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[Film] Bruce Lee gegen die Supermänner (1975)

Lai, Le, Lee, Lo, Lu.

Letztens habe ich mir ja den schon seit Monaten bei mir Staub sammelnden italienischen Militärklamauk ZWEI TROTTEL AN DER FRONT angesehen und euch meine Reaktion erspart: Der Titel war eh Programm. Das heutige Herumgeblödel auf diversen deutschen Fernsehkanälen (viele Menschen äußern sich zu den Wahlen) verlangt es aber, sich aus Europa heraus zu begeben und Hilfe von außen zu holen. Und so fand ein Hong-Kong-Streifen namens BRUCE LI GEGEN DIE SUPERMÄNNER seinen Weg in meinen Rekorder.

Mal von vorne. Bruce Lee tat in den Siebzigern genau das, was 2Pac heute macht: Er veröffentlicht nach seinem Tod mehr als vorher. Wer denn die tausend Tapes von 6Pac hortet oder neu einspielt, wissen wir nicht so genau, aber im Falle von Bruce Lee waren die armen Produzenten ob seines plötzlichen Todes gezwungen, olles Archivmaterial neu zu schneiden, Handlungen drumherum zu spinnen und Pseudo-Fortsetzungen seiner großen Erfolge auf den Markt zu werfen. Das tat Lees posthumer Popularität aber keinen Abbruch, und als dann das Archivmaterial aufgebraucht war, trat eine Gruppe Kampfsportkünstler auf den Plan, die dem Original zum Täuschen ähnlich sahen und flugs mit irreführenden Namen wie „Bruce Li“, „Bruce Le“ oder „Bruce Lai“ versehen wurden. The Show must go on.

Ein Flugchinese namens Bruce Li kämpft sich hier also durch einen schwer dramatischen Film, in dem ein Wissenschaftler namens Dr. Ting eine Formel entdeckt hat, mit der man Erdöl in Nahrung verwandeln kann. Prompt sind viele böse Menschen auf der Suche nach Ting und seiner (natürlich schon begattungsreifen) Tochter Alice. Letztere ist übrigens gerade beim Nacktbaden, als Papa Ting mit asiatischen Ölscheichs verhandelt. Schwupps, schon hat ein Haufen Henchmen beide entführt, und ebenso schwupps, schon sind Weltenretter Bruce (Li, of course, gesprochen von Thomas Danneberg) und sein Sidekick Schuh (oder wie man den schreibt) hinter den Schurken her.

Natürlich hat Bruce einen Plan: Er und Schuh legen sich irgendwo in der Wildnis auf eine Straße, um die bösen Buben zum Anhalten und Aussteigen zu bewegen. Eigentlich zeugt es ja von geradezu rührendem Glauben an das Gute im Menschen, wenn man annimmt, dass eine Gruppe bezahlter Kidnapper mitten in der chinesischen Wildnis einen Wagen mit Entführungsopfern auf dem Rücksitz tatsächlich anhalten, um nachzusehen, ob es den am Boden liegenden Herren auch gut geht, anstelle einfach darüberzubrettern. Natürlich zahlt sich Bruces Idealismus aus, die Unhole werden verprügelt und die Ting-Family gerettet. Bruce geht mit Alice auch gleich zum romantischen Spaziergang durch den Park, wo sie sich zu einer fetzigen Mischung aus Surf-Rock und Kanto-Pop Buddha-Statuen ansehen und Bratspieße genehmigen. Der Song wird übrigens voll ausgespielt.

Bei dieser Gelegenheit können wir doch eigentlich kurz über die Musik reden. Während einer Liebesszene ist das Proto-Electronica-Segment von Kraftwerks „Autobahn“ zu hören (übrigens mein Lieblingsteil des Songs), anderswo proggen sich Amazon, nein, Emerson, Lake & Palmer durch den Soundtrack. Es bleibt offen, ob die Songs „lizensiert“ oder doch einfach nur „geklaut“ wurden. Freilich wird also auch alles andere, was zu hören ist, irgendwoher zusammengestückelt worden sein, aber unglaublich ist die Mischung aus jazzigen Rhodes-Klängen, funkigen Bässen, Wah-Wah-Gitarren und einem orgiastischen Organisten so oder so. Ebenfalls zu hören: Fiepende Synthesizer, die sicherlich mit dem Zimmermannschen Weltrauminterferenzen-Plug-In ausgestattet wurden.

Zurück zur Handlung – ich will euch ja nicht länger auf die Folter spannen. Ting wird wieder entführt, während Bruce irgendeine Schnalle in irgendeiner Bar abschleppt. Als Bruce und Eva also zu den Klängen deutscher Elektronik kuscheln, steht Alice auf einmal vor der Tür und ist sehr beleidigt. Es folgt ein heftiger Catfight zwischen den beiden Furien, die sich (in ihrer Unterwäsche) kreischend Ohrfeigen geben und durch die Wohnung werfen.

Also schön, retten wir nochmal den Prof! Bruce kriegt heraus, mit welchem Wagen er abtransportiert wird und rennt als Rikscha-Fahrer getarnt hinter dem Wagen her. Das macht er nicht nur zu Fuß, sondern sogar mit einer leeren Rikscha im Schlepptau! Letztere haut er dann auch irgendeinem bösen Glatzmann um die Ohren, der daraufhin beleidigt in den Wald geht, um die Hilfe von Superman zu beantragen.

Wir sehen es sofort beim Training: Superman ist gut drauf. Wie ein Brummkreisel hüpft er durch den Raum, haut irgendwas klein und malt einstweilen noch mit einem Pinsel Schriftzeichen auf eine Rolle. Dabei lacht er dann sinister. Dann guckt er seinen Schülern zu, wie sie beim Üben heiter von Baum zu Baum hüpfen und einer Holzfigur den Kopf abtreten. Glatzmann verspricht Superman (der übrigens wirklich so heißt) ein Honorar von hunderttausend Dollar, zehn Frauen und viel Whiskey. Prost.

Der Rest war dann eher konfus. Bruce schmeißt einen Henchman beim Verhör vom Hochhaus, aber das kratzt niemanden. Alice & Papa werden zum dritten Mal entführt, und plötzlich hüpfen viele Supermänner durch den Wald und lachen sich von Ast zu Ast. Als Bruce im Endkampf gegen Superman himself dann schon zu bluten anfängt, taucht sein bislang wegen Krankheit verhinderter Partner Roter Drache auf und unterstützt ihn. Da gibt’s natürlich ordentlich was auf die Zwölf.

Naja, Hauptsache, das Welthungerproblem ist dann zum Schluß gelöst.

Bruce Lee gegen die Supermänner (Hong Kong 1975)
Originaltitel: Maang Lung Ching Dung
Regie: Wu Jiaxiang
Darsteller: Bruce Li, Lung Fei, Lu Wen Lu

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(Zahlen)

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    2 Comments

    1. Ich habe mir mal zum Spaß zwei old school Eastern DVDs gekauft, aber irgendwie habe ich das auf Dauer nicht ausgehalten. Du hast dir ja Mühe gegeben und den ganzen Müll noch interessant verkauft, aber wenn man 1 1/2 Stunden hinsehen muss, ist die Schmerzgrenze schnell erreicht. In Karatekreisen werden diese Filme ja tatsächlich als Abendunterhaltung angesehen. Überall wo „eastern“ draufsteht, muss nicht große Weisheit drinnen sein.

    2. In den ollen Eastern (engl. für „Ostern“) wird ja nicht Karate, sondern Kung-Fu praktiziert. Und die Billig-DVDs, die da so herumschwirren, sind allesamt ziemlicher Schlonz. Für einen wirklich guten Eastern empfehle ich DIE 36 KAMMERN DER SHAOLIN. Ab da kann man dann vorsichtig weitermachen. Find‘ ich aber irgendwie lässig, dass ein Bericht über einen abstrusen Bruce-Li-Film dich dazu inspiriert, dir Kung-Fu-Filme anzusehen …

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