FilmFilmjournalUncategorized

Filmjournal: Die Jäger der goldenen Göttin (1985) / Flotte Bienen auf heißen Maschinen (1979)

The horror!

Wirklich wahr: Das zuletzt erwähnte POLIZEIREVIER war zwar superschlecht, aber es hat mich nicht davon abgehalten (man könnte gar sagen, es hat mich dazu inspiriert), ein Italo-Double-Feature nachzulegen. Und das war eine richtige Granate!

Da war zunächst mal DIE JÄGER DER GOLDENEN GÖTTIN. Warum der Streifen so heißt, wissen wir nicht so genau, weil weder Göttin noch Gold gejagt wird, aber mit dem englischen Titel JUNGLE RAIDERS bleibt man ebenso doof und sieht doch, daß es sich um die italienische Nachbarschaft von JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES/RAIDERS OF THE LOST ARK handelt. Und so geht’s auch los: Ein Dschungel, eine Höhle, mysteriöse Vorzeichen, dann eine Statue, hinter der unser gewiefter Abenteurer eine tödliche Falle vermutet. Dann eine Hetzjagd durch den Dschungel, ein Wasserflugzeug … gemütlich wird da eine Checkliste mit allen Zutaten des Spielberg-Erfolges heruntergebetet. Hauptdarsteller Christopher Connelly sieht irgendwie aus wie der ältere, unfrisierte Bruder von Harrison Ford – in einer dunklen Gasse bei pechschwarzer Nacht, versteht sich.

Und siehe da, plötzlich eine eigene Idee! Indy … sorry … Duke ist nämlich nicht alleine unterwegs, sondern mit einem ängstlichen US-Millionär, der dann mit der Statue entkommt, während Duke ein paar Indios eine Handvoll Dollar in die Hand drückt – für die gute Show, die sie geliefert haben. Prompt steht auch schon Dukes eigentlich gestorbener Partner Suffkopp (den richtigen Namen habe ich doch glatt vergessen) wieder herum und wischt sich das Kunstblut ab. Ab hier gibt’s dann eine halbwegs ernste Jagd nach irgendeinem Rubin, und dauernd tauchen die Schergen von Tiger auf, einem glatzköpfigen bösen Menschen, der irgendwann alle Schlümpfe haben will und dafür Söldner aus seinem Palazzo heraus in den Dschungelkampf schickt. Es gibt viel Feuer und noch mehr Explosionen, hin und wieder hält Lee Van Cleef sein Gesicht in die Kamera und fragt, ob er endlich seinen Gehaltsscheck kriegen kann – wohl auch der Grund, warum er immer nur herumsteht und sinister dreinblickt. Stark dann auch der mysteriöse Partner von Dukes neuer Freundin, der beim Fund des Rubins sofort die Pistole zückt, sein Schweigegelübde bricht und in akribischem Detail seinen kompletten Plan erläutert. Dumm halt, daß Tiger zugehört hat und ihn erschießen läßt – vielleicht weniger wegen des geplanten Verrats, sondern weil jetzt Tiger auch zu Wort kommen mag.

Inszeniert hat diesen groben (und irgendwie unterhaltsamen) Unfug übrigens Anthony M. Dawson, der eigentlich gar nicht so heißt, weil Italiener selten mit amerikanischen Namen auf die Welt kommen. Aber wie so viele seiner Kollegen muß auch Antonio Margheriti oft so tun, als würde er hochwertige (und teure) US-Produktionen abliefern, weil die Italiener nicht in ihre eigenen Filme rennen. Den besoffenen Captain Haddock (oder so) spielt dementsprechend ein gewisser Alan Collins, der eigentlich Luciano Pigozzi heißt und neben vielen besoffenen Charakterrollen hauptsächlich dafür bekannt ist, daß er in vielen Bruno-Mattei-Filmen prominent im Vorspann genannt wird, im tatsächlichen Film aber gar nicht auftaucht.

Nach dem großkalibrigen Abenteuer mußte noch ein bodenständigerer Film her – Zeit für FLOTTE BIENEN AUF HEISSEN MASCHINEN, den die Videobox als „superrealistischen Film“ ankündigt. Verantwortlich für diese erschütternd authentische Milieustudie ist denn auch Michele Massimo Tarantini, der das zuletzt konsumierte POLIZEIREVIER ebenso auf dem Gewissen hat wie auch eine erfolgreiche italienische Komödie namens KOMMT PUDELNACKT, DAS ERBE LACHT. Menschenskinner, da erzählt uns ein Neorealist vom wahren Italien und verschwindet beinahe in der Vergessenheit.

In FLOTTE BIENEN spielt ein Knabe mit viel Pomade, der einer Motorradgang angehört. Natürlich gibt es da auch einen ganz anderen Jungen, der einer ganz anderen Motorradgang angehört, aber beide frequentieren die gleiche Disco und tragen – wie unter echten Männern so üblich – ihre Streitigkeiten auf der Tanzfläche aus. Dann aber – oh Glück, welch Wendepunkt! – taucht eine junge Amerikanerin namens Cindy auf – laut Videobox „ein heißes Gerät allerweiblichsten Strickmusters“. Cindy ist im Skript 18, auf dem Schirm 36, aber im Kopf 12 geblieben. Und so zanken sich die Jungs jetzt ganz arg um die Schnalle, die wahrscheinlich immer gerade den ganz doll liebhat, der gerade am coolsten tanzt.

But hello, so kann’s ja nicht weitergehen. Pomadenboy wird böse, weil einer aus der Gang auf einmal ein Messer in der Hand hält, und schlägt zur Klärung der angespannten Verhältnisse ein Motorradrennen gegen den Zug vor. Insgeheim hoffen wir natürlich, daß der zum Angreifen realistische Streifen sich jetzt in tragische Höhen aufschwingt, weil vielleicht einer der Jungs vom Zug überfahren wird, aber Tarantini will ja Hoffnung verbreiten. Und so verliert die Pomade zwar (weil er gar nicht antritt, ätsch), verfolgt dann aber seinen Rivalen in einer adrenalinstarken Verfolgungsjagd und verprügelt ihn. That’s the way, a-ha, a-ha, I like it. Zum Schluß wird noch geschwoft, Schleckfrisur gewinnt einen Tanzwettbewerb mit seiner neuen Freundin, während der olle Widersacher jetzt mit Cindy glücklich werden darf. „Wir waren vielleicht nicht besser als ihr“, spricht 3-Wetter-Tafty mit versöhnlichem Unterton, „nur nicht so arrogant.“ Das saß.

Übrigens: In dem Film sitzen gar keine flotten Bienen irgendwo drauf. Das hat sich der deutsche Verleih so zusammengedichtet. Denen verdanken wir auch Dialoge wie den folgenden:

POMADE: Na dann mal schönen Abend, Alterchen. Grüß deine Frau und den Kanarienvogel.
ALTER MANN: Ich habe doch keinen Kanarienvogel.
POMADE: Na gut, dann die Schildkröte. Aber nicht in die Suppe werfen.

So, liebe Freunde, das muß erstmal reichen. Schaut bald mal wieder vorbei, wenn ich wieder aus den Untiefen des italienischen Kinos berichte. Bald schon werden wir sicher eine Tarantini-Retrospektive im DAS-Kino bewundern können. Dann bewegen wir uns freilich sofort weg vom Massenpublikum und entdecken stattdessen erneut die Underground-Klassiker von Mariano Laurenti.

Die Jäger der goldenen Göttin (Italien 1985)
Originaltitel: La Leggenda del Rubino Malese
Alternativtitel: Captain Yankee / Jungle Raiders
Regie: „Anthony M. Dawson“ (= Antonio Margheriti)
Darsteller: Lee Van Cleef, Christopher Connelly, Marina Costa, „Alan Collins“ (= Luciano Pigozzi), Dario Pontonmutti, Mike Monty

Flotte Bienen auf heißen Maschinen (Italien 1979)
Originaltitel: Brillantina Rock
Alternativtitel: Crazy Disco
Regie: Michele Massimo Tarantini
Darsteller: Monty Ray Garrison, Cecilia Buonacuore, Auretta Gay, Mauro Frittella, Mimmo Bua, Sergio Borelli

—————–
4 8 15 16 23 42

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    2 Comments

    1. Sag mal, wer ist eigentlich dein Dealer? Solche Filme hab ich noch in keiner Videothek herumstehen sehen ….

    2. Wahrscheinlich, weil Österreichs prominenteste Videothek, der Austria-Video-The-Ring, nur Krempel rumstehen hat, der nicht älter als 5 Jahre ist. Du solltest mal zum Prohaska in die Sterneckstraße gehen, da gehen dir die Augen über! Ich darf vor allem den Keller empfehlen, da verbergen sich die wahren „Perlen“. Die genannten Tapes habe ich allerdings bei eBay ersteigert.

    Comments are closed.

    0 %