Wer kann das Kind benennen? Auf der Suche nach originellen Abgrenzungen bei der Einordnung von Musik entstehen oft wundersame Wortgebilde.
„Es gibt nur zwei Arten von Musik“, soll Jazzmusiker Duke Ellington einmal gesagt haben – „gute und schlechte“. Stöbert man einmal durch die diversen Musikpublikationen, bemerkt man freilich, daß dem nicht so ist: Es gibt hunderte von Musikarten, Stilrichtungen, Kategorien, Subgenres und Einordnungsversuche. Das kann auf Anhieb eher verwirren als helfen – oder weiß hier jemand sofort, was unter „monochrome ambient“ oder unter „Viking Metal“ zu verstehen ist?
Es gibt da einen Salzburger Musikladen, der eine interessante Zweiteilung versucht: Es gibt den Bereich „Klassik“ und den Bereich „Mozart“. Nun ist ja Mozart bekanntlich auch Klassik, aber die ganzen anderen Klassiker sind eben nicht Mozart. So einfach ist das.
Prinzipiell ist es ja einmal ganz hilfreich, Namen und Kategorien zu haben, um die diversen Spielarten unterscheiden zu können. Das wird ja anderswo auch gemacht, und so kann man dann eindeutig feststellen, daß es sich um eine Giraffe und nicht etwa um einen Maikäfer handelt. Bei der Musik ist das aber viel schwieriger: Irgendwas können wir uns sicher vorstellen, wenn wir den Begriff „Alternative Rock“ hören, aber was genau ist das in Worte gefasst? Erklärungsversuch: Alles außer Jon Bon Jovi.
In der Tat: Die Schubladen sind hilfreich, um zu kommunizieren. Man erahnt, daß „Heavy Metal“ nicht unbedingt neben „Polka“ einzuordnen ist, und weiß beim Lesen einer CD-Kritik, was zu erwarten ist. Das kann natürlich auch zum Problem werden: „Nu-Metal“ beispielsweise ist eine Kiste, in die viele Bands geworfen werden – egal, ob sie etwas damit zu tun haben oder nicht. Und da manche Musikhörer vom Begriff abgeschreckt werden, wird gar nicht mehr hingehört.
Um nun zu präzisieren, gibt es merkwürdige Auswüchse, die irgendwann dadaistische Ausmaße erreichen: Illbient? Darkhop? Hardbag? Intelligent Techno? Goregrind? Metalcore? Screamo? Elektroniker und Metaller scheinen beständig neue Bezeichnungen aus dem Ärmel zu schütteln, aber auch anderswo wird gebastelt: Electric Trance! Dark Folk! Mit Augenzwinkern schlägt der Österreicher Paul Haslinger auf seinem Album „Score“ vor, es unter „Cine-Fi“, „Fringe Pop“ oder „Urban Lounge“ einzuordnen.
Witzig wär’s durchaus, mal im Saturn nach der „Spookycore“-Sektion zu fragen. Heiterkeit brach auch aus, als ich im Münchner Kaufhaus Beck eine „Schreioper“ verlangt habe. Und wenn wir das oft und beständig genug machen, gibt es bald nur noch zwei Abteilungen in den Plattenläden: „Gut“ und „schlecht“. Ellington hat gewonnen.
Dieser Text erschien zuerst am 26. März 2005 in den Salzburger Nachrichten.
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