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ZÄRTLICH, ABER FRECH WIE OSKAR: Lauter Nackerte!

Eine Nackerte!“, stottert Herbert Fux schon zu Beginn von ZÄRTLICH, ABER FRECH WIE OSKAR ganz entsetzt. Er läuft als Pfarrer durch das friedliche Velden am Wörthersee (womit auch die Produktionsfirma des Streifens klar sein dürfte), die Nase im Buch, da laufen ihm plötzlich blanke Brüste über den Weg. Verzweifelt versucht er noch, die zeigefreudige Dame mit seinem Hut zu bedecken, da springt sie schon in den See. Es wird nicht die letzte Begegnung des werten Geistlichen mit kleidungsarmen Badenymphen sein, und er wird nicht zum letzten Mal aufstöhnen: „Lauter Nackerte!“

Nur Zyniker würden den Grund für die Tatsache, daß Fux mit der eigentlichen Filmhandlung nie in Berührung kommt, darin wähnen, daß er gar keine solche gibt. Von wegen: Es wird beinahe permanent um „lauter Nackerte“ gehen, diverse Grazien werden hier selten mit ihren Reizen geizen – und so ist Fuxens Pfarrer, so wenig er auch die eigentlichen handlungstragenden Personen streift, ganz klar leitmotivisch zu verstehen.

Lauter Nackerte – angefangen bei Marie Luise (Renate Langer).

Im Gegensatz zu sämtlichen anderen deutschen Komödien beschreitet die Lisa-Produktion aus dem Jahr 1980 (später auch als DER GENDARM VOM WÖRTHERSEE veröffentlicht) erzählerisch absolutes Neuland: Hier wird zu keinem Zeitpunkt irgendjemand oder irgendetwas verwechselt. Nur mit den Namen seiner Geliebten tut sich unser Protagonist Peter (Frankreich-Import Régis Porte) manchmal etwas schwer – was angesichts der Vielzahl seiner Liebschaften aber auch nur allzu menschlich ist.

Schon beim Aufbruch zur Heldenreise zeigt sich, welchem Streß der moderne Mann gewachsen sein muß: Peter will mit seinem besten Freund Freddy (Tobias Meister, mittlerweile Synchronsprecher für Brad Pitt) nach Italien in den Urlaub fahren, aber nicht unbedingt seine etwas anstrengende Bettgenossin Mijou (Esther Studer aus dem Jess-Franco-Harem, hier als „Ester Do Sica“) mitnehmen. Immerhin will er ja neue Frauen kennenlernen, da hilft so eine eifersüchtige Altlast wirklich nicht, auch wenn sie noch so viel im Naturkostüm herumspaziert. Auch Helga (die reizende Gesa Thoma) und Mathilde (die ebenso reizende Corinna Drews, hier noch als Corinna Gillwald), die just an diesem Tag urlaubsbereit auf der Matte stehen, wären da eher hinderliche Anhängsel – und die nackte Dame im Gästezimmer wird erst gar nicht gefragt.

Billi (Patricia Zenker) ist Peters Liebste – wenn man die anderen mal wegdenkt.

Leider wußten Peters Schönheiten bislang nichts voneinander, weshalb sich schnell ein Streit entfacht, wer denn nun Peters wahre und einzige Freundin sei. „Sag doch mal was“, fordert Helga ihn in der aufgebrachten Zankerei zur Diskussionsteilnahme auf – aber Peter hat die lautstarken Unstimmigkeiten längst genutzt, um sich mit Freddy zum Auto zu schleichen und sich auf die Lustreise zu begeben.

Wir ahnen: Peter wird auch den restlichen Film über arge Schwierigkeiten haben, im Dickicht der, nunja, willigen Weiber wohlauf zu bleiben. Und bis Italien schaffen es die beiden Freunde gar nicht: Eine kurze Rast am Wörthersee wird sich zum langen Aufenthalt ausdehnen, weil Peter seine letztjährige Ferienbekanntschaft Billi (Patricia Zenker) wiedertrifft. Die hatte er im Vorjahr vernascht, und obwohl er nie geschrieben hat, ist sie höchst entzückt über seine Rückkehr und will die Beziehung intensivieren. Außerdem locken die wohlgeformte Marie Luise (Renate Langer) und eine nette Blondine namens Christl (Barbara May). Immerhin: Letztere wird dem frustrierten Freddy zugeschachert, weil der wie Christl noch unberührt ist und Peter sich offenbar nur für Expertinnen erwärmen kann.

Streß für Peter (Régis Porte): Nicht nur Mijou (Esther Studer) möchte sich aussprechen …
… sondern auch Mathilde (Corinna Drews) …
… und Helga (Gesa Thoma, Mitte) genauso, im Zweifelsfall als Gruppensitzung.

Es ist fast als pathologisch zu betrachten, wie eifrig Peter mit seinen Gespielinnen jongliert: Selbst beim Rendezvous läßt er gelegentlich eine Frau eine Zeitlang alleine zurück, um in der Disko nebenan mit der nächsten Zeit zu verbringen. Keine von ihnen hinterfragt Peters lange Abwesenheiten im Detail, und selbst wenn mal eine meint, sie sei zu kurz gekommen, nimmt ihm keine die Unstetigkeit wahrhaft übel. Kurzum: Peter ist ein Vorbild, wie man es nur selten im deutschen Film zu sehen bekommt.

Freddy tut sich derweil schwer mit Christl, auch wenn die ganz und gar offen für Vergnügungen der intimen Art wäre: Selbst, wenn sie sich schon mit angespitzten Lippen zu ihm herüberbeugt, weiß der arme Bursche nicht so recht, was er machen soll. Welch weiten Weg er beim Studium der Verführungskünste noch zurücklegen muß, merkt man schon an einer frühen Szene, in der Peter die soeben dem See entstiegene Marie Luise anspricht und sie schon nach wenigen Sätzen mit einer Verabredung und einem Abschiedskuß beglückt – aber als Freddy dasselbe mit der nächsten Hübschen probiert, beginnt er mit der in gewissen Kulturkreisen als unromantisch empfundenen Frage „Hallo Fräulein, wollen Sie mit mir bumsen?“ und kriegt prompt eine geschallert.

Frust bei Christl (Barbara May): Freddy (Tobias Meister) muß das mit dem Aufriß noch üben.

Damit der nackte Wahnsinn auf Spielfilmlänge kommt, wird das Lisa-Spaßprogramm in voller Wucht aufgefahren. Herbert Fux stapft immer wieder durchs Bild, um „lauter Nackerte!“ zu rufen, während Alexander Grill als Kellner einen „gespielten Witz“ nach dem anderen vom Stapel läßt – und in einer soziodokumentarischen Studie der österreichischen Gastfreundschaft eine Gruppe asiatischer Gäste mehrfach als „chinesische Saupreißn“ beschimpft. Freilich gibt es auch musikalische Einlagen: Eine Band namens „Die Speedys“ rockt einen minimalrebelliösen Song durch die Disko – und weil die Band keiner kennt, darf sie sicherheitshalber zweimal mit derselben Nummer auftreten.

Irgendwann aber scheint sich Peter derart für seine zarte Billi zu erwärmen, daß er sämtlichen anderen Frauen abschwört. Das nimmt ihm allen voran der Film selber übel, der eine Zeitlang den Eindruck macht, als würde er aus Empörung über Peters Monogamie prompt alle Nackerten in den Ruhestand schicken. Zum Glück versammelt sich zum Schluß nochmal ein präsentables Panoptikum reizender Rundungen: Mijou, Helga und Mathilde kommen am Wörthersee an und verlieren in Peters Gegenwart sofort ihre Kleidung – obwohl sie eigentlich noch etwas stinkig sind, daß er ohne sie in Urlaub fahren wollte, aber es scheint schon ein Wiedergutmachungsplan angedacht zu sein. Leider ziert sich Peter etwas, und so landen die drei motivierten Mädels eine nach der anderen unter dem Bett, um sich vor der jeweils nächsten zu verstecken.

Ganz klar: Ein durch und durch großartiger Film. Und lauter Nackerte!

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Zärtlich, aber frech wie Oskar (Deutschland 1980)
Alternativtitel: Der Gendarm vom Wörthersee
Regie: F.J. Gottlieb
Buch: „Florian Burg“ (= Erich Tomek)
Kamera: Franz X. Lederle
Musik: Gerhard Heinz
Darsteller: Régis Porte, Patricia Zenker, Tobias Meister, Herbert Fux, Renate Langer, Alexander Grill, Walter Kraus, Marie Luise Lusewitz, Werner Röglin, Otto W. Retzer, Rosl Mayr, „Ester Do Sica“ (= Esther Studer), Babsi May, Gesa Thoma, Corinna GillwaldDie Screenshots stammen von der DVD (C) MCP Sound & Media.
Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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