Rauf, runter, auftragen, polieren. Wobei: Im Falle der Filmographie des Italieners Fabrizio De Angelis geht es im Zweifelsfall auch ohne Politur. Der Billigfilmer verliebte sich Ende der Achtziger unsterblich in die KARATE-KID-Reihe und begab sich auf die Mission, den schwarzen Flohmarktgürtel in der Rip-Off-Meisterschaft zu erringen: Er drehte gleich sechs Teile seiner ganz originell KARATE WARRIOR getauften Klopperreihe, kümmerte sich sozusagen liebevoll um eine Frauenvariante namens THE IRON GIRL und filmte zwischendurch den vorliegenden Streifen KARATE ROCK. Der unterscheidet sich von den anderen Filmen hauptsächlich dadurch, daß der Held hier erst 18 Minuten vor Schluß überhaupt erst mal mit dem Kampfsporttraining anfängt.
Besagter Held heißt Kevin und wurde von seinem Vater gerade an eine neue Schule gebracht, weil der aufmümpfige Knabe in der alten Umgebung auf die schiefe Bahn zu geraten drohte und kürzlich erst ein Auto demoliert hat. Der Herr Papa ist ein aufrechter Cop aus Oakland und wird vom ebenso aufrechten David Warbeck gespielt, der hier seine Stirn ebenso formschön runzelt wie noch beim Untotenangriff in Fulcis GEISTERSTADT DER ZOMBIES.
Leider scheint die schiefe Bahn dem Jungen zu folgen: Kaum angekommen, legt er sich auch schon mit dem örtlichen Halbstarken Jeff an, der tagsüber im nahegelegenen Dojo trainiert und abends seine Fähigkeiten an Zivilisten verfeinert. Zu denen gehört auch Jeffs Freundin Kim, die seine nächtlichen Avancen am Parkplatz abwehrt. „Halt die Klappe, natürlich willst du“, erklärt Jeff ihr sehr einfühlsam, und weil sie immer noch zickt, fängt sie sich von ihm eine Ohrfeige ein. Verstimmt schnappt sie sich Kevin in der Disco und gewinnt mit ihm flugs einen örtlichen Tanzwettbewerb – und weil Jeff das Verlieren eher nicht so gewohnt ist, erklärt er Kevin den Krieg. Womöglich war er aber auch schlicht mit der Juryentscheidung nicht einverstanden: Immerhin hat jede gedrängte Supermarktschlange mehr Groove als das steife Wackeln der Tanzpaare.
Schurke Jeff droht, seine Ausgeglichenheit zu verlieren. |
Kevin wird also von Jeff zusammengeschlagen, bevor man sich auf eine Entscheidung per Autorennen einigt. Weil das unentschieden ausgeht, folgt originellerweise gleich noch ein Rennen: Die beiden Kontrahenten sollen es durch den „Tunnel des Todes“ schaffen. Der entpuppt sich als alte Scheune, deren Ausgangstor nur Platz für ein Automobil bietet. Womöglich lauern in dem finsteren Schuppen sogar hochgradig hinterhältige Heuballen auf unsere lebensmüden Fahrer!
Machen wir es kurz: Kevin gewinnt, weshalb Jeff Kevins Freund Mortimer zusammenschlägt – was nicht nur der als einigermaßen ungerecht empfindet. Weil Jeff als Zweitplatzierter im Scheune-of-Death-Duell die Wand durchfahren hat und die Schuld auf Kevin schiebt, kommt außerdem der alte Farmer ins Polizeirevier gestapft (wo er sofort mit den Worten „Kommen Sie später wieder!“ begrüßt wird – aber die Exekutive war in De-Angelis-Filmen ja noch nie sehr hilfreich). Er präsentiert Kevins Papa die Rechnung, woraufhin die Leinwand wieder für ein paar Momente von den tiefen Furchen auf David Warbecks Stirn erhellt wird.
Modernes Kampfsporttraining: Wo ist der Gartenzaun, wieso werden hier keine Autos poliert? |
Zum Glück wohnt Kevin ja aber bei einem alten Freund seines Papas, der mit seinem asiatischen Aussehen schon den ganzen Film über den Verdacht angeregt hat, womöglich ein weiser Karateprofi zu sein. In der Tat: Nach anfänglichen Bedenken trainiert der Mann mit dem fernöstlichen Namen Billy unseren Helden in einer schönen Montage, die hauptsächlich aus Joggen besteht. Billy Miyagi trägt manchmal zum Training eine Horrormaske, wenn er nicht gerade ob der Fähigkeiten seines neuen Schülers traurig den Kopf schüttelt. Am Ende der Montage landet Kevin einen Treffer im Magen seines Mentors, was bedeutet, daß er jetzt bereit ist, Karatechampion Jeff als ebenbürtigem Gegner entgegenzutreten.
Die schöne Kim, die sich den ganzen Film über nicht so recht zwischen Kevin und Jeff entscheiden konnte – sicherlich hat Jeff auch verborgene Qualitäten, die zugunsten der rasanten Erzählung der Schere zum Opfer gefallen sind – ist nach Kevins Karate-Sieg endlich bereit für eine tiefergehende Liaison. Der entscheidet sich aber spontan dafür, doch lieber mit dem Nachbarsmädchen Conny anzubandeln. Die haben wir bislang unerwähnt gelassen, weil sie mit Brille und Zöpfen auftrat – und jeder filmerfahrene Zuseher weiß, daß sie damit als romantische Option untragbar wäre. Die gute Nachricht: Es gibt Wege und Mittel, solche Defizite zu beheben. „Hey, hast du deine Brille abgenommen?“, fragt der scharfsinnige Beobachter Kevin also zum Schluß in der Disco.
Zöpfe und Brille: Conny muß noch viel lernen. |
KARATE ROCK schafft es beinahe spektakulär, noch belangloser und unaufregender zu sein als der komplette Rest der De-Angelis-Filmographie – die ja nun die Meßlatte nicht gewaltig hoch legt. Jede einzelne Sequenz ist dermaßen – Achtung, Wortneuschöpfung: – uninszeniert, daß der gesamte Film wie ein schläfriger Traum wirkt, in dem man einen Zug, beladen mit zigfach Gesehenen, meilenweit an einem vorbeifahren sieht. Zig Szenen zeigen ausführlichst, wie Autos ankommen oder wegfahren. De Angelis stellt die Kamera in jeder Sequenz irgendwohin, manchmal weit vom Geschehen entfernt, dann wieder viel zu nah an den Gesichtern, seitlich neben den Protagonisten, ohne das geringste Gespür für Raum und Zusammenhänge. Diese kurze Sequenz, bevor das Scheunenrennen startet, soll als Veranschaulichung dienen: Wer ist hier wo, wer sieht wohin?
Der Bursche mit dem grünen Käppi gibt hier das Startsignal. Bei den folgenden frontalen Einstellungen auf Jeff und Kevin bewegen sich beide jeweils auf die Kamera zu, in der Totalen sieht man einen Wagen von rechts Richtung Scheune fahren.
Alles klar soweit?
Auch sonstwo ergeben die Kameraeinstellungen wenig Sinn. An einer Stelle wird in Fluchtperspektive an einer Bar entlanggefilmt, hinten bewegen sich die Tänzer – aber vorne bleibt der Schuppen völlig leer. Beim Showdown gibt es eine Einstellung, bei der der Kameramann so hinter dem Publikum steht, daß man den Kampf auf der Matte kaum mehr sieht – wenn das mit moderner Shaky-Cam gemacht wäre, könnte das fast dokumentarisch funktionieren, aber mit dem müden Stativ-Look wirkt es hier nur so, als sollte man gar nicht so viel vom Kampf sehen, um die notdürftige Choreographie nicht zu bemerken. Das obige Spiel mit den nichtssagenden Einstellungen kann durch den ganzen Film durchgezogen werden: Selten gab es so viele Totalen, die so wenig Überblick verschaffen.
Der dickliche Junge, der neben Conny steht, wird übrigens den ganzen Film dabei gezeigt, wie er Eis lutscht. Er ist offensichtlich an Conny interessiert, die ja aber auf Kevin steht und nur das Geheimnis der Kontaktlinsen noch nicht enteckt hat. Am Schluß verfüttert der einsame Dicke dann sein Eis an einen Hund. Angesichts eines Films wie KARATE ROCK wissen wir, wie es ihm geht.
Karate Rock (Italien 1990)
Originaltitel: Il ragazzo delle mani d’acciaio
Regie: „Larry Ludman“ (= Fabrizio De Angelis)
Buch: Olga Pehar
Musik: Donald Brent
Kamera: „Frederick Hail“ (= Federico Del Zoppo)
Darsteller: Antonio Sabàto Jr., Natalie J. Hendrix, Dorian D. Field, Robert Chan, Andrew J. Parker, David Warbeck