Grün gut, Spiel Freund von großer Hulk.
Grünes Krisenmanagement: Wo Comic-Held Hulk einmal hinhaut, wächst kein Gras mehr – anspruchsvolles Gameplay aber ebensowenig.
Grün wird ja mithin als positiv wahrgenommen: So wie Ampeln und Jahreszeiten ist auch Dr. David Banner dann am besten, wenn er diese Farbe annimmt, mutiert er doch dann vom Corey-Feldman-Verschnitt Eric Bana zum Hulk und wirbelt in unnachgiebiger Rage über die Leinwände. Was das ungestüme Ungetüm dabei an intellektueller Reflektion mangeln läßt, macht er nicht nur durch kolossale Kraft wieder wett, sondern auch durch die Masse an Popkultur-Geschichte, die er mittlerweile im Schlepptau hat. Als wohl mächtigste Figur im Marvel-Comic-Universum fegte er nicht nur durch dreihundertzwanzigtausendeinhalb Comicbände hindurch, sondern auch durch eine charmant-angestaubte Fernsehserie, durch diverse Zeichentrickfolgen und zuletzt, unter der Obhut von Ang Lee, CGI-unterstützt in die heimischen Kinos. Auch am Computer besuchte uns die grüne Gewalt schon öfters – die Veteranen unter uns erinnern sich noch an das Adventure von 1984. Passend zur Neuverfilmung gibt es jetzt freilich die Neuversoftung, in der im modernsten 3D-Schnickschnack-Gewand grün geprügelt werden darf.
Dem verzweifelten Kritiker fällt es freilich schwer, über das Gameplay mehr als einen mickrigen Absatz zu schreiben. In nicht manipulierbarer Kameraperspektive läuft Hulk durch diverse Levels, die sich optisch nur minimal voneinander unterscheiden, und schlägt dabei alles kurz und klein, was ihm im Weg steht. Nicht nur jeder Gegenstand kann mitgenommen werden, der nicht niet- und nagelfest ist, sondern auch Soldaten können unter den Arm geklemmt und dann auf ihre Kollegen geworfen werden. Mit verschiedenen Kraft- und Wutintensitäten können die einzelnen Bewegungen dann zu Special Moves kombiniert werden, deren Resultate sich aber gemeinhin unter der Kategorie „kaputt“ einordnen lassen. Das hat den Brachialcharme eines Hill-Spencer-Films (sowie dessen inhaltlichen Tiefgang) und läßt die Frage offen, wann Panzerweitwurf endlich als olympische Disziplin anerkannt wird.
Der faire Kritiker fügt in einem zweiten Absatz hinzu, daß man teilweise auch den schmächtigen Dr. Banner steuern darf, der kaum kämpfen kann, keine Waffe verwenden mag und sich stets an seinen Gegnern vorbeischleichen muß. Hin und wieder darf er auch kleine Zahlenrätsel lösen, die nicht wirklich auf seinen akademischen Grad zugeschnitten sind.
Diffizil ist die Haudrauf-Saga keinesfalls, nicht zuletzt, weil der handkantengestählte Hulk getreu der Comic-Vorlage beinahe unbesiegbar ist und selbst größere Projektilgeschosse mit Arnoldscher Gelassenheit handhabt. Wie uns sicher aber jeder dahergelaufene Psychologie-Student glaubhaft verklickern kann, steckt in jedem von uns ein großer grüner Hulk, der gern mal an die Oberfläche möchte. Bevor man also seine Wohnung zu Kleinholz verarbeitet, den PC bei Treiberproblemen aus dem Fenster befördert, die Arbeitskollegen bei Deadline-Streß durch geschlossene Türen wirft und schräg eingeparkte Autos auf die firmeneigene Dachterrasse schleudert, sollte man zum Abreagieren doch eher dieses Spiel verordnet bekommen – aber auch am Pazifismus leidende Zeitgenossen dürften dem noch nicht rezeptpflichtigen Hulk einige Stündlein Spaß abgewinnen können. Grün gut.
Hinweis: Der Text erschien zuerst am 2. August 2003 bei Fritz!/Salzburger Nachrichten.
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