes Mädel lieben und die Geschichte + Soundtrack einfach spitze sind!
      A History of Violence, weil wir schon lange keinen so coolen William Hurt und derart echt aussehende und klingende Nasenbeinbrüche mehr gesehen haben.
      Und Harry P., weil wir daran erinnert wurden, wie gnadenlos dramatisch die Pubertät (Mädchen werden gruslig, wenn sie älter werden! so Ron Weasly) einem doch einfährt.

    2. also, beim schlechtesten film sind wir ja d’accord. und bevor ich mich jetzt gleich wieder aufreg – auf meiner bestenliste gehören da ja auch ELIZABETHTOWN drauf und GARDEN STATE obwohl der bald zeitlos wird bei mir, weil er immer igendwo auftaucht. und die 2 Überraschungen 2005: SHOPGIRL und HONKY TONK MAN.

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