Beinahe von Beginn des Kinos an gab es viele Anläufe, den Untergang der Stadt Pompeji zu erzählen. Schon 1900 entstand eine erste Produktion namens THE LAST DAYS OF POMPEII, 1935 legte das KING-KONG-Team Schoedsack und Cooper die inzwischen fünfte Version vor. Oft basierten die Filme auf dem Roman DIE LETZTEN TAGE VON POMPEJI von Edward Bulwer-Lytton aus dem Jahr 1834, der 150 Jahre später auch als Miniserie fürs Fernsehen adaptiert wurde. Nicht jeder Film mußte gar so sparsam vorgehen wie der Videothekenfüller WARRIOR QUEEN, wo die Zerstörung der Stadt flugs aus einem früheren italienischen Film übernommen wurde – aber dennoch bot es sich bei den Fortschritten der Tricktechnik in den letzten Jahren an, sich dem Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 n.Chr. wieder einmal mit modernsten Mitteln zu widmen.
RESIDENT-EVIL-Regisseur Paul W.S. Anderson erzählt die Geschichte des Sklaven Milo, der als Kind mitansehen mußte, wie der römische Tribun Corvus (schönes Zähneknirschen: Kiefer Sutherland) die Bewohner seines Dorfes abschlachten ließ. Seitdem lebt Milo (schöner Waschbrettbauch: Kit Harington) in Gefangenschaft und macht sich bei brutalen Gladiatorenkämpfen einen Namen als unerbittlicher Gegner. In Pompeji lernt er die junge Cassia (schöne Wangenknochen: Emily Browning) kennen, die von ihren Eltern als Braut an Corvus verkauft werden soll. Bei den eigens für Corvus arrangierten Spielen versucht er, im Kampf lang genug zu überleben, um sich für den Tod seiner Eltern zu rächen – aber dann grummelt der Berg, zu dessen Füßen Pompeji liegt …
Anderson war noch nie jemand, der mit seinen filmischen Vorbildern hinter dem Berg gehalten hätte, und so zeigt sich auch POMPEII als fröhliche Popcorn-Mixtur: Die Herkunftsgeschichte des Helden stammt aus CONAN DER BARBAR, zwischendurch wird flugs THE DARK KNIGHT zitiert, und der Rest des Films ist eine aufwendig inszenierte Mischung aus GLADIATOR und den Katastrophenfilmen der Siebziger, allen voran ERDBEBEN. Da bebt in ominöser Vorahnung die Erde, identitätslose Nebenfiguren segnen das Zeitliche, und Warnungen hinsichtlich der Tragfähigkeit des Amphitheaters werden zugunsten des einträglichen Spektakels in den Wind geschlagen. „No warning. No escape“, verkündet das Filmposter gar schauderhaft, aber natürlich gibt es wie in jedem anständigen Katastrophenstreifen zahlreiche Gefahrensignale – es hört nur niemand darauf.
Ob FLAMMENDES INFERNO oder 2012: Jeder Film dieses Genres strahlt eine großäugige Faszination für die Naturgewalten und sonstigen Desaster aus, die seine Figuren einholen werden. Auch als Zuseher ist man ja gerade wegen des Schauwerts dabei: Es ist die Sensation, die uns hier lockt, ein Pompeji-Film ohne Vulkanausbruch wäre ebenso undenkbar wie ein Epos über einen Hochhausbrand, der schon im Keim erstickt werden kann. Man mag um einzelne Figuren bangen, denen man ein Entkommen wünschen würde, aber der eigentliche Protagonist ist die Katastrophe selber – und wir wollen sehen, wie sie zuschlägt und dabei ganz alttestamentarisch die Ungläubigen und Schuldigen bestraft. Es ist ein Schicksalsspiel.
Senator Bauer, äh, Corvus (Kiefer Sutherland, rechts). |
So zeigt sich auch bei Anderson im Desaster, aus welchem Holz seine Helden geschnitzt sind: Die Tapferen agieren heldenhaft und sind angesichts des drohenden Untergangs nicht nur um ihre eigene Haut besorgt, während die Schurken zu armseligen Verlierern werden. Bei allem Spektakel wird beinahe auch die Tragik der Katastrophe unter der Vulkanasche begraben: Anderson stürzt sich so begeistert auf die Zerstörungskraft des Vulkans, als wäre er der kleine Bruder von Emmerich. Von oben blickt er in den ausbrechenden Vulkan, bis die grauen Wolken seine Kamera umnebeln, dann gleitet er mit der Kamera über einem Schiff entlang, das von einem Tsunami in die Straßen von Pompeii gedonnert wird. Überall tanzt die Asche durch die Luft, als wären die Figuren in einem berauschenden Ballett des Verderbens choreographiert. Das Schicksal jener Figuren, die uns etwas bedeuten, ist fast vom Vulkanausbruch entkoppelt und wird vielfach von den anderen Menschen herbeigeführt.
Schöne Wangenknochen: Cassia (Emily Browning). |
Man muß Anderson lassen, daß er das Verhängnis sozusagen nach antikem Vorbild konsequent bis zum umfassenden Ende führt – und gleichzeitig das Ridley Scottsche Historienpathos außen vor läßt. Seine Welt ist eine des Erlebens, der unmittelbaren Action, der apokalyptischen Ästhetik. Die Geschichte zwischen Freundschaft, unmöglicher Liebe und Freiheitskampf hält alles in der fast stenogrammhaften Knappheit zusammen, die so typisch ist für Anderson: gerade genug, um mitgehen zu können.
Kurzum: Ein schöner Vulkanausbruch.
Pompeii (Kanada/Deutschland/USA 2014)
Regie: Paul W.S. Anderson
Buch: Janet Scott Batchler, Lee Batchler, Michael Robert Johnson
Kamera: Glen MacPherson
Musik: Clinton Shorter
Darsteller: Kit Harington, Kiefer Sutherland, Emily Browning, Adewale Akinnuoye-Agbaje, Jessica Lucas, Jared Harris, Carrie-Anne Moss
Die Screenshots stammen von der BluRay (C) Constantin Film Verleih GmbH.