Nachdem ich mich um die ersten beiden Filme in unserer RESIDENT-EVIL-Retrospektive gekümmert habe, übergebe ich für den dritten Teil der Reihe das Wort an meinen geschätzten Gastautor Dr. Wily.
Zu Beginn erwacht Alice (Milla Jovovich) nackt in der Dusche. Möchten Sie mehr wissen?
Gut. Beim Fluchtversuch durch die Villa, den Gang mit Gitterlaser und das Krankenhaus von Raccoon City tappt sie in eine der zahlreichen Fallen und stirbt. Ihre Leiche wird von zwei Mitarbeitern der Umbrella Corporation im Strahlenschutzanzug zu vielen anderen toten Alices in eine Grube geworfen, die eingezäunt irgendwo in einer weiten Wüstenlandschaft liegt. Rund um den Zaun scharen sich die Zombiehorden und wollen herein zum guten Fleisch. Dies alles passiert vor dem Vorspann – und wir wissen nun also: Es war nicht unsere echte Alice, die Ende des zweiten Teils aus Raccoon City entkommen ist, sondern einer ihrer unzähligen Klone.
In RESIDENT EVIL: EXTINCTION sind fünf Jahre vergangen, seit der T-Virus sich aus dem Hive ausgebreitet hat, und er hat mittlerweile nicht nur große Teile der Menschheit zu Untoten gemacht, sondern auch Seen und Flüsse ausgetrocknet und kaum Vegetation übriggelassen. Die Erde wurde in einen Wüstenplaneten verwandelt, eine gelb-braune Ödnis, in der die Überlebenden in aufgerüsteten und panzerartig verbunkerten Autokolonnen dauernd unterwegs sein müssen, um nicht zuviele Zombies anzulocken. Sie sind ständig auf der Suche nach Benzin, um in Bewegung bleiben zu können. Daß sich die Reihe sehr locker am Buffet der Filmgeschichte bedient, hat ja Kollege Genzel schon in seinem Text zu Teil 1 erwähnt.
Alte und neue Weggefährten: Carlos Olivera (Oded Fehr) und Claire Redfield (Ali Larter). |
Alice, die in Teil 2 auch zur Superheldin mutiert ist und mittlerweile auch unbewußt Steine schweben und bewußt mentale Schutzschilde aufbauen kann, ist zu Beginn ganz der einsame Cowboy des Westerns und allein auf dem Motorrad unterwegs, schließt sich aber bald der umherreisenden Gruppe um Claire Redfield (Ali Larter) an, auch weil sie ihren alten Freund Carlos Olivera (Oded Fehr) aus Teil 2 dort wieder trifft. Dem darf sie dann erklären, warum sie sich zwischen Apokalypse und Auslöschung von ihnen getrennt hat. Ich darf es hier verraten: zum Schutz der anderen, denn die Umbrella Coperation überwacht und verfolgt sie ja.
Eben jene in den Untergrund gezwungene Umbrella Coperation ist tatsächlich nicht untätig und experimentiert in Person des Mad Scientist Dr. Isaacs (Iain Glen) an Zombies und deren Domestizierung herum (wir ahnen schon: eine schlechte Idee), weshalb sie auf der Suche nach der originalen Alice ist (wir wissen schon: eine noch viel schlechtere Idee). Es wird nämlich weiterhin vermutet, in Alices Blut die Lösung für ein Serum gegen den T-Virus zu finden. In diesen Szenen orientiert sich der Film einmal mehr an einem seiner großen Vorbilder, nämlich George Romeros ZOMBIE 2, aus dem er die Laborszene, in der sich ein Zombie an die Bedienung von Geräten erinnert, fast eins zu eins übernimmt.
Ein unangehemer Zeitgenosse: Der zum Monster Tyrant mutierte Dr. Isaacs. |
In weiterer Folge der Geschichte entwickeln unsere Überlebenden die Hoffnung, in Alaska einen sicheren Lebensraum zu finden (das Setup für Teil 4). Es stellt sich heraus, daß die Umbrella Coperation Alice ein- und ausknipsen, Alice diese Funktion aber innerlich bekämpfen und überwinden kann, und daß sie mental mit ihren ganzen Klonen irgendwie verbunden ist. Als sie dann in der Wüste die Grube mit den anderen Alices findet, entscheidet sie sich, der Sache auf den Grund und so auf ihre eigene Reise zu gehen, während ihre überlebenden Freunde gen Alaska aufbrechen. Die passen zu diesem Zeitpunkt schon alle in einen Helikopter, denn mehrere von ihnen wurden auf dem Weg dorthin in diversen Zombieattacken, in denen sich die Untoten je nach Bedarf des Drehbuchs entweder langsam schlurfend fortbewegen oder behende Stahlkonstruktionen erklimmen, verspeist.
Die Handlung bleibt also wie bei allen RESIDENT-EVIL-Filmen dünn, die Charaktere und deren Entwicklung noch dünner. Dialog dient der Exposition, weswegen Milla Jovovich in den ersten dreißig Minuten keine zehn Worte spricht. Der Fokus liegt bei RESIDENT EVIL auf etwas anderem: Es ist Action- und Bilderkino, das fetzen und Spaß machen soll. Die Actionsequenzen sind nicht zufällig mit cooler Rockmusik unterlegt. Wie schon angedeutet holt sich die Reihe sehr offensichtlich bei anderen Filmen, was sie brauchen kann. Hier ist es eine MAD-MAX-Welt, durch die sich die Protagonisten bewegen. Im Gegensatz zum klaustrophobischen ersten Teil und der schwarz-blauen urbanen Warzone der Fortsetzung öffnet der dritte Teil hier unter der Regie von Russell Mulcahy den Blick und läßt ihn in die unendlichen Wüstenweiten schweifen. Erst mit diesem Film beginnt es so richtig, ein Konzept der Reihe zu werden, jedem Teil einen ganz eigenen Look, ein ganz eigenes Setting und ganz eigene Farben zu verpassen.
Wehrhafte Frauen: Claire Redfield (Ali Larter, links) und K-Mart (Spencer Locke). |
Eines der reizvolleren Elemente, die sich RESIDENT EVIL: EXTINCTION aneignet, ist die Sequenz, in der eine Schar Raben den Autokonvoi angreift. Unverkennbar bedient sich Autor und Produzent Paul W.S. Anderson bei DIE VÖGEL, aber er bleibt nicht beim bloßen Zitat, sondern spinnt die Idee mit einer Frage in seiner Welt weiter: „Was wäre, wenn die Vögel, die am Ende von Hitchcocks Film jeden Zentimeter der Stadt besetzen, alle vom Fleisch der Infizierten gegessen hätten?“ Zugegeben, wahrscheinlich hat sich vor ihm niemand diese brennende Frage gestellt, aber es wird eine coole und nicht alltägliche Actionsequenz daraus.
RESIDENT EVIL: EXTINCTION ist auch der Film der Reihe, der am meisten Bezug zu unserer tatsächlichen Welt herstellt. Wir sehen das von der Wüste fast verschluckte Las Vegas, BMW-Logos, Nevada-Poster an Tankstellen und Salt-Lake-City-Straßenschilder. Die Protagonisten machen sich zumindest kurz Sorgen um Nahrung und Benzin. Und trotzdem ist es die knallbunte Phantasie eines gefühlt 12-Jährigen. Sämtliche RESIDENT-EVIL-Filme wirken, als wären sie für Kinder gemacht, die eigentlich zu jung sind, um sich solche Filme anzusehen. Deshalb sehen hier auch alle Menschen immer ansehnlich und cool aus, haben nach fünf Jahren Zombieapokalypse saubere Fingernägel, reine Haut, gewaschene und gestylte Haare und nach ebenso langer Zeit Konservennahrung immer noch perfekt weiße Zähne. Und deshalb kann der gute Carlos als Opfer sterben, ohne daß es emotional groß ins Gewicht fällt, sondern er darf als letzten Wunsch noch einmal, ganz der Cowboy, lässig an einer Zigarette ziehen.
Milla Jovovich als weiblicher Westernheld. |
Apropos Cowboy: Es ist nach so langer Zeit auch spannend, welche Themen, Ideen und Interpretationen sich im Gesamtbild der Reihe herauskristallisieren. Nie haben es die Filme thematisiert, daß hier eine Frau die Hauptfigur und das unbesiegbare Action-Badass ist. Ganz im Gegenteil – es war immer selbstverständlich. Und in RESIDENT EVIL: EXTINCTION, der sich aufgrund seines Settings ja auch am Westerngenre hübsch bedient, verwandelt sich Milla Jovovich ganz automatisch in den wortkargen Cowboy, der schneller schießt als jeder andere im Westen – eigentlich der Prototyp des männlichen Helden schlechthin.
Ohne je ein großes Statement geplant zu haben, unterläuft RESIDENT EVIL hier Geschlechterstereotype. Das einzige Ausrufezeichen diesbezüglich setzt der Film gegen Ende: Alice liegt fast besiegt am Boden, der körperlich verunstaltete – er hat sich zuviel Aufputsch-Testosteron-Zombie-Anti-Irgendwas-Serum gespritzt – Mann Dr. Isaacs steht über ihr und erklärt, er habe immer gedacht, sie sei die Zukunft, doch jetzt habe er erkannt, er selbst sei die Zukunft. Alice beginnt zu lachen und antwortet: „You are not the future. You’re just another asshole.“ Kurz darauf wird Isaacs vom Gitterlaser, den ein weiterer Alice-Klon bedient, in kleine Häppchen zerlegt, und die Armee von geklonten Alices macht sich auf, um der Umbrella Coperation zu zeigen, wo der Bartl den Most holt.
Die RESIDENT-EVIL-Retrospektive auf Wilsons Dachboden:
RESIDENT EVIL: Zombie-Zitate mit Spielelogik
RESIDENT EVIL: APOCALYPSE – Alles anders im nächsten Level
RESIDENT EVIL: AFTERLIFE – Neue Levels, neue Identitäten
RESIDENT EVIL: RETRIBUTION – Der Kampf durch die Erlebniswelt
RESIDENT EVIL: THE FINAL CHAPTER – Die letzte Reise ins Labyrinth der Identitäten
Regie: Russell Mulcahy
Buch: Paul W.S. Anderson
Kamera: David Johnson
Musik: Charlie Clouser
Darsteller: Milla Jovovich, Oded Fehr, Ali Larter, Iain Glen, Ashanti, Spencer Locke, Mike Epps, Jason O’Mara
Die Screenshots stammen von der BluRay (C) Constantin Film Verleih GmbH.