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BAD MOMS: Ein Aufstand gegen den Leistungswahn

Schlecht macht Spaß: Nicht erst seit Filmen wie BAD SANTA oder BAD TEACHER sehen wir gerne Menschen dabei zu, wie sie hohe Erwartungen und noble Ansprüche mit Wonne unterwandern. Dieser Bruch ist nicht nur deswegen vergnüglich, weil der Ungehorsam auch im Erwachsenenalter eine reizvolle Phantasie sein kann, sondern auch, weil diese Gescheiterten und Leistungsverweigerer immer auch uns Normalos widerspiegeln: So sehr wir gern ein Übercop wie Dirty Harry wären, finden wir uns eben doch viel stärker in den ungeschickten Anfängern der POLICE ACADEMY wieder.


Auch in BAD MOMS kämpft das titelgebende Frauentrio mit der Unmöglichkeit der permanenten, perfekten Leistung: Diese Damen sind keine miesen Mütter, weil sie sich nicht um das Wohlbefinden ihrer Kindern kümmern würden, sondern weil sie an der Vielzahl ihrer Aufgaben fast zwangsläufig scheitern müssen. Kindeserziehung, Haushalt, Karriere, Einkaufen, Kinder zur Schule bringen, Kinder von außerschulischen Aktivitäten abholen, Alltagskrisen und ständige Veranstaltungen: Kein Wunder, daß unsere Protagonistin Amy von sich sagt, daß sie hauptsächlich gut darin ist, zu allem zu spät zu kommen.

„Bad Mom“ Amy (Mila Kunis).

Es ist hochsympathisch, der von Mila Kunis gespielten Amy dabei zuzusehen, wie sie und ihre beiden neuen Freundinnen Kiki (Kristen Bell) und Carla (Kathryn Hahn) dem Leistungsdruck den Mittelfinger zeigen – und speziell der militanten Übermutter Gwendolyn (Christina Applegate), die über jede Schulaktivität mit eiserner Hand herrscht. Nachdem der Film von den HANGOVER-Autoren Jon Lucas und Scott Moore geschrieben und inszeniert wurde, bestand zu befürchten, daß die wildgewordenen Mütter sich auf derbste Abenteuer begeben würden – aber tatsächlich bleiben die Geschmacklosigkeiten aus, und der „Moms Gone Wild“-Rebellion der Gestreßten haftet eine charmante Bodenständigkeit an. Wenn die drei krakeelend durch den Supermarkt ziehen, richtet sich ihr Zorn unter anderem gegen den Pappaufsteller einer Putzmittel-Sauberfrau – und darf beim Anblick eines süßen Babys auch gern ein paar Sekunden pausieren.

Es stecken einige kluge Beobachtungen in dieser Meuterei gegen das perfekte Mutterdasein: Der ständige Druck, gegen den hier der Aufstand inszeniert wird, wird letzten Endes von den Müttern selbst mitgestaltet, die in allem perfekt sein wollen – und vor allem ihrer Umwelt stets das perfekt erfüllte Leben demonstrieren möchten, weshalb jede das Gefühl hat, nur sie sei eine Versagerin. Gleichzeitig merkt man, wie die Kinder den Leistungswahn aufgreifen und ihm schon früh verfallen: In einer witzigen Szene flippt Amys 12-jährige Tochter aus, weil sie unbedingt ins Fußballteam aufgenommen werden will – und zwar, weil sich das später positiv auf ihre College-Bewerbungen auswirken wird. Man muß sich nur manche 18-jährige Studentin mit schnellstmöglichen Studienabschlußplänen und Panik vor einer einzigen schlechten Note ansehen, um zu wissen, daß die Szene gar nicht so weit hergeholt ist.

Gwendolyn (Christina Applegate) ruft eine Notfall-Elternversammlung ein … wegen des anstehenden Kuchenbasars.

Witzigerweise stellen sich manche der Verweigerungen von Amy und ihren Freundinnen letztlich doch als gar nicht so verkehrte Erziehungsmaßnahme heraus: Nachdem der Sohnemann vergeblich gequengelt hat, daß er sein Frühstück nicht mehr fertig serviert bekommt, kümmert er sich nicht nur selber darum – sondern lernt gleich auch noch, selber zu kochen. Überhaupt ist Amys frustrierter Appell an den Sohn einen eigenen kleinen Szenenapplaus wert: „[…] Mummy and Daddy have been spoiling you, and now you think that the world owes you something, but it doesn’t. And if you don’t learn how to work hard now, then you’re going to just grow up to be like another entitled little white dude who thinks he’s awesome for no reason. And then you’ll start a Ska band and it’ll be awful and you’ll be mean to girls, and you’ll grow this ironic moustache to look interesting, but you won’t actually be interesting. And I’m not okay with that.“

Bad Moms (USA 2016)
Regie: Jon Lucas & Scott Moore
Buch: Jon Lucas & Scott Moore
Musik: Christopher Lennertz
Kamera: Jim Denault
Darsteller: Mila Kunis, Kristen Bell, Kathryn Hahn, Christina Applegate, Jada Pinkett Smith, Oona Laurence, Clark Duke, Jay Hernandez, Wanda Sykes, Martha Stewart

Die Screenshots stammen aus dem offiziellen Trailer und aus den Filmclips des YouTube-Kanals kinofilme.

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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