Der Körpertausch gehört seit geraumer Zeit zum Erzählrepertoire des Kinos – kein Wunder, erlaubt es uns doch außer der Literatur sonst kein Medium so sehr, in die Haut anderer Menschen zu schlüpfen. Deswegen werden im Film Identitäten nicht nur metaphorisch getauscht – zum Beispiel im Sinne der Verwechslungsgeschichte – sondern auch gerne mal tatsächlich: Da findet sich ein Junge im Körper eines Erwachsenen wieder (BIG), Elternteil und Kind tauschen ihren Körper (ICH BIN DU oder FREAKY FRIDAY) und eine junge Frau wird zum alten Mann (BODY SWITCH). Der Perspektivenwechsel erlaubt es uns, etwas über Empathie zu erfahren, soziale Rollen zu untersuchen oder die Diskrepanz zwischen Vorstellung und Wirklichkeit auszuloten. Im Falle von Peter Bogdanovichs ICH BIN DU, UND DU BIST ICH lernen wir hauptsächlich etwas über Zeitverschwendung.
Der für Disney inszenierte TV-Film fällt in die Zeit zwischen 1994 und 2004, in der der einst für sein bitter-melancholisches Drama DIE LETZTE VORSTELLUNG gefeierte Regisseur sich nach diversen finanziellen Mißerfolgen hauptsächlich als Handwerker beim Fernsehen verdingen mußte. Dort blieb von seinem Stil und seinen Interessen natürlich nur wenig über – weshalb man in dieser Schaffensperiode solide inszenierte Krimis (NAKED CITY – EIN FEST FÜR EINEN KILLER), Biopics (HUSTLE) oder Dramen (TO SIR, WITH LOVE II) ebenso findet wie eine verunglückte Körpertauschkomödie – nämlich der vorliegende Film, der im Original A SAINTLY SWITCH heißt.
Zwischen Footballspieler Dan (David Alan Grier) und seiner Frau Sara (Vivica A. Fox), die neben dem Hausfrauendasein noch zeitweise als Kunstlehrerin arbeitet, herrscht beständig dicke Luft: Beide fühlen sich vom jeweils anderen mißverstanden und vernachlässigt. Nach einem Umzug nach New Orleans, wo Dan bei einer neuen Mannschaft anheuert, finden ihre beiden Kinder im neuen Haus einen geheimen Raum mit Voodoo-Materialien – die sie flugs dazu nutzen, daß Mama und Papa die Rollen tauschen müssen. Ab sofort muß also Sara im Körper von Dan das Footballfeld unsicher machen, während Dan am heimischen Herd das Essen anbrennen läßt …
Man ahnt schon an der Zusammenfassung eines der grundlegenden Probleme des Films: Hier werden Rollenklischées abgespult, daß man weinen könnte. Der toughe Mann im harten Kontaktsport, der sich schwer damit tut, über seine Gefühle zu reden, und die höchst erwachsene und schwerst sensible Hausfrau, die immer für Heim und Familie da ist und nebenher fremden Kindern ein paar schöne Bilder zeigt – alleine die Figurenzeichnung zeigt, wie unambitioniert (und im Kern zutiefst reaktionär) das Skript vorgeht. Hätte man nicht zum Beispiel Karrierefrau und Hausmann, Sportlerin und Lehrer, toughe Sie und empfindsamen Er zusammenstellen können, um wenigstens ein paar Schritte von den offensichtlichsten Stereotypen wegzurücken?
Aber nein, genau diese Stereotypen sind es nämlich, auf denen der Witz des Films aufbaut – wobei das Wort „Witz“ hier als Intention und nicht als Resultat zu verstehen ist. So darf Sara als Dan auf dem Footballfeld tuckig herumlaufen und Weinkrämpfe kriegen, weil der böse Coach sie dauernd anschreit; umgekehrt darf Dan als Sara ungeniert rülpsen, Kaugummi kauen, unmögliche Schlabberklamotten tragen und wie ein Prolet reden. Ehrlich: Mich macht so ein Weltbild eigentlich nur sehr traurig. Aber was weiß ich denn schon? Mario Barth hat aus solchen Allgemeinplätzen eine ganze Karriere aufgebaut.
Wie tiefverwurzelt dieses Geschlechterverständnis – der Mann verdient die Brötchen, die Frau putzt Heim und Kinder – hier sitzt, zeigt sich letztlich auch an der herablassenden Art, wie Saras Nebenjob als Kunstlehrerin abgehandelt wird: Es gibt exakt eine Szene, in der Sara/Dan in einem Klassenzimmer gezeigt wird – der Rest des Films widmet sich ausführlichst dem Football-Drama, weil Papas Sieg ja für das finanzielle Wohl der Familie essentiell ist. Wir lernen übrigens, daß auch der unfähigste Spieler mit ein paar Stunden Training seitens seines Lebenspartners in kürzester Zeit reif für den Superbowl ist – und denken lieber nicht darüber nach, daß es Dan und Sara in vielen Jahren Ehe offenbar nie geschafft haben, sich auch nur eine Sekunde lang für die Tätigkeit des anderen zu interessieren, weswegen sie selbst einfachsten Begriffen und Konzepten völlig hilflos gegenüberstehen. Man fragt sich sonst, ob so eine Beziehung tatsächlich gerettet werden sollte.
Und nein, viel kann Bogdanovich wohl nicht für diesen plumpen Käse, den er als Auftragsarbeit routiniert und gänzlich uninspiriert heruntergekurbelt hat. Wobei es doch überrascht, wie ein Mann, der anderswo aus so vielen Schauspielern so bemerkenswerte Leistungen herauskitzeln konnte, hier seine beiden Hauptdarsteller derart plakativ und aufgesetzt agieren lassen kann – Fox und Grier spielen, als müßte selbst das langsamste Kind in der letzten Reihe noch erklärt bekommen, was hier abläuft. Als Spiegel zueinander sind beide ohnehin unbrauchbar, aber sie schaffen es hier nicht einmal, glaubwürdig eine im falschen Körper gefangene Person zu vermitteln.
Das einzige, was hier an Bogdanovichs sonst so großartiges Kino erinnert, ist der Einsatz von alten Louis-Armstrong-Songs – und die genießt man wohl doch lieber mittels einer Platte. Und danach sieht man sich gleich THE CAT’S MEOW an, um sich wieder zu vergewissern, daß Bogdanovich auch heute noch bemerkenswerte Filme machen kann – wenn man ihn nur läßt.
Ich bin du, und du bist ich (USA 1998)
Originaltitel: A Saintly Switch
Regie: Peter Bogdanovich
Drehbuch: Sally Hampton, Haris Orkin
Musik: Terence Blanchard
Kamera: James Gardner
Darsteller: Vivica A. Fox, David Alan Grier, Al Waxman, Scott Owen Cumberbatch, Shadia Simmons, David Keeley, Rue McClanahan, „Louise Straten“ (= Louise Stratten)
——————
4 8 15 16 23 42
Ja und Amen kann ich da nur sagen, ich stimme Dir in jedem Punkt zu. Man sieht einfach wie enorm schädigend dieses Disney-TV-Niveau der 90er Jahre bis in die heutige Zeit hinein ist, dass selbst große Talente sich dem Klischee-Scheiß, der auch immer die Zuschauer belehren will, unterzuordnen haben. Meiner Meinung nach erkennt man das auch toll in dem Frühwerk Tim Burtons, dem Kurzfilm "Frankenweenie" der leider unter Disney-Einfluss entstand.
Falls es Dich interessiert, ich habe den Film übrigens auch mal vor einiger Zeit besprochen: http://schlombies-filmbesprechungen.blogspot.de/2012/10/ich-bin-du-und-du-bist-ich.html
Gruß, Schlombie 🙂
Den Burton-Kurzfilm kenne ich nicht. Im reinen Eskapismus finde ich Disney wunderbar, aber sobald sie uns etwas über das Leben und vor allem über Beziehungen erzählen wollen, kann man meist nur traurig den Kopf schütteln. Du hast deren einfältiges Weltbild in deinem Review ja auch sehr schön auf den Punkt gebracht – "Die Welt wäre besser, wenn wir alle lieb wären" …