„He may be dead, but he’s still our lead actor.“
Um mich auf die Shaolin-Kracher vorzubereiten, die mir der weise Obi-Wan als Lektion mit auf meinen Weg gegeben hat, habe ich gestern einen geradezu wahnwitzigen Kung-Fu-Streifen begutachtet, der da den Namen DER LETZTE KAMPF DER TODESKRALLE trägt. In der Hauptrolle: Bruce Lee. Und zwar der echte. Ein kurzer Blick auf das Entstehungsjahr mag uns verwundern, stellt sich doch die Frage, wie der 1973 gestorbene (räusper) Schauspieler in einem Film von 1981 herumhüpfen kann, ohne Fäulnis und tödliche Langeweile zu verbreiten. Ist es vielleicht Li? Lei? Le? Nein, liebe Freunde der onthologischen Problemfälle, es ist Lee himself, beziehungsweise Archivmaterial, das für die Resteverwertung MEIN LETZTER KAMPF nicht verwendet wurde. Schon der letztgenannte Film – im Original GAME OF DEATH – besteht aus solchem Rumfort-Material (mit „Rumfort“ werden Spezialitäten bezeichnet, die rumliegen und fort müssen), der vorliegende LETZTE KAMPF DER TODESKRALLE heißt dementsprechend GAME OF DEATH II und verwurschtelt auch noch das letzte bißchen Zelluloid, auf dem Bruce zu sehen ist.
Gereicht hat’s leider nicht ganz für einen Spielfilm, und drum stirbt Bruce denn auch nach 40 Minuten, und sein Bruder darf ihn rächen. Aber wir wollen ja nicht zu eilig erzählen. Zu Beginn nämlich lernen wir Bruce-Zombie Billy Lo kennen, der zusammen mit seinem Kumpel Chin Ku auf dem Sportplatz herumalbert. Irgendein Herausforderer kommt, und Chin Ku ist so cool, daß er mit voller Teetasse kämpft und beim Herumprügeln genüßlich seine Kräutermischung nippt. „Ich wurde ja auch mal herausgefordert“ – mit diesen Worten gibt Billy auch einen Schwank zum Besten, in dem er mit einem Koreaner in einem Gewächshaus nicht nur Blumentöpfe zertrümmert hat. Ach ja, die guten alten Zeiten.
Bevor aber eventuell vor lauter nostalgischer Rührung über vergangene Kämpfe „Photograph“ von Nickelback auf dem Soundtrack ertönen könnte, sehen wir einen gelbgewandeten Meister, der mit seinen Schülern trainiert, als eine Figur am Horizont auftaucht. „Es ist ein Freund. Es ist Billy Lo. Er hat uns lange nicht besucht“, sagt Dotterkleid, ohne den Mund zu bewegen, damit man dem Archivmaterial auch ein bißchen Information hinzufügen kann. Billy und Meister Gelb wandern geruhsam durch den chinesischen Wald, und letzterer bringt seinem Lieblingsschüler auch gleich noch etwas bei: „Du bist jetzt unbesiegbar. Aber du mußt vorsichtig sein.“ Billy nickt ernst. „Ich werde deinen Rat befolgen.“
Und wieder gibt’s eine Reise in die Erinnerung: Die beiden denken an Billys kleinen Bruder Bobby (die Brüder Danny, Kenny und Benny bleiben unerwähnt), der sich lieber sorgsam gezeichnete pornografische Schriften ansieht, anstatt Kung Fu zu üben. Ach, der wird schon noch. Wir sehen – eine Einblendung informiert uns freundlicherweise über das Material – „Bruce Lee at the age of 6“: sehr klein und schon ein Chinese, und er hat natürlich nur Unfug im Kopf. Dann folgt „Bruce Lee at the age of 15“ und natürlich „7 Uhr – Raus aus den Bett“ … halt, das stand in einem anderen spannenden Film.
Beim gemütlichen Frühstück fällt Billys Blick dann auf eine Zeitung: Chen Cool ist tot. „Er war doch noch so jung“, überlegt Billy und wittert foul play. Bei der aufwendig inszenierten Totenwache seines Freundes läßt man ihn nicht an den Sarg heran. Er zieht ein wenig durch die Stadt, verprügelt einige sinnlose Schlägertypen, trifft Chen Kus Tochter, die völlig asynchron die Lippen zu einem Kantopop-Kracher in einem versifften Nachtlokal bewegt. Die gibt Billy ein Videotape, das er sich aber nicht ansehen kann, weil wieder total sinnlose Menschen in Weiß herumschlägern, und dann ist’s ja auch schon Zeit für die Beerdigung seines Kumpels, wo ein Hubschrauber den mit einem Hakenkreuz versehenen Sarg klaut. (Ich denke mir das übrigens nicht aus.) Der lästige Billy, der sich an den Sarg klammert, wird von einem Scharfschützen erledigt und stürzt zu Tode.
So, und schon nach 40 Minuten kann endlich die richtige Story beginnen. Bruce, Billy, oder wie er halt gerade heißt, ist tot, und so darf sein Bruder Bobby Lo (richtig, der mit den Pornoheften) ans Werk. Der schaut sich flott das Videotape an, wo er Chen Ku in einem sogenannten Todestempel sieht, den er freilich sofort inspizieren muß. Der Besitzer des Tempels entpuppt sich als wildwuchernder Vollbart mit einem Herrn namens Lewis dran, und der macht mit Bobby gleich eine Führung durch sein Domizil: Herumtigernde Löwen (und umgekehrt) spazieren da durch den Park, stets auf der Suche nach Menschenfleisch. „An die verfüttere ich die Kerle, die mich herausfordern,“ lacht Lewis und zeigt Bobby auch gleich seine dressierten Kampfpfauen. Bobby ist ehrlich beeindruckt. Bevor uns jetzt der alte Grzimek aber noch etwaige Kamikazeschnecken zeigt, kommt sein einarmiger Butler angetrabt: „Die zwei Yuen-Brüder wollen euch herausfordern, Meister“. Zwei total sinnlose Typen kommen angekasperlt, lassen sich kurz den Friedhof für Herausforderer zeigen und werden prompt von Lewis kaputtgekloppt.
Nachts wird Bobby von einem maskierten Kerl angegriffen, der sich aus dem Staub macht, als Bobby ihm die Maske herunterreißt. Beim Frühstück mit Lewis äußert Bobby dann schwerste Bedenken: „Ich glaube, jemand will Euch umbringen.“ Lewis, dessen Frühstück neben blutigem Wildbret auch ein frisches Glas Wildblut besteht, lacht nur. Und wird prompt in der kommenden Nacht von einem Attentäter aufgehängt und erstochen – da geht jemand auf Nummer Sicher. Bobby wird einstweilen von einer nackten und völlig überschminkten Frau namens Angel besucht, die ihn verführen will. Der Lovesong für Bobby Lo dauert aber nicht lange, weil Angel einen auf Lotte Lenya macht und einen Giftstachel im Ring versteckt hat. Bobby wirft sie beiseite und hat dann alle Hände voll mit dem Löwen zu tun, der plötzlich durchs Fenster springt. Den Kung-Fu-Kampf mit dem Kerl im Löwenkostüm muß man gesehen haben, um ihn zu glauben.
Wer steckt wohl hinter den Freveltaten? Bobby verdächtigt den einarmigen Drummer … Entschuldigung: Butler, der ihn nach kurzem Kampf (bei dem sich herausstellt, daß der Kerl einfach nur seinen zweiten Arm im Ärmel versteckt hat – welch gerissener Trick!) zum wirklichen Todestempel führt, der im Untergrund versteckt ist.
An dieser Stelle macht die bislang so stringente und schnörkellose Handlung minutenlangen Kämpfen mit sinnlosen Henchmen Platz, die in Moonraker-Glizeranzügen herumlaufen, sich aber leider keine Schußwaffen leisten konnten. Bobby knüppelt einfach alles nieder, was sich bewegt, und es erinnert ein wenig an alte C64-Spiele, wo in jedem Level einfach mehr Gegner und größere Endgegner lauern.
Selbst eine gemeine Laserfalle kann Bobby aber nicht aufhalten – er hangelt sich einfach mit einem improvisierten Enterhaken durch die Luft – und schon steht er dem Sänger von Endo gegenüber, der als Mönch getarnt mit schwerem Gerät auf ihn losgeht und einen Endkampf liefert, der sich gewaschen hat. Irgendwann krachen die Knochen, und das Podest im Raum, auf dem Chen Kus Sarg steht, dreht sich herum, und dahinter hockt … wer weiß es? Wer weiß es? Irgendjemand? Wer weiß es? … Chen Ku himself, der uns erzählt, wie er vor drei Monaten in den Drogenhandel eingestiegen ist und deswegen den aufrechten Freund Billy beseitigen lassen mußte. Wieder wird gekämpft, noch länger diesmal, und Chen Ku ist wirklich fit. Aber auch seine Tödliche-Schwert-Taktik, die mit einem Stock durchgeführt wird, kann Bobby nicht bezwingen, und plötzlich springt der Mönch wieder auf und wird aus Versehen von Ku niedergestochen. Krach, Knack, Hi-ya, Urrrgh, Flitz-Flatz, Schwupp. Ihr erahnt den Ausgang des Films sicher schon.
Hurra, das war ein Schnipselwerk sondergleichen. Um irgendwie Bruce Lee in die Handlung zu integrieren, wird eben einfach 40 Minuten Blödsinn erzählt, bevor es an die richtige Story geht. Weil für die ersten 40 Minuten auch nicht ausreichend Archivmaterial vorhanden war, sieht man „Bruce“ meist mit dem Rücken zur Kamera oder in einer Total-Totalen. Geredet wird grundsätzlich, wenn man den Redner nicht sieht, und die Stand-Ins, die für die Szenen engagiert wurden, tragen mitunter nicht mal Klamotten in der richtigen Farbe. Was im zweiten Teil dann abgeht, ist viel besser, und man kann die Kampfchoreographie von Yuen Woo-Ping (der später MATRIX und KILL BILL betreut hat) durchaus gut finden. Haarsträubende Einfälle gibt es aber zuhauf, ebenso wie Rückblenden an Ereignisse, die nicht Bobby, sondern Billy erlebt hat, Flashbacks, die uns einfach die letzten 5 Minuten des Films nochmal erzählen, und völlig sinnlose Dialoge. Bruce Almighty, was hat man dir da angetan!
GAME OF DEATH II ist übrigens der wirklich letzte Bruce-Lee-Film, danach gab’s nur noch die Imitatoren. Von denen hab‘ ich ja auch noch massig VHS-Tapes herumliegen …
Bruce Lee – Der letzte Kampf der Todeskralle (Hong Kong 1981)
Originaltitel: Si wang ta
Regie: Ng See Yuen
Darsteller: Bruce Lee, Kim Tai Chung, Hwang Jeong-Ri
Länge: 91 Minuten
FSK: 18
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