Eigentlich hätte HANKY PANKY ein Nachfolger zu STIR CRAZY (zu deutsch: ZWEI WAHNSINNIG STARKE TYPEN) sein sollen – keine Fortsetzung, aber eine neuerliche Zusammenarbeit von Gene Wilder und Richard Pryor unter der Regie von Schauspiellegende Sidney Poitier. Aber dann sprang Pryor ab, und sein Part wurde stattdessen für die durch die Comedyshow SATURDAY NIGHT LIVE bekanntgewordene Komikerin Gilda Radner umgeschrieben. Für Wilder war das privat ein Glücksfall: Er und Radner heirateten zwei Jahre später. Karrieremäßig war der Film für alle Beteiligten dagegen weniger erfolgreich: Die Kritiken waren bestenfalls lauwarm, und wo STIR CRAZY in den Staaten noch über $100 Mio. einspielte, schaffte HANKY PANKY nicht einmal ein Zehntel davon.
Die Story ist in Hitchcockschen Krimigewässern angesiedelt: Der Architekt Michael Jordon aus Chicago lernt bei einem Besuch in New York eine Frau kennen, die nur wenig später ermordet wird – und abgesehen von einigen finsteren Gangstern, die Jordon nun auf den Fersen sind, glaubt auch die Polizei, daß er für ihren Tod verantwortlich ist. Bei der Flucht vor dem Gesetz und der Suche nach der Wahrheit hinter dem mysteriösen Fall trifft Jordon auf die Reporterin Kate Hellman, die an seine Unschuld glaubt und ihm hilft, um an eine heiße Story zu kommen …
Es ist ein hübsch rätselhafter Plot, den Poitier und seine beiden Autoren Henry Rosenbaum und David Taylor (die auch hinter Allan Arkushs schräger Rock’n’Roll-Komödie GET CRAZY stecken) da entspinnen – und vom unschuldig Verfolgten über den MacGuffin (in diesem Fall ein Computerband mit geheimen Regierungsinformationen) hin zur aufblühenden Romanze zwischen den gejagten Hauptfiguren atmet ein Großteil der Geschichte natürlich den Geist von Hitchcocks DER UNSICHTBARE DRITTE. Gerade anfangs ist es amüsant, in die Verwirrungen der Story hineingeworfen zu werden, und erst hinten bei der Auflösung werden diese Verstrickungen dann teils zu konstruiert abgewickelt.
Generell ist HANKY PANKY besser, als es seine Reputation glauben läßt: Der Film mag kein profundes, brillantes Krimischwergewicht darstellen, aber er würzt seine Geschichte mit einigen spannenden und actionreichen Sequenzen. Gerade die Nebendarsteller sind exzellent besetzt: Neben Charakterdarstellern wie Robert Prosky und Josef Sommer glänzt vor allem Richard Widmark als leitender Schurke – mit seinem zerfurchten Gesicht und seinem stechenden Blick gibt er einen wunderbar fiesen Gegenspieler ab. Als todgeweihte schöne Lady ist übrigens Kathleen Quinlan zu sehen (die später für APOLLO 13 für einen Oscar nominiert wurde).
Gene Wilder selber ist leider über einige Strecken des Films zu überdreht, um wirklich durchgehend witzig zu sein – vor allem in der ersten Hälfte schaltet er einfach viel zu schnell in den absoluten Panikmodus um. Dennoch hat er auch hier wieder einige sehenswerte und witzige Momente – dazu gehören diverse Pointen, die Wilder gerne mit so perfektem Timing und doch gegen die Erwartungen einwirft, daß es stets vergnüglich ist, ihm zuzusehen. Als er zum Beispiel am Anfang von zwei Gangstern entführt wird und lautstark verkündet, daß er jetzt sofort wissen will, was hier los ist, boxt ihm einer der Männer in den Magen – und Wilder erklärt großzügig: „I … I … I suppose it could wait ‚til later“. Auch schön gespielt ist sein vorsichtiges Nachhaken bei Kate, warum sie ihm helfen will: „It’s more than my baby-blue eyes, isn’t it?“ Und wie auch in seinen früheren Filmen gibt es hysterische Ausbrüche, in die er sich mit solcher Wonne hineinwirft, daß sie witzig und gleichzeitig faszinierend anzusehen sind – hier zum Beispiel eine Szene in einem Segelflieger, dessen Pilot gerade gestorben ist: Wilder muß also ans Steuer greifen und herrscht dabei seine aufgebrachte Freundin permanent an, daß es dem Piloten gut geht: „Don’t say he’s dead! The man is resting!“
Daß Wilder mitunter zu aufgedreht ist und Radner dagegen nicht extrem viel Eindruck hinterläßt, ist aber nicht der einzige Grund, warum der Film so wenig Freunde fand – es liegt wohl großteils auch daran, daß der Streifen völlig falsch vermarktet wurde. Im Prinzip bietet HANKY PANKY Krimiaction mit etwas Witz – und ist damit im selben Gebiet wie Wilders TRANS-AMERIKA-EXPRESS anzusiedeln. Durch den Titel erwarteten die Zuseher aber wohl mehr Komödie – zumal das Plakat auch versprach: „Something funny’s going on here“. Der Trailer des Films ist dagegen auf die Romanze zwischen den Hauptfiguren zugeschnitten – die tatsächlich wenig Platz einnimmt und auch nicht zu den überzeugendsten Elementen der Geschichte gehört. Daß niemand so recht wußte, wie man diesen Film als Nachfolger zu ZWEI WAHNSINNIG STARKE TYPEN lancieren sollte, zeigt auch der deutsche Verleihtitel DER GEISTERFLIEGER HANKY PANKY, der wohl auf wahnwitzig schräge Comedy hindeuten soll, und auch ein Alternativplakat, auf dem Wilder und Radner als gezeichnete Figuren in einem engen Helikopter hocken – was im Film nie vorkommt und auch wesentlich mehr Slapstick suggeriert, als der Film überhaupt hat.
Schade, denn trotz Schwächen bietet HANKY PANKY vergnügliche 103 Minuten Krimikomödie, die vor allem Wilder-Fans mit genug schönen Momenten bei Laune hält. Dennoch: Wer Wilder und Radner in einer wirklich großartigen Komödie sehen will, schaut lieber den zwei Jahre später entstandenen DIE FRAU IN ROT.
Mehr über Gene Wilders Filme und Bücher auf Wilsons Dachboden:
CHARLIE UND DIE SCHOKOLADENFABRIK (1971)
ZWEI WAHNSINNIG STARKE TYPEN (1980)
ZWEI WAHNSINNIG STARKE TYPEN – Soundtrack
DIE GLÜCKSJÄGER (1989)DAS ANDERE ICH (1991)
KISS ME LIKE A STRANGER – MY SEARCH FOR LOVE AND ART (2005)
MY FRENCH WHORE – A LOVE STORY (2007)
Der Geisterflieger Hanky Panky (USA 1982)
Originaltitel: Hanky Panky
Regie: Sidney Poitier
Drehbuch: Henry Rosenbaum, David Taylor
Darsteller: Gene Wilder, Gilda Radner, Kathleen Quinlan, Richard Widmark, Robert Prosky, Josef Sommer, James Tolkan
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