Joseph Loseys Kriegsdrama FÜR KÖNIG UND VATERLAND (im Original: KING AND COUNTRY) ist in vielerlei Hinsicht das britische Gegenstück zum sieben Jahre zuvor erschienenen PATHS OF GLORY von Stanley Kubrick: Ein Soldat steht wegen Fahnenflucht vor dem Kriegsgericht, und der verteidigende Offizier muß im Prozeß feststellen, daß das Schicksal des jungen Mannes eine schon zuvor abgemachte Sache ist.
Bei dem Soldaten handelt es sich um Private Hamp, der sich freiwillig zum Kriegsdienst meldete und mittlerweile schon drei Jahre an der Front verbracht hat – bis nun seine komplette Einheit bis auf ihn ausradiert wurde und er dabei gefaßt wurde, wie er nach Hause gehen wollte. Für den Prozeß wird ihm Captain Hargreaves als Pflichtverteidiger abgestellt – ein Offizier, der zunächst nicht viel von Hamp hält, aber mehr und mehr versteht, daß der junge Soldat unter einem Nervenschock leidet. Der Arzt der Kompagnie findet diese Behauptung natürlich haltlos und ist überzeugt, daß der Mann simuliert. „There is no such thing as shellshock“, bellte ja auch schon General Mireau in PATHS OF GLORY.
Cpt. Hargreaves (Dirk Bogarde, links) und Pvt. Hamp (Tom Courtenay). |
Fast mehr noch als bei Kubrick ist Loseys Film ein Krieg ohne Feind: Wo Kubrick immerhin eine Schlacht zeigte und darin aber den sichtbaren Feind aussparte, existiert der Gegner bei Losey nur als abstrakte Situation. Im Hintergrund sind den Film über beständig Explosionen zu hören, aber gekämpft wird hier nur innerhalb der eigenen Reihen: Die gesamte Geschichte spielt sich in einer dreckigen Bunkeranlage ab, und die Befehlshaber entscheiden mit Beiläufigkeit über Leben und Tod ihrer eigenen Männer. Auch hier wird der Gedanke geäußert, daß eine Hinrichtung eines „feigen“ Soldaten die Motivation der restlichen Männer steigern wird, die bald wieder in die Schlacht ziehen müssen. In so einer Welt braucht es eben keinen Feind, damit Menschen sterben.
Man merkt dem Drehbuch von Evan Jones an, daß es sich bei KING & COUNTRY um die Verfilmung eines Theaterstücks handelt – John Wilsons HAMP, das wiederum auf dem Roman RETURN TO THE WOOD von James Lansdale Hodson basiert. Weite Strecken des Films sind statisch und dialoglastig, das Herzstück bilden die langen Gespräche zwischen Hamp und Hargreaves sowie das Kriegsgericht selber. Losey und sein Kameramann Denys Coop sind darauf bedacht, für diese Bühnenhaftigkeit filmische Bilder zu finden: In hartem Licht und trostlosen Schatten zeichnen sie die Bunkeranlage als gleichzeitig realistisch beengten wie auch als stilisiert komprimierten Raum; im für diese Bildgestaltung perfekten 4:3-Format wirkt jede Einstellung wie ein beklemmender Kasten, der immer durch Wände und Finsternis geschlossen bleibt, und in den sich die Darsteller hineinquetschen müssen, um darin agieren zu können. Es ist ein sehr stimmungsvoller, dramatischer Look, der viele der Szenen trägt.
Pvt. Hamp (Tom Courtenay) in seiner improvisierten Zelle. |
Die Bilder stellen ein interessantes Gegenstück zu Kubricks Film dar, dessen Einstellungen nicht weniger komponiert waren und doch so anders wirken. Wo Kubrick mit Gegensätzen arbeitet, zum Beispiel im Hinblick auf weite Räume und geschlossene, und seine Kamera oft in Bewegung hält, inszeniert Losey in vielen Momenten eher wie ein Photograph – hier und da setzt der Film sogar tatsächliche Photographien von gefallenen Soldaten ein, die das Geschehen traurig in der Realität verankern. Bewegung findet hier meist nur in knappen Fahrten und Schwenks statt – oder in den seltenen Fällen, wo Losey die Innenräume der Bunkeranlage verläßt: Zu Beginn gleitet die Kamera über ein Kriegsdenkmal, fährt daran herauf und herab. Dann wird zu einer Explosion geschnitten, und die Kamera schwenkt in ähnlicher Manier über einen vom Regen in Schlamm und Matsch verwandelten Kriegsschauplatz, wodurch das Majestätische des Denkmals effektiv konterkariert wird.
Den kontrollierten Bildern steht eine interessante Notdürftigkeit in der Ausstattung gegenüber. Vieles an der Anlage ist improvisiert: Hamps Zelle wird nur durch ein Gitter geschlossen, das mal der Kopfteil eines Messingbettes gewesen zu sein schien; die am Boden liegenden Bretter können kaum die durch den Dauerregen entstandenen Schmutzlachen abdecken. Das Kriegsgericht besteht aus einige schmucklosen Holztischen und -stühlen – wie auch die Besetzung des Gerichts provisorisch erfolgen mußte.
Ein reißerisches Alternativposter zeigt den traurigen Schluß des Films. |
Eher plump wirkt dagegen der Symbolismus, den Losey an manchen Stellen schlichtweg zu offensichtlich gestaltet. Da treiben Soldaten Ratten aus einem toten Pferd heraus und stecken eine davon in einen (ebenso mit Draht improvisierten) Käfig – das würde als Bild für die Menschen auf dem Schlachtfeld durchaus reichen. Aber dann halten sie mit der Ratte eine höhnische Nachäffung des Gerichts ab, und das ist in einem Film, der schon mit einer gewissen unfilmischen Bühnenhaftigkeit kämpfen muß, einfach zu viel des Ausgesprochenen.
In gewissem Sinne endet auch KING & COUNTRY wie PATHS OF GLORY mit einer Sequenz, die Menschlichkeit suggerieren kann, aber vielleicht auch eigentlich das Gegenteil davon zeigt. Dort summten Soldaten ergriffen das Lied einer Kriegsgefangenen mit, bevor sie wieder in den Kampf gerufen wurden. Hier muß Hargreaves dem Mann den Gnadenschuß geben, den er trotz aller Bemühungen nicht verteidigen konnte. Für sich genommen ist es ein Akt der Mitgefühls, daß er ihn erlöst. Die traurige Erkenntnis des Films ist aber wohl, daß der Krieg eine Welt schafft, in der wir eine solche Situation als Teilnahme verstehen müssen.
Für König und Vaterland (UK 1964)
Originaltitel: King & Country
Regie: Joseph Losey
Buch: Evan Jones (nach dem Roman von James Lansdale Hodson und dem Bühnenstück von John Wilson)
Kamera: Denys Coop
Musik: Larry Adler
Darsteller: Dirk Bogarde, Tom Courtenay, Leo McKern, Barry Foster, Peter Copley