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THE LAST DOOR: Victorian Gothic in 8-Bit

Eingemauerte Katzen, unwirkliche Wesen und düstere Herrenhäuser voller Geheimnisse: Das Retro-Adventure THE LAST DOOR schnappt sich die Motive von Poe und Lovecraft und bastelt daraus ein Point-and-Click-Abenteuer, das über mehrere kleine Episoden erzählt wird. Unser verspielter Gastautor Don Arrigone berichtet über die Meriten der ersten Staffel des crowdfinanzierten Spiels.

Retro ist in, und das nicht erst seit gestern. Insofern
konnten die Macher von THE LAST DOOR wohl davon ausgehen, daß tatsächlich ein
Markt für 8-Bit-Point-and-Click-Adventures besteht, als sie das Projekt 2012
auf Kickstarter vorstellten. Ein paar Monate später, im März 2013, erschien
dann die erste der insgesamt vier Episoden der ersten Staffel (zusätzlich wurden mehrere
Mini-Episoden und ein Interludium zur zweiten Season veröffentlicht). Aber ist
das traditionsbewußte Design nun reine Anbiederung an den Hipster-Markt oder
harmoniert es mit den anderen Spielelementen und trägt somit maßgeblich zum
Spielerlebnis bei? Wir werden sehen.

Fangen wir aber erst einmal mit der Handlung an: In der
ersten Episode erhält unser Hauptcharakter, Jeremiah Devitt, einen
geheimnisvollen Brief von einem ehemaligen Schulkameraden, woraufhin er sich
sogleich in dessen viktorianisches Landhaus aufmacht, um dem mysteriösen
Verschwinden seines alten Freundes auf den Grund zu gehen. Wer auch nur einen
Funken Ahnung von Gothic-Erzählungen hat, kann sich denken, daß sich die
Lösung solcher Rätsel schwieriger gestaltet als erwartet. Und so ist es mit
einem Besuch im Herrenhaus natürlich nicht getan, Devitts Reisen führen ihn
unter anderem noch in die Gossen von London, ein Siechhaus und eine surreale
Traumwelt – Klischee wird hier vollkommen bewußt keines ausgespart.

Quoth the raven …

Mit den Örtlichkeiten sind Genrefans also wohl weitgehend
vertraut; dem Spielspaß tut das allerdings keinen Abbruch, sind die Schauplätze
doch spannend inszeniert. So sind die Straßen von London beispielsweise ein
herrlich verwirrendes Labyrinth, und das von Nonnen betriebene Lazarett ist eine
gelungene Mischung mehrerer Klischees: der alten Schule, dem
Krankenhaus und dem Kloster. Zudem sind die einzelnen Locations trotz der
minimalistischen Grafik stets liebevoll und mit einem Blick fürs Detail
inszeniert und lassen so gekonnt Stimmung aufkommen.

Der geniale Soundtrack von Carlos Viola, der herrlich
düstere Atmosphäre heraufbeschwört, tut sein Übriges – zum Reinhören sei an
dieser Stelle „Crows over the City“ empfohlen. Die meisten Stücke
sind eher ruhig gehalten und passen so zum eher gemächlichen Genre der
Adventures. Nur an Schlüsselstellen gewinnt der Soundtrack an Dramatik, um den
Wahnsinn und den Horror zentraler Stellen zusätzlich zu betonen.

Paradies: Glaube.
Solche Höhepunkte gibt es immer wieder, und gezielt treibt
uns die Handlung von einem zum nächsten – Zeit für Langeweile bleibt da keine.
Die Geschichte ist mitreißend: Stets will man wissen, wie es weitergeht, stets
will man das nächste dunkle Geheimnis lüften. Einzig die Charaktere sind eher
flach geraten, selbst über unseren Protagonisten erfahren wir wenig. Dies
könnte eine bewußte Designentscheidung sein, derzufolge der Hauptcharakter
nur Projektionsfläche ist, um in die Welt eintauchen zu können; gut
geschriebene Charaktere haben aber allerdings noch keiner Erzählung geschadet
und hätten auch hier die Qualität noch anheben können.
Ein wenig Spielraum nach oben besteht auch bei den Rätseln.
Diese sind größtenteils gelungen, aber gerade in der ersten Episode zu leicht
und später wenig innovativ. Fortgeschrittene Spielmechaniken, wie wir sie
beispielsweise aus COGNITION kennen, gibt es hier keine, man hat sich fast
vollkommen auf klassische Rätsel verlassen. Schade, denn gerade wenn THE LAST
DOOR aus diesem Muster ausbricht, läuft es zu Glanzleistungen auf,
beispielsweise wenn in einem Puzzle der dritten Episode der Hintergrundmusik
eine zentrale Rolle zukommt.

Guybrush? Guybrush, wo bist du?

Und damit bleibt nun nur noch die Frage der Grafik zu
erörtern: Macht der 8-Bit-Stil nun wirklich Sinn? Kurz gesagt: Ja. Der Horror
des Spiels, der sich bewußt an die Werke von H.P. Lovecraft anlehnt, kann
sich gerade entfalten, da wir nicht alles erkennen. Die minimalistische Grafik
läßt unserer Fantasie freien Spielraum, sich den Schrecken selbst auszumalen;
gerade in surrealen Sequenzen, in denen man sich ansonsten mit allerlei
grafischen Spielereien behelfen müsste, ist diese Schlichtheit Trumpf. Zudem
passt die antiquierte Präsentation zum Genre, ist Gothic doch seit jeher
rückwärtsgewandt. Und da, wie beschrieben, THE LAST DOOR hier auch sonst in
keinerlei Hinsicht eine Ausnahme darstellt, tragen Spielprinzip und Grafikstil
maßgeblich zum Gefühl einer Reise in eine düstere Vergangenheit bei.

Insofern fügen sich die einzelnen Aspekte von THE LAST DOOR
harmonisch zu einem großen Ganzen zusammen, das mit gehörig Spielspaß und
Spannung aufwartet. Die erste Staffel endet, wie zu erwarten war, in einem
Cliffhanger, der geschickt mehrere Interpretationen der Geschehnisse zuläßt. Die
große Frage bleibt schließlich, ob es den Machern gelingt, die Geschichte zu
einem stimmigen Ende zu führen … man darf zumindest auf die nächste Staffel
gespannt sein.

Zur offiziellen Seite des Spiels geht es hier: www.thelastdoor.com.
Alle Screenshots stammen aus dem Spiel, (C) 2015 The Game Kitchen.

Don Arrigone
Als Kind ausgesetzt und im Kloster zum Heiligen Massacesi aufgezogen. Zeigte schon in jungen Jahren Interesse an jeglicher Art von Film, insbesondere aber an den Genres Horror und Thriller. Studium der Theologie, Magisterarbeit zur Darstellung der Nonne im italienischen Film des 20. Jahrhunderts. Priesterweihe, und Beitritt zum Geheimorden der Fratri Rossi. Tod während einer nächtlichen Orgie, aufgrund seines sündigen Lebenswandels hinabgefahren in die Hölle. Gefangen im 9. Zirkel der Unterwelt und somit gezwungen, bis zum jüngsten Tag Videothekenfutter zu rezensieren.

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