Kartographieren wir einmal mehr das höchst verwirrende Land der Pseudofortsetzungen: Der hier besprochene GHOSTHOUSE 4 ist nämlich, das weiß ja ein jeder, keine Fortsetzung von GHOSTHOUSE 1-3, sondern ein Sequel zu rein gar nichts. Ein Noquel sozusagen. So gesehen paßt der Streifen natürlich in die Reihe, die nur im deutschen Sprachraum überhaupt eine ist, aber irritierenderweise gleich drei Filme vom selben italienischen Regisseur umfaßt: Der erste GHOSTHOUSE von Umberto Lenzi wurde ursprünglich als LA CASA 3 vermarktet, also als Sequel zu TANZ DER TEUFEL und dessen Fortsetzung (die im Italienischen die Titel LA CASA bzw. LA CASA 2 trugen), hatte aber natürlich rein gar nichts damit zu tun. GHOSTHOUSE 2 – DAS UNGEHEUER LEBT stammte eigentlich von Lamberto Bava und wurde auch als DEMONS III herausgebracht, stammt aber eigentlich aus einer Reihe von TV-Gruselfilmen, die Bava 1987 bzw. 1988 inszenierte. GHOSTHOUSE 3 – HAUS DER VERLORENEN SEELEN war dagegen wieder von Lenzi und gehört wie auch der vorliegende GHOSTHOUSE 4 zu einem Quartett von eigenständigen Fernsehhorrorfilmen, die sich um Spukhäuser drehen (die anderen beiden wurden von Lucio Fulci gedreht). Und somit gehört GHOSTHOUSE 4 ja dann doch irgendwie so ein bißchen zum vorigen Film. Also doch kein Noquel? Vielleicht ein Anthologiequel?
Egal. Immerhin rückt der Titel den Streifen noch eher in die richtige Richtung als der deutsche Alternativtitel, unter dem er ebenfalls erschienen ist: TOTENTANZ DER HEXEN II – wo doch jedes Kind weiß, daß der erste TOTENTANZ DER HEXEN eigentlich ein 1983 von Ulli Lommel inszenierter amerikanischer Schocker war! Aber lassen wir das mal mit den ganzen Namen, dem Schall und dem Rauch: Widmen wir uns doch ganz unverflugs dem vorliegenden Gruselhäuschen, in das uns Umberto hier locken möchte.
Dieses schöne Anwesen taucht schon seit einiger Zeit in den Träumen von Luke (Andy J. Forest, BRIDGE TO HELL) auf, die stets dem selben Muster folgen: Er hetzt durch einen Garten, im Hintergrund bellen die Hunde, und kommt dann in das offenstehende Haus – in dessen Küche er eine gar gruselige Hexengestalt im Kochtopf rühren sieht. Die lachende Alte mit dem schwarzen Zahn zieht dann unter der Anrichte seinen abgetrennten Kopf hervor und wirft ihn als Fleischbeigabe in die Suppe. Zur Feinabschmeckung mit Pfeffer, Salz und Petersilie kommt Luke leider nicht mehr, weil er schweißgebadet aus dem Albtraum aufwacht. Seiner Schwägerin Elsa (Susanne Martinková, GEHEIMKOMMANDO C.I.A.) erzählt Luke, daß er diese Träume hat, seit er mit seiner Frau Martha (Sonia Petrovna) verheiratet ist. Nur wenig später stellen wir fest, daß Martha immer finster guckt, schlafwandelt und bei einem Autounfall ungerührt vorschlägt, weiterzufahren, weil die Personen im anderen Wagen eh schon tot sind. Außerdem eröffnet Martha dem armen Luke, daß ihre Ehe im Eimer ist. Hmm … könnte es eine Verbindung zwischen Lukes Träumen und Marthas merkwürdigem Verhalten geben? Puh, wer hält denn soviel Ungewißheit aus?
Um die Ehe zu retten, fährt Luke also mit Martha aufs Land – und schon entpuppt sich das von Martha gemietete Haus als exakt jenes aus Lukes Träumen! Dort lebt der alte, blinde Besitzer des Anwesens, Andrew Mason (Jess-Franco-Veteran Paul Muller), dessen Nichte Sharon (Marina Giulia Cavalli, DAS ALIEN AUS DER TIEFE) auch gleich noch angereist kommt. Und weil Luke weitere Albträume hat, in denen die garstige alte Hexe zum Beispiel einen Priester umbringt, und er schon am nächsten Tag der Beerdigung des Geistlichen beiwohnen darf, bittet er seine Schwägerin Elsa, doch lieber auch noch zu kommen – und die bringt gleich ihre Tochter Debra (Maria Stella Musy) mit. Wozu der große Tross an Nebenfiguren? Na klar: Damit nicht nur anonyme Statisten sterben müssen.
Eine recht freudianische Spukgeschichte also, die hier aufgefahren wird – wie so oft im italienischen Genrekino. Und wie auch schon bei seinem artverwandten GHOSTHOUSE arrangiert Lenzi seinen Hexenreigen als Abfolge von hübsch unwirklichen Unheimlichkeiten: Der wiederkehrende Traum, der langsam in die Realität sickert; blutende Blumen, die einen Tag blühen und am nächsten verdorrt sind; ein Kellerraum, in dem plötzlicher Schneefall eintritt; ein bizarrer Autounfall; die als weiße Gestalt durch die Nacht geisternde Somnambule – das sind interessante Einfälle und reizvolle Motive, die diesen Gothic Horror auch auf psychologischer Ebene funktionieren lassen.
Und doch will die Begeisterung nicht vollständig ausbrechen. Das Skript müht sich ein ums andere Mal ab, sämtliche phantastischen Vorgänge beständig zu erklären, zu kommentieren, zu etikettieren – wo viele der übernatürlichen Geschehnisse für sich genommen stimmungsvoll gewirkt hätten, werden sie beharrlich durch den nächsten banalen Wortschwall aus dem Reich des Rätselhaften gezerrt und verpuffen unter dem Geplapper. Es hilft freilich nicht, daß die Dialoge höchst expositorisch vonstatten gehen (Luke erzählt Elsa eingangs nicht nur, daß sie seine Schwägerin ist, sondern erinnert sie auch daran, daß sie seinen Bruder geheiratet hat, der bei einem Autounfall starb – und nein, Elsa ist nicht dement). Und ebensowenig hilft es, daß Hauptdarsteller Andy J. Forest nur minimal aufregender wirkt als ein Testbild zum Sendeschluß – wobei die Schlafmützensynchro zugegebenermaßen auch Jim Carrey und Jerry Lewis in die Grube gerissen hätte.
Rein handwerklich ist GHOSTHOUSE 4 (im Original übrigens LA CASA DEL
SORTILEGIO, „Das Haus der Zauberei“) durchweg sauber inszeniert – so kann man sich also aussuchen, ob man sich über die banalen Dialoge und das behäbige Tempo ärgert, oder ob man die durchaus schön gestalteten Momente dazwischen herauspicken will. Wobei das ein Dilemma darstellt, daß weder dem Lenzi-Kenner noch dem Italo-Genrefreund so richtig neu vorkommen wird …
Ghosthouse 4 – Haus der Hexen (Italien 1989)
Originaltitel: La casa del sortilegio
Alternativtitel: Totentanz der Hexen II / The House of Witchcraft
Regie: Umberto Lenzi
Buch: Gianfranco Clerici & Daniele Stroppa (story), Umberto Lenzi (screenplay)
Musik: „Claude King“ (= Claudio Simonetti)
Kamera: Giancarlo Ferrando
Darsteller: Andy J. Forest, Sonia Petrovna, Susanna Martinková, Marina Giulia Cavalli, Paul Muller, Maria Stella Musy, Alberto Frasca, Maria Clementina Cumani Quasimodo
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