Schon für seinen ersten RESIDENT EVIL warf Paul W.S. Anderson einen genauen Blick auf James Camerons ALIENS: Wie im Vorbild schickte er ein Spezialteam in den Untergrund, um sich in mittlerweile menschenleeren Räumen auf die Suche nach einer Bestie zu machen – nur daß sie dort statt dem Giger-Alien den untoten Gesellen der Romero-Klassiker bzw. der Videospielvorlage begegnen. Sogar die aus dem Dornröschenschlaf erweckte wehrhafte Heldin hat er übernommen. Es ist also nur passend, daß Anderson für die Fortsetzung von RESIDENT EVIL gleich nochmal den Cameron-Film studierte: Wie er im Audiokommentar erzählt, hielt er sich für RESIDENT EVIL: APOCALYPSE an das Prinzip von ALIENS, in einer Fortsetzung die Welt des Vorgängers auszubauen, anstatt dasselbe nochmal zu erzählen. (Wie wichtig ALIENS für Anderson ist, merkt man auch daran, daß er seinen ALIEN VS. PREDATOR ebenso an das Muster anlehnte – aber da ist er natürlich bei weitem nicht der einzige Filmemacher.)
Der Anknüpfungspunkt für RESIDENT EVIL: APOCALYPSE war schon im Ende des ersten Teils angelegt. Dort konnte in den Laboratorien der Umbrella Corporation zwar ein Serum gefunden werden, um den entkommenen T-Virus zu stoppen, der die Menschen in Zombies verwandelt – aber das Unglück nahm trotzdem seinen Lauf. Security-Frau Alice (Milla Jovovich) und ihr Begleiter Matt, einzige Überlebende des Kampfes gegen die untoten Monster, wurden von Männern in Schutzanzügen in ein Labor gebracht, und als Alice wenig später alleine in einem Operationssaal erwachte und anfing, ihre Umgebung zu erkunden, mußte sie feststellen, daß das Virus mittlerweile begonnen hatte, in der Stadt Raccoon City zu wüten. „The Dead Walk“, titelte eine herumfliegende Zeitung dieser verlorenen Stadt, ganz wie in Romeros ZOMBIE 2.
Als hätte der Toxic Avenger beim Militär angeheuert: Das Nemesis-Monster (Matthew G. Taylor). |
Anstelle der labyrinthischen Gänge und Hallen des Vorgängers führt Alices Reise durchs Zombie-Wunderland diesmal also durch die urbane Verwüstung. Raccoon City ist längst dem Untergang geweiht, nur hier und da versuchen ein paar Überlebende, die Stadt noch verlassen zu können – was vor allem durch den Umbrella-Mitarbeiter Major Cain (Thomas Kretschmann) vereitelt wird, der die Stadt abgeriegelt hat und mit bewaffneten Posten dafür Sorge tragen will, daß das Virus auf jeden Fall eingedämmt werden kann (in Stufe 2 seines Planes wird er mit einer Atombombe auf Nummer Sicher gehen, was die Vernichtung des Virus angeht – und natürlich, wir dürfen es verraten, trotzdem scheitern). Während Cain die tote Stadt als perfekten Übungsplatz für sein herangezüchtetes Nemesis-Monster sieht (es war einst der unglückselige Matt), versucht der Wissenschaftler Dr. Ashford, Kontakt mit einigen Überlebenden aufzunehmen, damit die seine kleine Tochter in Raccoon City ausfindig machen können.
Weil er sich auf die Inszenierung von ALIEN VS. PREDATOR konzentrieren wollte, schrieb Paul Anderson für RESIDENT EVIL: APOCALYPSE zwar das Skript und produzierte den Film, gab aber die Regie an Alexander Witt ab. Dennoch ist auch der zweite Teil der Reihe ganz Andersons Kind: Witt ist ein Handwerker, der seine Hollywood-Karriere als einer der gefragtesten Second-Unit-Regisseure und -Kameramänner bestreitet und in dieser Funktion unter anderem an SPEED, TWISTER, GLADIATOR, BLACK HAWK DOWN, XXX und FLUCH DER KARIBIK arbeitete – weshalb es nur logisch ist, daß er auch hier Bilder im Dienste eines anderen umsetzt.
Unser Heldentrio: Alice (Milla Jovovich, links), Übercop Jill Valentine (Sienna Guillory, rechts) und Reporterin Terri Morales (Sandrine Holt, Mitte). |
Der muntere Mix aus Filmzitaten und Spielanleihen wird in RESIDENT EVIL: APOCALYPSE jedenfalls fortgesetzt. Romero und Cameron sind wieder allgegenwärtig, aus ALIENS wird diesmal ein kleines Mädchen entlehnt (Ashfords Tochter), das von unserer Heldin beschützt werden muß. Gleichzeitig klingen aber auch andere Phantastik-Klassiker früherer Generationen an, allen voran John Carpenters DIE KLAPPERSCHLANGE, dessen Bilder einer gesetzlosen, postapokalyptischen Stadt hier immer wieder als Vorlage dienen – besonders deutlich in der Szene, in der Cain und seine Mannen auf einer Mauer über den Menschenmassen stehen, die aus der Stadt flüchten wollen (eine Sequenz hätte in deutlicher Hommage sogar in einem Chock-full-o‘-Nuts-Shop stattfinden sollen, was aber aus Budgetgründen geändert wurde). Ebenso haben die leeren Straßen von Boris Sagals Matheson-Verfilmung DER OMEGA-MANN ihre Spuren hinterlassen. Die Spielevorlage wird hier sogar stärker als zuvor einbezogen: Nicht nur verschiedene Szenen der Games werden zitiert, auch Charaktere werden diesmal gezielt aufgegriffen.
Trotz höherem Budget als der Originalfilm hat die Fortsetzung allerdings gleichzeitig bei weitem mehr Videothekenflair. So schick die Zombiejagd durch die nächtlich-blauen Straßen und die verlassenen Gebäude auch aussieht – letztlich wird hier das absolute B-Movie-Programm aufgefahren. Das Nemesis-Monster wirkt wie ein Gummimutant aus der Troma-Schmiede, inklusive zugetackerter Fratze; rundherum werden enorme Ausmaße an Munition und Militärgerät aufgefahren, die dezibelstark Verwüstung anrichten, ohne je zu involvieren. Alices Mitstreiterin Jill Valentine (Sienna Guillory) ist wie ein Lara-Croft-Klon so cool und unbeeindruckt von ihren Gegnern, daß sie – nicht zuletzt dank ihres mordsknappen Outfits – manchmal wie aus einer Parodie hereinzuschneien scheint. In einer Szene in einer Kirche darf Alice als „dea ex machina“ mit dem Motorrad von außen durch das Fenster krachen und zur Rettung schreiten – weil sie im Vorbeifahren wohl intuitiv gespürt hat, das es lohnenswert wäre, jetzt durch dieses Fenster zu rasen. Und der wahnsinnige Machtmensch Cain darf Alice gegen Nemesis in den Ring schicken, weil er an beiden genetische Experimente vollziehen hat lassen und nun sehen will, wer der stärkere ist – obwohl es ja vielleicht noch klüger wäre, einfach beide für seine Zwecke einzusetzen.
Eine Heldin ohne Vergangenheit kriegt schon wieder die nächste Identität verpaßt: Alice (Milla Jovovich). |
So richtig Gas gibt der allem zum Trotz durchaus unterhaltsame Film aber erst ganz zum Schluß: Da wird plötzlich eine absurde Überraschung nach der nächsten aus dem Hut gezogen, während die arme Alice gleich wieder in die Fänge der sinistren Umbrella Corporation gerät. Auch wenn das eher als Ausblick auf weitere RESIDENT-EVIL-Abenteuer und weniger als schlüssige dramaturgische Entwicklung designt ist, entwickelt sich hier die Umbrella-Geschichte zu einem durchgeplanten Verschwörungsplot, der unserer Heldin auch gleich wieder eine neue Identität mitsamt Spezialfähigkeiten verpaßt.
Und da sind wir wieder beim Spielprinzip: Im nächsten Level ist alles anders und doch wieder dasselbe – aber dafür gibt’s ein Power-up.
Die RESIDENT-EVIL-Retrospektive auf Wilsons Dachboden:
RESIDENT EVIL: Zombie-Zitate mit Spielelogik
RESIDENT EVIL: EXTINCTION – MAD-MAX-Zombies und Genderklischees
RESIDENT EVIL: AFTERLIFE – Neue Levels, neue Identitäten
RESIDENT EVIL: RETRIBUTION – Der Kampf durch die Erlebniswelt
RESIDENT EVIL: THE FINAL CHAPTER – Die letzte Reise ins Labyrinth der Identitäten
Resident Evil: Apocalypse (Deutschland/Frankreich/England/Kanada/USA 2004)
Regie: Alexander Witt
Buch: Paul W.S. Anderson
Kamera: Derek Rogers, Christian Sebaldt
Musik: Jeff Danna
Darsteller: Milla Jovovich, Sienna Guillory, Oded Fehr, Thomas Kretschmann, Sophie Vavasseur, Jared Harris, Mike Epps, Sandrine Holt, Matthew G. Taylor, Iain Glen
Die Screenshots stammen von der Blu-Ray (C) Constantin Film Verleih GmbH.