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„Nein, so was.“

„Alles ist verloren.“ Das hat heute morgen der Death Knight gesprochen, als ich in zu seinen Ahnen geschickt habe. Flugs den Speer des Schicksals ergriffen, den Todesengel beseitigt und mir verdientermaßen das Ende von SPEAR OF DESTINY angesehen.

SPEAR OF DESTINY ist quasi ein Nachfolger zu WOLFENSTEIN 3D – der Mutter aller 3D-Shooter, wo man aus Sicht der Spielfigur durch dunkle Gänge hetzt und reihenweise Viecher erledigt. WOLFENSTEIN 3D hatte damals nicht nur wegen der sagenhaften Technik für Furore gesorgt, sondern auch aufgrund der Tatsache, daß man als alliierter Soldat B.J. Blazkowicz durch ein Nazischloß hetzt und dabei nicht nur Dutzende von SS-Offizieren und anderem Gesocks niederschießt, sondern auch Hitler-Portraits bestaunen und das Horst-Wessel-Lied mitsummen kann. Neue Technik + spannendes Spiel + viel schlechter Geschmack = viel Aufmerksamkeit.

Der Nachfolger war eigentlich kein richtiges Sequel, sondern nur ein Set mit 20 neuen Levels und ein paar neuen Grafiken und Endgegnern. Die Story: Man soll Hitler den Speer des Schicksals entreißen, welcher der Legende nach seinen Träger unbesiegbar machen soll. So einfach ist das. Offenbar glauben die Alliierten ebenso wie Hitler an die Macht des Speers, sonst wäre es wohl nicht so wichtig, besagtes Artefakt in die Finger zu bekommen, aber vielleicht ist man auch einfach lieber kurzfristig ein leichtgläubiger Trottel als langfristig ein Kriegsverlierer. Egal: Auf ins Castle Nuremberg, wo Hunderte von Soldaten nur darauf warten, niedergeschossen zu werden.

Tja, und das habe ich die letzten Wochen auf Death Incarnate gespielt, der höchsten Schwierigkeitsstufe, und heute morgen war’s vorbei. Der letzte Level mit dem Death Knight hat mich viel Nerven gekostet – nicht nur, daß der Bursche immens zäh ist („you may be playing on Death Incarnate, but with two chainguns and two missile launchers, this guy is Death Incarnate!“, verrät uns das Handbuch), er hat auch mindestens zweiundneunzigtausendsiebenhundertschwupptrillonen Henchmen um sich versammelt, darunter viele der von mir so verhaßten Zombie-Soldaten – Ergebnisse der Mutationsexperimente des bösen Dr. Schabbs, dessen Ubermutant ich schon zwei Level weiter unten gerade mal so erledigt hatte. „Tod ist mein Leben“, sagt der Death Knight, wenn er einen sieht, und das glaube ich ihm sofort.

Überhaupt ist die Sprachausgabe immer sehr witzig: „Mein Leben!“, haucht jeder umgeschossene SS-Mann, „Ach so!“ sagt Endgegner Barnacle Wilhelm. Da hat wohl jemand ein deutsches Phrasenbuch auf dem Flohmarkt erstanden. Der erste Endgegner trägt den wundervollen Namen Trans Grosse (Bruder von Hans Grosse und Greta Grosse, die schon im Original umgeballert wurden) – das ist wohl ein falsch übersetztes „Oversize“. Trans sagt übrigens „es ist schade“, wenn er stirbt. Nicht doch. Die Sprachfetzen überbieten leider nicht den Text von Adolf himself, den man im Original auch noch wegschießen durfte: „Die, Allied Schweinehund“, hieß es zur Begrüßung – „Eva, auf Wiedersehen“ dann beim Todesröcheln. Kein Wunder, daß das Spiel in Deutschland nicht nur indiziert, sondern gleich beschlagnahmt wurde.

Nun habe ich zwar auf Death Incarnate gespielt, aber leider trotzdem den zweiten Geheimlevel nicht gefunden, und somit habe ich auch wieder nicht 100% des Spiels gesehen. Da muß ich wohl beizeiten wieder ins Schloß …

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    1 Comment

    1. Der Speer des Strickschals ist wahrscheinlich so etwas wie der schleimige Aal, heilige Stahl, geheilte Wal, geweihte Schal, beheizte Saal, oder wie auch immer dieser Garant ewigen Klebens heizt. Hinter dem waren die Nazis in Indy 3 her.

      Dein tatkräftiger Beitrag zur Entnazifizierung des Schlosses zu Nuremberg soll dir zur Ehre gereichen.

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