Hinter einem unscheinbaren Plural verbirgt sich ein Sequel, das tief im Geist der Achtziger verwurzelt ist: Aus ALIEN wird ALIENS, aus einem schleichenden Weltraumspuk wird ein gnadenloses, dezibelstarkes Aufrüstungsspektakel. Statt einem Alien gibt es tausende, statt bunt gemischten Normalo-Arbeitern treten bis an die Zähne bewaffnete Über-Marines an, statt einer freudschen Begegnung mit dem Unheimlichen wird hier eine dantesche Reise in die Hölle inszeniert. Es liegt am erstaunlichen erzählerischen Talent von Autor und Regisseur James Cameron, daß die Over-the-Top-Potenzierung des ersten Films funktioniert.
Schon mit dem Anfang distanziert sich Cameron vom Original und spitzt die Isolation seiner Hauptfigur zu: Als Raumpilotin Ripley, die einzige Überlebende der ersten Begegnung mit dem mörderischen Alien, aus dem Kälteschlaf geweckt wird, sind 57 Jahre vergangen. Der Planet LV-426, auf dem das Alien damals gefunden wurde, ist mittlerweile von Terraformern kolonialisiert – aber als der Kontakt zu den Siedlern abbricht, soll sie als Beraterin zusammen mit einer militärischen Spezialeinheit dorthin fliegen, um nach dem Rechten zu sehen. Ripley ist in dieser Welt eine Außenseiterin, die sich alles neu aufbauen muß: Sie kennt niemanden, ihre Tochter ist mittlerweile gestorben, sie ist Zivilistin ohne Kampftraining, ihre Warnungen werden nicht ernstgenommen.
Natürlich findet die Truppe auf LV-426 nur noch die Überreste der Kolonie vor, die von den Aliens überrannt wurde. Die Siedler hatten keine Chance – nur ein kleines Mädchen namens Newt konnte sich retten, indem es sich in den Lüftungsschächten versteckt hat. Und weil sich die tödlichen Tiere in der Überzahl befinden, sitzen auch Ripley und die Marines schnell in der Falle und müssen mit sinkenden Chancen um ihr Überleben kämpfen.
Es paßt zu den Reagan-Jahren, wie die ALIEN-Geschichte hier militarisiert wurde: ALIENS ist wie ein filmgewordener Ausnahmezustand, in dem den Albtraumkreaturen großflächig der Krieg erklärt wird. Der Kult um kompromißlose Mitglieder der Staatsmacht, der in den Kino-Narrativen der Achtziger nietzscheanische Über-Cops und Sieges-Soldaten die Durchschnittsmenschen verdrängen ließ, findet in der Welt von ALIENS eine fast ikonische Betonung: Übergroße Waffen, hunderte von Geschossen, Elite-Streitkräfte, rigoroses Körpertraining, aufwendige Kampftechnologie. Da ist es nur schlüssig, daß die Auseinandersetzung zwischen Mensch und Alien in seiner Essenz ein blutiger Territorialstreit ist.
Daß man nicht nur Zugang zu dieser Gefechtswelt erhält, sondern auch emotional die Reise begleitet, liegt vor allem daran, wie Cameron Ripley in das Geschehen involviert. Sie ist die Figur, deren Blickwinkel wir teilen – die Zivilistin, die Außenstehende und der Mensch, der Angst und Ehrfurcht vor den Aliens empfindet. Bei allem Getöse verankert Cameron die Figur selbst zum Schluß noch glaubwürdig – zum Beispiel in einem kleinen Moment, als sie auf dem Weg zur finalen Konfrontation kurz durchatmen und sich beruhigen muß. Gleichzeitig ist Ripley die, die man sein will: Sie hat Kampfgeist, wächst trotz aller Widrigkeiten über sich heraus und setzt alles daran, das kleine Mädchen Newt zu beschützen.
Diese Mutterrolle ist Teil eines interessanten Ansatzes, den Cameron auch anderswo einsetzt: Ripley ist eine starke Frau in einer männerdominierten Welt, ohne dabei selber demonstrativ maskulin zu werden. Wie Sarah Connor in den beiden TERMINATOR-Filmen kann sie kämpfen, wenn es notwendig ist, ist aber trotzdem eine emotionale und fürsorgliche Figur. Überhaupt zieht sich eine subtile Betonung des Femininen durch ALIENS, die als Gegengewicht zum Macho-Gehabe der Soldaten wirkt: Das toughste Mitglied der Spezialeinheit ist eine Frau, der großmäuligste Soldat dagegen ist der ineffektivste, und der Kopf der Alien-Kolonie ist eine Königin, ähnlich wie bei Ameisen. Die finale Konfrontation zwischen Ripley und der Königin ist damit ein Kampf zwischen zwei Wesen, die ihre Brut bzw. ihren Nachwuchs beschützen – im Falle von Ripley symbolisch in Form von Newt.
Damit hat Cameron das menschliche Rückgrat, das sein Spektakel zusammenhält. Und was für ein Feuerwerk er da abfackelt: Mit immenser technischer Präzision schickt er seine Protagonisten von einem Kampf in die nächste, setzt immer wieder eins drauf, schraubt die Intensität immer weiter an. Er weiß genau, wie er sein Publikum mitreißen kann: Jeder Moment geht sich nur haarscharf aus, die Situation scheint immer auswegloser zu werden – aber bei aller überspitzter Action sind die einzelnen Sequenzen ganz genau choreographiert.
Ständig passiert etwas Neues: In einer hochspannenden Sequenz verschanzen sich die Soldaten in einem Raum und beobachten auf einem Scanner, wie die Tiere näherkommen – und dann macht sich Panik breit, weil die Gegner eigentlich schon direkt vor ihnen sein müßten, aber nichts zu sehen ist. Anderswo hat die Situation der Soldaten etwas von einer Belagerung, und es muß ein Plan geschmiedet werden, wie einer nach draußen kann, um ein Rettungsshuttle herzulotsen. Dann wieder folgt eine Jagd durch enge Lüftungsschächte oder ein nervöses Schleichen in das Gebiet, in dem die Königin ihre Eier ablegt.
Auch in diesen Sequenzen zeigt sich Camerons erzählerisches Geschick, weil er immer wieder Momente einsetzt, die auf ein Bauchgefühl abzielen. Da wird Newt beispielsweise von Ripley getrennt und kann, wie in einem Echo aus DER DRITTE MANN, nur mit den Fingern zwischen den Gittern zu ihr hochgreifen – ein beklemmendes Bild. Kurz danach erhebt sich ein Alien hinter Newt aus dem Wasser, ohne daß sie es merkt – es zerrt an den Nerven. Ganz generell kann Cameron wie auch in seinen anderen Filmen mit einfachen, aber kraftvollen Motiven den Zuseher involvieren: Wie in TERMINATOR oder TITANIC stürzt der Mensch auch hier, weil er zu hoch hinauswill – im Falle von ALIENS, weil er einen ganzen Planeten ungeachtet seiner Gefahren erdgleich machen will.
Als Ridley Scotts ALIEN 1979 erschien, löste der Film eine Welle an Nachahmungsstreifen aus: Durch die kompletten Achtziger hindurch (und darüber hinaus) wurden nach diesem Muster Menschen von Monstern durch finstere Gänge gejagt. ALIENS ist – ganz ungeachtet der Tatsache, daß er offizielle Fortsetzung sein darf – die mit Abstand beste all dieser Kopien. Cameron nimmt die Blaupause des Vorgängers, krempelt sie um und bringt die richtigen Änderungen in die Geschichte, so daß man gar nicht merkt, wie sehr er sich doch an die Koordinaten des Erstlings hält. Damit schuf er etwas mit Seltenheitswert – und etwas, das die ALIEN-Reihe als Konzept auch in den folgenden Teilen begleiten sollte: eine Fortsetzung mit eigener Handschrift.
Morgen folgt Teil 2 der ALIENS-Retrospektive: ein Blick (ein Horch?) auf den Score von James Horner (hier). Übermorgen schließen wir die Retrospektive mit einem Gastbeitrag von Spieleveteran Heinrich Lenhardt ab, der über die beiden ALIENS-Computerspiele schreibt, die 1986 herauskamen (hier).
Aliens – Die Rückkehr (USA 1986)
Originaltitel: Aliens
Regie: James Cameron
Buch: James Cameron
Musik: James Horner
Kamera: Adrian Biddle
Darsteller: Sigourney Weaver, Carrie Henn, Michael Biehn, Paul Reiser, Bill Paxton, Lance Henriksen, Jenette Goldstein, William Hope, Mark Rolston
Man sollte ruhig noch erwähnen, dass die hunderte von Aliens in ALIENS mittels insgesamt vier Kostümen realisiert wurden. Damals war Cameron noch auf eine "Cormansche" Art und Weise effektiv, die er ja mittlerweile abgelegt hat. 🙂