4FANS
4LYN bieten mit ihrem dritten Album TAKE IT AS A COMPLIMENT ihren Kritikern
trotzig die Stirn: Kurs halten, Mr. Sulu!
Seufz. Da rege ich mich noch im letzten Philosophieseminar darüber auf, daß man nicht immer nur darauf schauen sollte, ob etwas „neu“ ist, weil ja ohnehin alles schon einmal dagewesen ist, und dann landet die neue CD von 4LYN in meinem Briefkasten. Was bisher geschah: Eine Gespann lautstarker Hanseaten macht sich auf, NuMetal nach amerikanischem Vorbild unters Volk zu bringen, und veröffentlicht zwei Alben, die zwar Käufer, aber keinen wohlwollenden Rezensenten finden. Visions, das Magazin, dem die Haltung schon aus den Ohren trieft, sieht in den Jungs all das, was schlecht ist an der heutigen Musik und ruft eine Art Indie-Fatwah gegen alles aus, was die Band hervorbringt. Natürlich machen 4LYN unbeirrt weiter, spielen diverse erfolgreiche Tourneen und bringen jetzt ihr drittes Album heraus: TAKE IT AS A COMPLIMENT.
Und das ist mitsamt seinem Waschzettel eine schöne Studie darüber, wie sehr sich eine Plattenfirma anstrengen kann, eine Gruppe ins schönste Licht zu rücken. Die beigelegte Biographie informiert akribisch über jeden noch so kleinen Erfolg der Band, spart aber mit Zitaten zur kritischen Rezeption. Im einleitenden Vorwort von Lotto King Karl (lieber nicht fragen!) ermahnt dieser die schreibende Zunft, daß Phrasen wie „klingt wie“ und „möchte sein wie“ einen schlechten Journalisten erkennen lassen. Jaja, Lotto King Karl, der Reich-Ranicki der Albumkritiken. Demnächst erklärt uns vielleicht Britney Spears, warum Haydns Streichquartette formvollendeter sind als die von Mozart.
Kommen wir also unserer Journalistenpflicht nach: 4LYN möchten gern sein wie alle anderen NuMetal-Bands – Limpkorn, Sliptown, Crazybiskit, Papastaind und wie sie alle heißen – und deshalb klingt ihr Sänger/Shouter/Rapper/Fronteumel auch gleich sicherheitshalber wie Fred Durst und Coby Dick zusammen. Hier ein wenig psychotisches Geschrei, da ein paar von diesen Chunka-Chunka-Gitarrenriffs, dazu ein paar Synthi-Sprengsel, putzige Pseudonyme für alle Bandmitglieder, nur die Masken haben sie vergessen.
Aber denken wir zurück an das Philo-Seminar: „Neu“ ist ja nicht das Maß aller Dinge, „gut gemacht“ erfüllt den Zweck ja auch. In meinem Hinterkopf formt sich gerade das Wort „solide“, das einzubauen mir selten schwerfällt: Eine solide erste Single, „Kisses Of A Strobelight“, wartet mit solidem Power-Pop-Rock auf (Tränen fließen, Menschen fallen sich in die Arme), es gibt einen soliden Gastauftritt vom deutschen Rapper Curse auf „S.T.C.“ (ansonsten wird wie gehabt nur englisch getextet), und die Produktion der eigentlich durchwegs soliden CD ist gut gemacht. Kritik nach Baukastensystem, irgendwie passend zum Album.
Doch, doch, TAKE IT AS A COMPLIMENT darf man gut finden. Man darf dazu Luftgitarre spielen, beim Autofahren mitgröhlen, beim Daheim-Horchen umherspringen. Man darf auch einzelne Songs herauspicken, die irgendwie richtig gut sind – das schräge „Drama Queen“ zum Beispiel – und dann darüber reflektieren, warum eine Band, die so viele schlechte Kritiken erntet, doch so viele Freunde findet. Vorschlag an 4LYN, wenn das nächste Mal jemand darauf hinweist, daß das Album wie all die anderen Bands klingt: Take it as a compliment.
Dieser Text erschien zuerst am 2. Juni 2004 bei Fritz!/Salzburger Nachrichten.
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