Als Konsument muß man mitunter schwer auf der Hut sein, von den Verlockungen mancher Filmtitel nicht in die Irre geführt zu werden. Da wird ein Jim-Carrey-Drama mal eben als MAN ON THE MOON verkauft, obwohl nachweislich nicht ein einziger Astronaut zu sehen ist! Ganz anders ist das zum Glück bei dem Epos NUDE BOWLING PARTY, der seinen Kunden entwaffnend ehrlich gegenübertritt: Jawohl, hier wird nackt gebowlt.
Dieses knapp einstündige Charakterdrama zeigt zwei Teams zu je zwei Damen, die in einer Bowlinghalle gegeneinander wetteifern. Auf der Seite der Models treten die blonde Barbie (Sara St. James) und die brünette Bambi (Tammy Parks) an, auf der Seite der Tänzerinnen die blonde Tina (Teresa Langley) und die exotische Latino-Frau Francine (Taryn Carter). Weil ein Photograph anwesend ist, verlieren die Frauen in den ersten paar Runden ihre Kleidung und posieren zwischen jedem Wurf für die Kamera. Unterbrochen wird das Spiel nur gelegentlich für kurze Werbe-Parodien – zum Beispiel ein Clip, in dem die Mädels als Behelf gegen zu stark wippende Brüste einen BH vorführen.
NUDE BOWLING PARTY ist ein Film von beinahe puristischer Klarheit. Auch wenn anfangs in einer Szene eine Rivalität zwischen den beiden Teams angedeutet wird und etwas Zeit für Kommentare und die erwähnten Clips bleibt, konzentriert sich die Angelegenheit doch mit bestechendem Fokus auf das, was uns die Prämisse verspricht. Hier entspinnen sich keine Dramen, keine Subplots lenken vom fast meditativen Fluss der Haupthandlung ab.
Hinsichtlich dieses thematischen Schwerpunkts ist der Film beinahe als feministisch einzustufen. Wo andernorts Frauen nur Nebenrollen an der Seite männlicher Stars erhalten, stehen hier die Damen ganz im Zentrum des Spektakels. Dabei wird auch ein deutlich weiblicher Blickwinkel eingesetzt: Während sich Männer bekanntlich eifrig auf Spielergebnisse, sportliche Leistungen und Gewinnstrategien konzentrieren, lässt NUDE BOWLING PARTY diese Elemente fast abstrafend in der Rinne verlaufen. Punktzahlen werden nur gelegentlich von den Moderatoren erwähnt, aber nie eingeblendet, und mitunter werden nicht einmal die getroffenen Pins gezeigt, weil die Kamera auf den Personen verweilt. Hier steht eben noch der Mensch im Mittelpunkt des Geschehens.
Zu dieser humanistischen Haltung gehört auch, daß trotz der erwähnten Konkurrenzszene am Anfang das Spiel durchweg nur als vergnüglicher Zeitvertreib angesehen wird, bei dem kein Leistungsdruck verübt wird. Vor allem Bambi ist keinesfalls Profi-Bowlerin und wirft ihre Kugeln die meiste Zeit nur in die Rinne, aber sie erntet ebensoviel Applaus und Fröhlichkeit seitens der Kollegen wie die versierteren Spielerinnen. Regisseur J.L. Williams (eigentlich Jason Williams, der Star des ersten FLESH GORDON) denkt hier unverkennbar an die berühmte Sentenz von Friedrich Schiller: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“.
Der Photograph im Hintergrund wird übrigens von Scott Spiegel gespielt, der am Drehbuch zu TANZ DER TEUFEL II mitschrieb, während Sam Raimis Bruder Ivan als sein Assistent zu sehen ist. Raimi, der mit seinem Bruder unter anderem DARKMAN und ARMEE DER FINSTERNIS schrieb, tritt hier unter dem Pseudonym „Alan Smithee Sr.“ auf – nur ein weiterer Beweis dafür, daß die Männer hier bereitwillig zurücktreten, um den weiblichen Stars nicht das Rampenlicht streitig zu machen.
Fürwahr, NUDE BOWLING PARTY ist ein übersehenes Kleinod, von dem sich andere Produktionen nur eine Scheibe abschneiden können: Erst hier merkt man, was aus BOWLING FOR COLUMBINE mit ein bißchen Ambition hätte werden können.
Mehr Jason Williams auf Wilsons Dachboden:
COP KILLERS: Ein leerer Amoklauf durch Amerika
FLESH GORDON: Zoten und Zeitgeist
Nude Bowling Party (USA 1995)
Regie: „J.L. Williams“ (= Jason Williams)
Buch: „J.L. Williams“ (= Jason Williams)
Kamera: Daniel Yarussi
Darsteller: Teresa Langley, Taryn Carter, „Sara St. James“ (= Jacqueline Lovell), Tammy Parks, Tom Van Vlisingen, D. Power, Scott Spiegel, „Alan Smithee Sr.“ (= Ivan Raimi), Jeff Scott